Die wichtigsten Fragen zum Messer-Terror von Solingen

Hatte der Attentäter mehrere Komplizen?

26.08.2024
Lesedauer: 7 Minuten
Solingen-Attentäter Issa al Hasan wurde am Sonntag zum Generalbundesanwalt nach Karlsruhe gebracht Foto: Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttgart

Solingen – Mit einem „Festival der Vielfalt“ wollte die Stadt Solingen ihr 650-jähriges Bestehen feiern. Doch am Freitagabend endete die Feier in einem Blutbad.

Anscheinend wahllos stach der syrische Asylbewerber Issa al Hasan (26) auf die Besucher des Stadtfestes ein. Zwei Männer (67, 56) und eine Frau (56) starben. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer.

In der Nacht zum Sonntag, 26 Stunden nach den Morden, stellte sich der Syrer der Polizei. Doch obwohl der Attentäter gefasst ist, bleiben noch viele Fragen zum Messer-Terror von Solingen (NRW) offen.

Wie konnte der Täter entkommen?

Der schreckliche Angriff ereignete sich gegen 21.37 Uhr auf dem Stadtfest am Fronhof, einem Marktplatz in der Innenstadt von Solingen. Der Täter soll die Besucher unmittelbar vor der Bühne attackiert haben. Der schwarz gekleidete Mann nutzte die Panik zur Flucht, warf nur wenige Hundert Meter entfernt das Messer in eine Mülltonne. Vermutlich in einer Durchfahrt. Dann versteckte er sich offenbar fast 26 Stunden lang in einem Hinterhof, bis er sich stellte.

Vor der Bühne sind großflächige Blutspuren zu sehen
Foto: EPA

Wer ist der Mann, der sich als Täter gestellt hat?

Der Syrer Issa al Hasan (26) stammt aus der Stadt Deir ez-Zor und ist sunnitischer Muslim. Er kam Ende 2022 nach Deutschland, stellte in Bielefeld (NRW) einen Asylantrag und wurde in einem Flüchtlingsheim in Paderborn untergebracht. Im Sommer 2023 sollte er abgeschoben werden. Als ihn die Behörden im Heim nicht antrafen, wurden keine weiteren Versuche unternommen, al Hasan abzuschieben. Auch nicht, als er sich Monate später in Solingen selbst wieder meldete. Als Islamist war er bisher nicht aufgefallen.

Der mutmaßliche Messer-Killer Issa al Hasan
Foto: Privat

Hatte der Täter noch Komplizen?

Unmittelbar nach dem Messer-Angriff wollten Zeugen zwei Täter gesehen haben. Doch davon ging die Polizei nie aus. Dennoch wurde am späten Samstagabend ein Mann (25) im Asylheim festgenommen, den die Polizei als „Tatverdächtigen“ bezeichnete. Wie BILD erfuhr, soll er sich mit dem Attentäter das Drei-Mann-Zimmer im Asylheim geteilt haben. Nach BILD-Informationen wird gegen ihn wegen einer möglichen Mittäterschaft weiter ermittelt. Am Sonntag sollen die Ermittler auch den zweiten Mitbewohner des Syrers zur Vernehmung abgeholt haben.

Am Samstagabend führten Polizisten zunächst diesen Mann (25) aus dem Flüchtlingsheim ab. Es soll sich um einen Mitbewohner von Hasan handeln
Foto: Lars Berg

Wer ist der 15-jährige mutmaßliche Mitwisser?

Bereits Samstagvormittag nahm die Polizei einen 15-jährigen Kirgisen in einem Mehrfamilienhaus fest, in dem Flüchtlinge untergebracht sind. Die Polizei geht aktuell nicht davon aus, dass er an der Tat beteiligt war. Allerdings soll er möglicherweise Kontakt zu dem Verdächtigen gehabt haben. Zwei Zeuginnen meldeten nach dem Angriff, dass sie einen 15-Jährigen mit einem Unbekannten sprechen gehört hätten.

Nach BILD-Informationen tönte der mutmaßliche Terrorist gegenüber dem Jugendlichen: „Heute steche ich alle ab!“ Der 15-Jährige war einer Zeugin nach BILD-Informationen wegen einer früheren Straftat bekannt, deshalb konnte sie ihn identifizieren. Dem Jugendlichen wird das Nichtanzeigen einer geplanten Straftat vorgeworfen.

Welches Motiv hatte der Täter?

Laut der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) beging Hasan die Tat als Rache für „die Muslime in Palästina“. Dass der Mörder wirklich ein „Soldat des IS“ ist, wie sich die Terror-Organisation am Samstagabend rühmte, ist laut dem Terror-Experten Peter Neumann vom Londoner Kings College zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher. Die Vernehmungen des mutmaßlichen Täters könnten nun Klarheit bringen. Laut „Focus“ soll er bereit sein, auszusagen.

Dutzende Menschen versammeln sich, um den Opfern des Messer-Terrors zu gedenken. Musiker spielten auf der Bühne das „Lacrimosa“ aus dem Mozart-Requiem
Foto: Getty Images

Wie geht es den Verletzten?

Bei dem Anschlag tötete der Attentäter zwei Männer (56, 67) und eine Frau (56), die aus Solingen und Düsseldorf stammen. Acht Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwer. Nach BILD-Informationen schweben sie seit Sonntagnachmittag nicht mehr in Lebensgefahr.

Warum ging die Polizei schnell von einem Terroranschlag aus?

Die Ermittler stufen den Mord-Anschlag als Terror-Tat, nicht als Amok-Lauf ein. Ein anderes Motiv sei derzeit nicht ersichtlich, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers. Denn der Mörder suchte seine Opfer wahllos, stand in keinerlei Beziehung mit ihnen. Und: Der Täter wollte töten, stach gezielt auf die Hälse seiner Opfer ein.

Gab es eine Waffenverbotszone und Videoüberwachung?

Nein! Es habe keinen konkreten Anlass gegeben, eine Waffenverbotszone einzurichten, so die Polizei. Im Vorfeld der Veranstaltung gab es keine Hinweise auf einen möglichen Anschlag. Eine polizeiliche Videoüberwachung war bei der Veranstaltung ebenfalls nicht eingerichtet.

Gibt es ein Video vom Messer-Angriff?

Offenbar! Das Video, das den Angriff zeigen soll, kursierte wohl in den sozialen Medien. Polizeidirektor Thorsten Fleiß: „Es liegt auch der Polizei in NRW vor. Dort wird eine solche Tat dargestellt. Allerdings eignet sich das Material nicht zur Veröffentlichung einer konkreten Person.“ Der Täter ist darauf also wohl nicht klar zu erkennen. Ob der Urheber des Videos bekannt ist, sagte Fleiß nicht.

Polizeikräfte am Freitagabend nach dem Anschlag in Solingen
Foto: EPA

Warum blieben bei der Pressekonferenz viele Fragen offen?

Rund 17 Stunden nach der Tat geben die Ermittler Details zum Anschlag bekannt. Doch auch auf mehrfache Nachfragen von Journalisten blieben viele Fragen offen. Zu einer mutmaßlichen zweiten Festnahme wurden keine Angaben gemacht. Auch ob Moscheen durchsucht wurden, kommentierten die Behörden nicht. Eine genauere Täterbeschreibung wollten sie auch nicht abgeben. Im Nachhinein liegt die Vermutung nah: Die Ermittler wussten zu diesem Zeitpunkt offenbar schon genau, wer der Täter ist. Sie wollten vermutlich keine Informationen herausgeben, um den Täter nicht zu warnen.

Mit diesem Messer soll der Täter die Morde begangen haben
Foto: Lars Berg

War die Tat länger im Voraus geplant?

Unklar. Bislang ist nur bekannt, dass zwei Zeuginnen ein mögliches Planungsgespräch zwischen dem festgenommenen 15-Jährigen und einem Unbekannten gehört haben. Ob der Unbekannte auch der Messer-Mörder ist, der sich in der Nacht stellte, ist unklar. Ebenso, ob der Terrorist seine Anweisungen vom IS erhielt oder die Tat selbst plante.

Polizisten bringen die Waffe in einer Tüte zur kriminaltechnischen Untersuchung
Foto: Lars Berg

Stimmt es, dass mehrere Messer gefunden wurden?

Ja, es wurden laut Polizei mehrere Messer im Umfeld des Tatortes sichergestellt. Ein Messer mit einer etwa 20 Zentimeter langen Klinge wurde in einem Mülleimer in einem Durchgang zur Goerdelerstraße entdeckt. Der Fundort liegt nur knapp 200 Meter vom Tatort an der Bühne am Fronhof entfernt. Dieses Messer ist ein Tatmesser, es war noch blutverschmiert. Außerdem fanden die Ermittler im Zimmer des Terroristen im Asylheim einen Messerblock derselben Marke, in dem genau dieses Messer fehlte.

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