Dass die Ampel-Koalition jetzt zu Ende geht, finden sechs von zehn Deutschen gut. Die Verantwortung für das Aus sehen sie am ehesten bei der FDP. Und die SPD-Anhänger zweifeln an einer erneuten Kandidatur von Kanzler Olaf Scholz.
Es dauerte nicht lange, da häuften sich nach dem Scheitern der Ampel-Koalition die Forderungen, möglichst schnelle Neuwahlen zu ermöglichen. Schneller jedenfalls, als es der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorsieht. Der hatte am Mittwochabend angekündigt, am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen zu wollen. Damit wäre bei entsprechendem Ausgang eine vorgezogene Bundestagswahl im Laufe des März 2025 realistisch.
Die Opposition hat Scholz indes aufgefordert, sofort die Vertrauensfrage zu stellen, damit es schon zum Jahresanfang Neuwahlen geben kann. Das halten auch zwei Drittel der Deutschen (65 Prozent) für angemessener. 33 Prozent hingegen unterstützen den Zeitplan des Kanzlers, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen. Das hat eine repräsentative Umfrage von infratest dimap unter 1.065 Wahlberechtigten für einen ARD-DeutschlandTrend extra an diesem Donnerstag ergeben.
Zufriedenheit mit der Regierung erreichte im Oktober Tiefpunkt
Scholz hatte seinen Zeitplan damit begründet, bis zum Jahresende noch wichtige Gesetze auf den Weg bringen zu wollen und dafür die Union um Zusammenarbeit gebeten. Friedrich Merz wiederum wies darauf hin, der Bundespräsident habe nach der Vertrauensfrage noch 21 Tage Zeit, um den Bundestag aufzulösen. In dieser Zeit werde die Unions-Fraktion prüfen, welche Gesetzesprojekte sie noch mit verabschieden könne. Vorausgesetzt, der Kanzler mache den Weg zu einer schnellen Neuwahl frei.
Die Verantwortung für das Scheitern der Bundesregierung sehen die Deutschen am ehesten bei der FDP. 40 Prozent halten sie für hauptverantwortlich am Ampel-Aus, jeder Vierte (26 Prozent) sagt das von den Grünen, nur jeder Fünfte (19 Prozent) von der Kanzlerpartei SPD. Dass die Ampel-Koalition jetzt endet, begrüßt eine Mehrheit der Deutschen: 59 Prozent halten das für sehr gut bzw. gut, mehr als jeder Dritte (36 Prozent) indes für weniger gut bzw. schlecht. Zu groß war offenbar die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Regierung. Ende Oktober waren nur noch 14 Prozent zufrieden – ein Wert, der in mehr als 27 Jahren ARD-DeutschlandTrend nur viermal unterboten worden ist. Davon dreimal in der zweiten Amtszeit der rot-grünen Bundesregierung, die im Jahr 2005 – genau – mit Neuwahlen endete.
Union liegt in der Sonntagsfrage weit vorne
Wenn schon am Sonntag wieder Bundestagswahl wäre, dann käme die SPD unverändert zu Ende Oktober auf 16 Prozent. Die Union bleibt bei 34 Prozent und wäre damit klar stärkste Kraft. Die Grünen verbessern sich minimal auf 12 Prozent (+1). Auch die FDP legt in der Sonntagsfrage einen Punkt zu und würde mit 5 Prozent die Mandatsschwelle überspringen. Die AfD verbessert sich leicht auf 18 Prozent (+1) und wäre weiterhin zweitstärkste Kraft. Das Bündnis Sahra Wagenknecht erreicht unverändert 6 Prozent. Alle anderen Parteien kommen zusammen auf 9 Prozent (-3), darunter auch die Linke und die Freien Wähler.
Wann auch immer diese Bundestagswahl, die ursprünglich für den 28. September 2025 angesetzt war, nun wirklich stattfinden wird: Die Führung der nächsten Regierung sieht fast jeder zweite Deutsche bei der Union. 46 Prozent wünschen sich bei offener Abfrage CDU/CSU als führende Regierungspartei. 13 Prozent sind der Meinung, auch die kommende Bundesregierung sollte von der SPD geführt werden. 9 Prozent nennen die AfD, 8 Prozent bevorzugen die Grünen.
Scholz als Kanzlerkandidat bei den SPD-Anhängern umstritten
Kanzler Scholz hatte schon vor einiger Zeit angekündigt, dass er seine Partei auch in die nächste Bundestagswahl führen will. Bei den eigenen Parteianhängern ist das jedoch durchaus umstritten: 45 Prozent der SPD-Anhänger halten Olaf Scholz für einen guten SPD-Kanzlerkandidaten bei der anstehenden Bundestagswahl. 47 Prozent der eigenen Anhänger allerdings sind der Meinung, er sei kein guter Kanzlerkandidat für die SPD.
Auch das Urteil der Wahlberechtigten insgesamt mit der Arbeit des Kanzlers bleibt kritisch: Aktuell sind 21 Prozent mit seiner Arbeit sehr zufrieden bzw. zufrieden (+2 im Vergleich zu Ende Oktober); 76 Prozent sind mit seiner Arbeit weniger bzw. gar nicht zufrieden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verbessert sich auf einen Zufriedenheitswert von 26 Prozent (+6), auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner legt sechs Punkte zu und kommt auf 25 Prozent.
Anders als seine FDP-Ministerkollegen hat Verkehrsminister Volker Wissing am Donnerstagmorgen angekündigt, im Amt bleiben zu wollen, und gleichzeitig seinen Austritt aus der Partei bekannt gegeben. Diese Entscheidung finden 42 Prozent der Deutschen persönlich gut, 43 Prozent finden sie schlecht.
Welche Voraussetzungen gibt es für vorgezogene Neuwahlen?
Eine Neuwahl des Bundestags findet außerhalb des Zeitplans für die Bundestagswahl statt. Sie umfasst die gleichen Abläufe wie eine reguläre Wahl, nur der Zeitpunkt wird vorgezogen.
Einer Neuwahl geht immer die Auflösung des Bundestags voraus, woraufhin die Wahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss. Der Bundestag darf sich nicht selbst auflösen, sondern kann nur durch den Bundespräsidenten in zwei Fällen aufgelöst werden:
1. Vertrauensfrage
Der Bundeskanzler kann durch eine Abstimmung im Parlament überprüfen, ob der Bundestag ihm weiterhin Vertrauen entgegenbringt. Erhält der Bundeskanzler nicht die absolute Mehrheit im Bundestag (das Vertrauen wird nicht ausgesprochen), kann der Bundespräsident auf Antrag des Kanzlers den Bundestag auflösen, sofern dieser keinen neuen Bundeskanzler wählt (konstruktives Misstrauensvotum).
2. ‘Fehlgeschlagene’ Kanzlerwahl
Wird bei der Wahl des Bundeskanzlers nicht die absolute Mehrheit (über die Hälfte aller Stimmen) im Bundestag erreicht, kann nach erfolgloser zweiter Wahlphase in der dritten Wahlphase derjenige Bundeskanzler werden, der die meisten Stimmen auf sich vereint (einfache Mehrheit). In diesem Fall hat der Bundespräsident die Möglichkeit entweder den Bundeskanzler zu ernennen, oder den Bundestag aufzulösen.
Bisher kam es in der Bundesrepublik Deutschland dreimal zu vorgezogenen Neuwahlen: 1972, 1983 und 2005.Quellen