Kanzler gibt Sommerinterview

Scholz gegen Neuwahlen und für Ukraine-Verhandlungen

08.09.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Neuwahlen? Kein Thema für Scholz. Auch sonst ist er zufrieden: Beim Thema Migration habe er die größte Wende vollbracht. (Foto: picture alliance/dpa/ZDF)

Im Sommerinterview im ZDF lehnt Kanzler Scholz Neuwahlen ab und spricht von einem „Oppositionsideechen“. In der Ukraine-Frage sieht er die Zeit für stärkere Bemühungen um Verhandlungen gekommen. Auch zum aktuellen Ampel-Streitthema, der Rente, äußert er sich.

Bundeskanzler Olaf Scholz will nicht die Vertrauensfrage im Bundestag stellen und damit eine vorgezogene Bundestagswahl einleiten. Die Regierung habe eine Mehrheit, die Aufgaben zu tun, um die es jetzt gehe, sagte der SPD-Politiker im ZDF-Sommerinterview. „Das ist doch ein kleines Oppositionsideechen, dass man mal immer so alle drei Wochen dieses Wort sagt.“

Er geht davon aus, dass Regierungsbildungen in Deutschland auf absehbare Zeit schwierig sein werden. „Wenn ich mit Ihnen meine Zahnschmerzen teilen darf: Ich befürchte, wie auch immer alles in den nächsten Jahren sein wird, wir werden noch viele, viele Jahre in Deutschland Konstellationen haben, in denen es sehr kompliziert ist, Regierungen zu bilden.“

Das werde man im Bund wie in den Ländern sehen. „Und deshalb kommt es darauf an, dass wir einen Stil miteinander zustande bekommen, in dem die Tatsache, dass Parteien miteinander regieren, die das vielleicht nicht bei ihrer Geburt gedacht haben, trotzdem so ausgeht, dass man was schafft.“ Auf dieser Ebene habe die Ampel viel geleistet.

„Habe größte Wende im Umgang mit Migration zustande gebracht“

Vor möglichen neuen Migrationsverhandlungen von Regierung, Opposition und Ländern zeigte Scholz kompromissbereit. „Wir haben schon Zurückweisungen an der Grenze, wir haben schon Grenzkontrollen, und ein effektives Grenzmanagement ist etwas, was wir gern weiter und auch mit Unterstützung der Opposition ausbauen wollen“, sagte er im ZDF-Sommerinterview. „Es wird gute Vorschläge geben, (…), die alle sich im Rahmen der europäischen Gesetze, der internationalen Verträge und unseres Grundgesetzes bewegen.“

Ein neues Migrationsgespräch ist für diesen Dienstag ins Auge gefasst. CDU-Chef Friedrich Merz hat allerdings angekündigt, dass die Vertreter der Union daran nur teilnehmen werden, wenn die Ampel-Koalition Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen zusagt.

Scholz verneinte energisch die Frage, ob die Ampel das Thema Migration unterschätzt habe. Es sei falsch, den Eindruck zu erwecken, dass die Regierung jetzt erst handele. „Ich habe die größte Wende im Umgang mit Migration zustande gebracht in der Geschichte der letzten 10, 20 Jahre“, sagte er. „Wir haben dafür gesorgt, dass jahrzehntelang nicht durchsetzbare Entscheidungen durchgesetzt worden sind, was die Frage betrifft des Managements der irregulären Migration.“

„Auf alle Fälle weitere Friedenskonferenz“

Scholz sprach sich außerdem für beschleunigte Friedensbemühungen im russischen Krieg gegen die Ukraine aus. „Ich glaube, das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen“, sagte der Kanzler im Interview.

Eine künftige Friedenskonferenz müsse dabei mit Russland stattfinden. Darüber sei er sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einig. „Es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben“, sagte Scholz, nannte jedoch keinen Zeitpunkt. Mit Selenskyj sei er sich „einig, dass es auch eine sein muss mit Russland dabei“.

Mitte Juni hatte eine erste Friedenskonferenz in der Schweiz mit Vertretern aus 90 Ländern stattgefunden, aber ohne Russland. Scholz sprach sich damals wie andere Teilnehmer dafür aus, bei künftigen Konferenzen möglichst auch Russland einzubeziehen. Der ukrainische Präsident Selenskyj sagte damals, Friedensgespräche könnten schon „morgen“ beginnen, wenn die russischen Truppen aus der Ukraine abzögen.

Rentenpaket soll kommen

Auf mehrere Nachfragen hin zum Thema Rente, erklärte der Kanzler, dass er sich trotz Vorbehalten in der FDP-Bundestagsfraktion sicher sei, dass die Ampel-Koalition das im Kabinett verabredete Rentenpaket II auch verabschieden wird. „Es wird beschlossen werden“, versicherte er. „Es steht im Koalitionsvertrag. Wir haben es auf den Weg gebracht als Regierung“, betonte Scholz.

Der Kanzler hatte am Samstag in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ gesagt, dass die Ampel-Koalition das Rentenpaket II noch vor der Verabschiedung des Bundeshaushalts 2025 im November im Bundestag beschließen müsse. Die Garantie stabiler Renten sei ein zentrales Versprechen der Ampel-Koalition gewesen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hatte am Freitag FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner persönlich dazu aufgefordert, den Weg für das von ihm selbst im Kabinett mit beschlossene Rentenpaket endlich freizumachen. Mit dem in der Regierung bereits verabredeten Rentenpaket II soll zum einen gesetzlich garantiert werden, dass das Rentenniveau in den Jahren bis 2039 nicht unter 48 Prozent eines Durchschnittslohns fällt. Zudem soll mit dem vor allem von der FDP geforderten „Generationenkapital“ eine Aktienrente eingeführt werden.

Quelle: ntv.de, vpe/dpa/rts/AFP

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