Experte geht von „Sprengungen“ aus

CIA warnte Bundesregierung im Sommer vor Anschlag auf Ostsee-Pipelines

27.09.2022
Lesedauer: 5 Minuten
Ostsee brodelt nach Leck in Nord-Stream-Pipeline Foto: FOCUS online/Wochit

Das Wichtigste

  • In den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 hat es einen Druckabfall gegeben.
  • Die Bundesregierung geht einem Bericht zufolge von Anschlägen auf die Pipelines aus.
  • Messstationen registrierten am Montag mächtige Unterwasser-Explosionen.

Erst fiel in der Gaspipeline Nord Stream 2 der Druck. Einen Tag später dann auch in der deutsch-russischen Energietrasse Nord Stream 1. Die Kapazität der Pipeline sank ungeplant auf null. Mittlerweile glaubt kaum jemand mehr, dass es sich um einen Zufall handelt. So geht die Bundesregierung von einem gezielten Angriff aus.

Ein weiteres Indiz für einen Angriff: mächtige Unterwasser-Explosionen, die von Messstationen auf schwedischem und dänischem Hoheitsgebiet am Montag registriert wurden. Das berichtet der schwedische Sender SVT unter Berufung auf das Nationale Zentrum für Seismologie am Dienstag.

CIA warnte die Bundesregierung vor Monaten vor Anschlag auf Ostsee-Pipelines

Es habe demnach zwei Explosionen gegeben, eine davon sei an 30 Messstationen registriert worden und hätte eine Magnitude, also Quellstärke, von 2,3 gehabt. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass es sich um Sprengungen handelt“, sagte Björn Lund, Professor für Seismologie beim schwedischen nationalen seismischen Netzwerk. „Man kann sehr deutlich sehen, wie die Wellen vom Meeresgrund an die Oberfläche springen.“

Nun berichtet der „Spiegel“, dass der amerikanische Geheimdienst CIA die Bundesregierung bereits im Sommer vor möglichen Anschlägen auf die Gaspipelines gewarnt hatte. Ein Regierungssprecher wollte sich dem Bericht zufolge nicht dazu äußern, der „Spiegel“ beruft sich jedoch auf mit dem Fall vertraute Personen.

Bundesregierung geht von Anschlägen auf Nord Stream Pipelines aus

Die Bundesregierung begründet die Annahme gezielter Angriffe einem Bericht des „Tagesspiegel“ zufolge so: „Unsere Fantasie gibt kein Szenario mehr her, in dem das kein gezielter Anschlag ist“, sagte eine in die Bewertung durch die Bundesregierung und die Bundesbehörden eingeweihte Person. Weiter zitiert der „Tagesspiegel“: „Alles spricht gegen einen Zufall.“ Übereinstimmend sagten Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und Bundesnetzagentur noch am Montagabend, dass man die Ursache nicht kenne und mit den betroffenen Behörden im Austausch stehe.

Die Nord Stream AG hat nach eigenen Angaben mehrere Schäden an den Leitungen entdeckt. Insgesamt handele es sich um beispiellose Fälle an einem Tag an drei von vier Leitungen, teilte der Betreiber mit. Es sei unklar, wann das System wieder funktionieren werde. Auch andere Pipelines und Gasversorgungsanlagen würden nun auf Hochdruck überprüft werden, so der „Spiegel“.

Um einen solchen mutmaßlichen Anschlag zu ermitteln, müsse der Meeresboden untersucht werden. Dafür benötige man U-Boote und Marinetaucher, heißt es aus informierten Kreisen. Der Bericht spricht von zweierlei möglichen Spekulationen:

  • Erstes Szenario: Ukrainische oder mit der Ukraine verbundene Kräfte könnten mit Anschlägen darauf gezielt haben, dass Gas aus Russland nur noch über die ukrainischen Pipelines oder die durch Polen verlaufende Jamal Pipeline nach Zentraleuropa fließt.
  • Zweites Szenario: Eine „False Flag“-Operation Russlands, die die Ukraine beschuldigt. Damit könne das Land bezwecken, die Energiekrise zu verschärfen und den Gaspreis möglicherweise noch höher zu treiben, mutmaßt der „Tagesspiegel“-Bericht. Ein solcher Anschlag könne bereits vor dem Gas-Lieferstopp geplant gewesen sein, heißt es aus Berliner Sicherheitskreisen.

Kreml zu möglicher Sabotage an Gasleitung: „äußerst beunruhigt“

Russland schließt angesichts der Lecks an den Nord-Stream-Gaspipelines Sabotage oder andere Gründe nicht aus. „Jetzt kann keine Variante ausgeschlossen werden“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag auf die Frage, ob Sabotage der Grund sein könne für den Druckabfall. „Offensichtlich gibt es eine Zerstörung der Leitung. Und was der Grund dafür ist – da kann man bis zu dem Zeitpunkt, bis die Ergebnisse der Untersuchungen auftauchen, keine Variante ausschließen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Der Kreml sei „äußerst beunruhigt“ über den Druckabfall in den Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2. Die Nachrichten seien alarmierend. Die Schäden an den Leitungen müssten untersucht werden. „Das ist eine absolut nie dagewesene Situation, die einer schnellen Aufklärung bedarf“, sagte Peskow.

Ursache könnte ein Leck nahe der Insel Bornholm sein

In der Nacht auf Montag war zuvor bereits in der Schwesterpipeline Nord Stream 2 ein solcher Druckabfall festgestellt worden, jedoch nur in einer der beiden Röhren. Im Laufe des Montags wurde hierfür von den zuständigen Marinebehörden ein Leck südöstlich der dänischen Insel Bornholm als wahrscheinliche Ursache identifiziert. Die zuständigen Behörden haben als Vorsichtsmaßnahme eine Sicherheitszone von fünf Meilen eingerichtet. Der Flugverkehr unter 1000 Metern wurde gestoppt. Die Untersuchungen dauern an.

Die zuständige dänische Behörde gab am Montagnachmittag einen Hinweis bezüglich eines Lecks heraus. Es sei ein Gasleck beobachtet worden. Das Leck sei gefährlich für die Schifffahrt und das Fahren innerhalb eines Bereichs von fünf Seemeilen von der besagten Position verboten. Eine große Gefahr für die Umwelt besteht aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zumindest kurzfristig nicht.

Keine Auswirkungen auf Versorgungssicherheit

Trotz des zweiten Vorfalls innerhalb von 24 Stunden sehen BMWK und Netzagentur keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland; „Es fließt seit dem russischen Stopp der Lieferungen Anfang September kein Gas mehr durch Nord Stream 1. Die Speicherstände steigen dennoch weiter kontinuierlich an. Sie liegen aktuell bei rund 91 Prozent.“

Während die Nord Stream 2-Pipeline nach ihrer Fertigstellung nie in Betrieb genommen wurde, sondern nur einmalig mit Gas befüllt, floss durch die Nord Stream 1-Pipeline bis Anfang September Gas nach Deutschland. Nachdem der russische Staatskonzern Gazprom seine Lieferungen durch die Röhre bereits zuvor reduziert hatte, stoppte er diese mit dem Verweis auf einen Ölaustritt in der Kompressorstation Portowaja komplett.

Der Doppelstrang der Pipeline Nord Stream 2 verläuft 1230 Kilometer von Russland durch die Ostsee bis nach Deutschland. Sie ist fertiggestellt und mit Gas gefüllt, allerdings wurde durch sie nie Gas importiert. Die Bundesregierung hatte das Genehmigungsverfahren für die fertiggestellte Leitung im Februar kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine auf Eis gelegt und auch danach betont, dass eine Inbetriebnahme nicht in Frage komme.

Das könnte Sie auch interessieren

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024
ARD-Show "Die 100"
26.11.2024
Abstimmung über neue EU-Kommission
27.11.2024

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

14 + acht =

Weitere Artikel aus der gleichen Rubrik

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024

Neueste Kommentare

Trends

Alle Kategorien

Kategorien