In einer Vielzahl diskreter Gespräche informieren der Verfassungsschutz-Präsident und seine Mitarbeiter die Presse. Auch über die AfD-Beobachtung? Hier werden die Auskünfte unscharf.
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) Thomas Haldenwang könnte entgegen früheren Regierungsangaben Informationen zur Erkenntnislage der Behörde bezüglich des Potsdamer „Geheimtreffens“ von Rechtsextremisten und AfD-Politikern an Journalisten weitergegeben haben. Dies geht aus Antworten des Verfassungsschutzes hervor, die das Amt nach einer Klage des Tagesspiegels auf Grundlage des presserechtlichen Auskunftsanspruchs vor dem Kölner Verwaltungsgericht mitgeteilt hat (Az.: 6 L 565/24). Die Angaben machen es zudem wahrscheinlicher, dass der Verfassungsschutz von dem Treffen im Vorfeld gewusst hat.
Anfang des Jahres hatte die Recherche-Plattform „Correctiv“ enthüllt, dass in einem Potsdamer Hotel Pläne zur „Remigration“ von Migranten vorgestellt worden seien. Daraufhin kam es bundesweit zu Demonstrationen, die sich gegen Rechtsextremismus und das Erstarken der rechtspopulistischen AfD richteten.
Die Regierung behauptete zunächst, es habe „keine Informationen“ gegeben
Medienberichten zufolge soll Haldenwang bei vertraulichen Gesprächen mit Journalisten knapp zwei Wochen nach den Enthüllungen geäußert haben, das BfV sei bereits im Vorfeld über die Potsdamer Veranstaltung informiert gewesen. Dies wurde durch die Bundesregierung zunächst bestritten. Auf eine parlamentarische Anfrage aus der AfD erklärte das Bundesinnenministerium im Februar, Haldenwang habe bei dem fraglichen Termin mit Journalisten im Hinblick auf das Treffen „keine Informationen bekannt gegeben“.
Da Hintergrundgespräche vom BfV grundsätzlich nicht protokolliert werden, können zu inhaltlichen Details keine Angaben gemacht werden. Antwort des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV)
Mittlerweile hält es das BfV aber offenbar für möglich, dass damals zumindest allgemeine Informationen über den Kenntnisstand der Behörde zum „Geheimtreffen“ weitergegeben wurden. So könne das Treffen „Gegenstand von abstrakt formulierten Fragen“ der anwesenden Journalisten gewesen sein. „Derartige Fragen wären, soweit sie überhaupt gestellt wurden, allenfalls möglichst abstrakt gehalten beantwortet worden“, heißt es in der Auskunft der Behörde an den Tagesspiegel. Ausgeschlossen werde, dass Haldenwang in diesem Zusammenhang „Details“ zu operativen Tätigkeiten oder Erkenntnissen des BfV genannt habe.
Für die erteilte Auskunft wurden auch die damals anwesenden BfV-Mitarbeiter befragt, einschließlich Haldenwang selbst. Da die Journalisten-Gespräche nicht protokolliert würden, könnten deren Inhalte „nicht vollständig rekonstruiert werden“, heißt es. Mit anderen Worten: Haldenwang kann sich nicht mehr genau erinnern, was er damals zum Potsdamer Treffen erzählt hat. Möglich ist aber, dass er „abstrakt“ über Kenntnisse berichtete, die das BfV im Vorfeld des Treffens hatte.
Hinweis auf Vertraulichkeit
Das BfV hatte die verlangten Angaben zunächst mit dem Hinweis auf die verabredete Vertraulichkeit als „Existenzgrundlage“ der Journalisten-Runde verweigert. Nach mehreren Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts sind Behörden allerdings verpflichtet, Transparenz über diese Form ihrer amtlichen Medienarbeit herzustellen. Im Laufe des Prozesses änderte das BfV seine Position, gab die Auskünfte frei und muss nun die Kosten des Verfahrens tragen.
Die AfD mutmaßt, Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern könnten Medien in vertraulichen Hintergrundrunden mit Informationen beliefern, um die Partei in ein schlechtes Licht zu rücken. Sowohl im Bundestag wie in verschiedenen Landtagen stellen AfD-Vertreter daher parlamentarische Anfragen nach solchen Treffen, insbesondere mit Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Tatsächlich war das Verfassungsschutz-Bundesamt für vertraulichen Informationsaustausch bisher gut ansprechbar, während man sich öffentlich mit Medien-Statements zurückhält. Allein im Januar 2024, dem Monat der „Correctiv“-Enthüllung, hat Haldenwang nach Tagesspiegel-Recherchen an drei Presse-Hintergrundrunden in Berlin teilgenommen, stets auf Einladung von Medienvertretern. Das BfV selbst hatte im vergangenen Jahr ebenfalls drei Gesprächsrunden organisiert.
Haldenwang steht für Hintergrundgespräche zur Verfügung
Haldenwang stehe persönlich, „grundsätzlich allen Medien für Hintergrundgespräche zur Verfügung, deren Interesse an der Behandlung von Themen mit Bezug zur Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz von diesem als belegt erachtet wird und die nach seiner Einschätzung eine genügende Reichweite haben“, heißt es aus der Behörde. Zum Zuge kamen seit Beginn 2023 unter anderem ARD, Deutschlandradio, rbb, „Spiegel“, „Bild“ und „Zeit“. Gelegentlich habe es auch Absagen gegeben. Warum, bleibt unklar.
Insgesamt war die Behörde im selben Zeitraum mit weiteren Vertretern an den Standorten Berlin und Köln sowie bei der Münchner Sicherheitskonferenz in mehr als 90 vertraulichen Einzelgesprächen aktiv. An der Spitze steht der „Spiegel“ mit zuletzt 13 Treffen, gefolgt von „Süddeutscher Zeitung“ (8) und „Welt“ (7).