Ende des Jahres läuft ein Vertrag zwischen Kiew und Moskau aus, der den Transport von russischem Gas durch die Ukraine nach Europa regelt. Moskau warnt vor Preisschüben – aber stimmt das?
Die Ukraine will künftig kein russisches Gas mehr nach Europa leiten – aus Moskau kam daraufhin scharfe Kritik. »Eine solche Entscheidung der Ukraine wird den Interessen der europäischen Verbraucher, die weiterhin russisches Gas kaufen wollen, schaden«, sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow.
Russland werde sich nun andere Transitrouten für seine Gaslieferungen suchen müssen. Dadurch dürften die Europäer »mehr bezahlen müssen«. Ihre Wettbewerbsfähigkeit wäre dadurch beeinträchtigt.
Ukrainische Unternehmen hatten Ende 2019 einen entsprechenden Vertrag für fünf Jahre mit dem russischen Gazprom-Konzern geschlossen. Er läuft Ende des Jahres aus.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angekündigt, dass dieser Vertrag nicht verlängert werde. »Es ist vorbei«, sagte er.
Wie stark der von Russland thematisierte Preisschub ins Gewicht fallen würde, ist unklar. Erstens werden ohnehin nur noch wenige EU-Staaten weiterhin über die Ukraine mit russischem Pipelinegas beliefert – allen voran Österreich, Ungarn und die Slowakei.
Zweitens machen die Transitkosten nur einen kleinen Teil des Gesamtgaspreises aus. In Wien etwa geht man nach SPIEGEL-Informationen gemäß erster Berechnungen nur von einem Anstieg der Endkundenpreise um zehn bis zwanzig Prozent aus, falls der Transit durch die Ukraine gestoppt würde.
Drittens ließen sich die russischen Lieferungen auch durch Flüssiggas ersetzen, das auf dem Weltmarkt derzeit gut verfügbar ist.
Und viertens ist die Ukraine selbst auch nicht untätig, was alternative Transitrouten betrifft. Im vergangenen Monat hatte Selenskyj einen Vertrag mit Aserbaidschan in Aussicht gestellt, um russisches Gas in den ukrainischen Pipelines zu ersetzen. Da die Ukraine aber keine Grenze zu Aserbaidschan hat, würde dieses Gas durch Russland geleitet werden.
Nach Angaben des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew sind die EU und die Ukraine an ihn herangetreten, um bei entsprechenden Gesprächen mit Moskau zu vermitteln.
ssu/AFP