Droht EU „heiße Grenz- und Migrationskrise“?

Polen warnt vor Lukaschenko-Plan – und reagiert hart

16.10.2024
Lesedauer: 3 Minuten
Polen sieht die EU-Grenze von Belarus bedroht. © picture alliance/dpa/AP | Czarek Sokolowski

Polen wirft Belarus vor, Migranten an die EU-Außengrenze zu bringen. Das Recht auf soll Asyl ausgesetzt werden. Kritik kommt von Koalitionspartnern und der EU-Kommission.

Warschau – Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk setzt auf eine verschärfte Migrationspolitik. Auf einem Parteitag seiner Bürgerkoalition kündigte er an, das Asylrecht vorübergehend aussetzen zu wollen. Grund sei die Bedrohung durch Russland und Belarus. Die Ankündigung rief Kritik von der EU-Kommission und Menschenrechtsorganisationen hervor.

Polen warnt vor Bedrohung aus Belarus: Tusk-Regierung will Asylrecht ausetzen

Polen plant, das Asylrecht an der Grenze zu Belarus vorübergehend auszusetzen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll in den kommenden Wochen vorgelegt werden, erklärte Jan Grabiec, Kanzleichef von Tusk, im Interview mit dem Sender TVN24. „Das Gesetz sieht vor: Wenn jemand die polnische Grenze illegal überquert und von belarussischen Behörden dorthin gebracht wurde – wenn es also Teil einer hybriden Kriegsführung ist – dann ist der polnische Grenzschutz nicht verpflichtet, Asylanträge dieser Personen zu bearbeiten.“

„Heiße Grenzkrise“: Belarus plant laut Polen einen gewaltsamen Angriff

„Die Informationen, die wir über verschiedene in Belarus und Russland entwickelte Szenarien haben, rechtfertigen ein solches Sicherheitsventil“, sagte Vize-Innenminister Maciej Duszczyk dem Sender. Belarus arbeite an einer „heißen Grenz- und Migrationskrise“ und wolle die EU-Grenze mit mehreren Hundert Menschen gewaltsam angreifen.

Polen und die EU werfen Kremlchef Wladimir Putin und dessen Verbündetem, dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, vor, systematisch Migranten aus Krisenregionen an die EU-Grenze zu schicken. Ziel sei es, im Ukraine-Krieg Druck auf die EU auszuüben. Trotz eines fünf Meter hohen Zauns und elektronischer Überwachung versuchen weiterhin täglich Migranten, die Grenze zu überqueren. Seit Anfang des Jahres hat der polnische Grenzschutz rund 28.000 solcher Versuche registriert. Polen hat etwa 37 Millionen Einwohner.

Das Kabinett in Warschau diskutierte in einer sechsstündigen Sitzung ein Papier zur Migrationspolitik. Darin wird vorgeschlagen, dass bei einer Bedrohung der Stabilität des Landes durch die Zahl der ankommenden Migranten das Recht auf Annahme von Asylanträgen vorübergehend eingeschränkt werden kann.

„Nicht Teil der Strategie“: Tusks Koalitionspartner gegen Aussetzen von Asylrecht

Nach der Sitzung erklärte Tusk auf der Plattform X (ehemals Twitter), dass die Regierung die Entscheidung in einer „schwierigen, aber notwendigen“ Sitzung getroffen habe. Doch offenbar kam es während der Beratungen zu Spannungen innerhalb der Koalition.

Die Minister des Linksbündnisses Lewica äußerten sich kritisch. Digitalisierungsminister Krzysztof Gawkowski erklärte gegenüber dem Portal Onet.pl: „Wir halten schärfere Maßnahmen gegen illegale Migranten für notwendig, aber die Aussetzung des Asylrechts sollte nicht Teil der Strategie sein.“

Aussetzen von Asylrecht: Menschenrechtsorganisationen kritisieren Tusks Pläne

Eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel verwies darauf, dass die EU-Staaten aufgrund gemeinsamer Regeln verpflichtet seien, Schutzsuchenden Zugang zu Asylverfahren zu bieten. Zur konkreten Ankündigung von Tusk sagte die Sprecherin, die Kommission sei in Kontakt mit den polnischen Behörden dazu. Dabei gehe es auch darum, was die Regierung genau vorhabe. 

Kritik äußerte auch die Organisation Pro Asyl. Der flüchtlingspolitische Sprecher Tareq Alaows erklärte, dass Alleingänge wie die von Tusk angekündigten zu Chaos führen und die europäische Einheit gefährden würden. Alaows betonte zudem, dass es ein Schlag ins Gesicht der demokratischen Kräfte in Polen sei, dass ausgerechnet ein Regierungschef, der angetreten sei, um nach acht Jahren PiS-Herrschaft die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, nun den Zugang zu fairen und rechtsstaatlichen Asylverfahren rechtswidrig schließen wolle. (dpa/hk)

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