Keine Hängepartie, schon die Wahlnacht bringt die Entscheidung. Donald Trump kehrt ins Weiße Haus zurück. Kamala Harris scheitert in den entscheidenden Bundesstaaten. Nun heißt es: Bereit machen für eine wilde US-Präsidentschaft voller Unwägbarkeiten.
Bereits um Punkt 20 Uhr, die Wahlnacht hat noch gar nicht richtig begonnen, bricht Jubel aus bei den Young Republicans. Die Besucher des Clubs im Süden Manhattans sehen auf der Wand voller Fernseher, wie sich Florida republikanisch rot färbt. Keine Überraschung, aber ein dicker Batzen Wahlleute-Stimmen in Richtung Weißes Haus. Es wird nicht der einzige bleiben. „U-S-A“ klingt es das erste Mal durch das Lokal an der 2nd Avenue.
Zunächst meldet Fox News kurz vor 2 Uhr: Der Republikaner habe die nötigen 270 Wahlleute zusammen und damit die US-Präsidentschaftswahl gegen die Demokratin Kamala Harris und ihren Vizekandidaten Tim Walz gewonnen. Trump tritt eine halbe Stunde später vor seine Anhänger in West Palm Beach und erklärt sich zum Wahlsieger. Anders als 2020 liegt er damit richtig.Auch andere Sender bestätigen den Wahlerfolg. Trump verspricht ein „neues goldenes Zeitalter“ für die USA.
Trump ist erst der zweite Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten, der nach Unterbrechung für eine zweite Amtszeit gewählt worden ist. Auf die USA und die ganze Welt kommen nun vier Jahre Trump zu. Die Republikaner haben auch den Senat zurückerobert. All das hat möglicherweise enorme Auswirkungen auf Verbraucherpreise, Handelsbeziehungen und Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine.
Sieben battleground states würden die Wahl entscheiden, hieß es über Monate. Schnell ist in der Wahlnacht klar: Georgia und North Carolina färben sich rot. Auch die drei Bundesstaaten der sogenannten blue wall, die Harris nicht verlieren darf, kippen immer weiter in Richtung des Republikaners: Wisconsin, Michigan und Pennsylvania. Arizona und Nevada sind damit unwichtig geworden. Trump, der nach dem Aufstand seiner Anhänger und dem Sturm aufs Kapitol im Januar 2021 schon für politisch nahezu tot erklärt worden war, ist zurück.
Wirtschaft viel wichtiger als Abtreibungen
Die Hoffnungen der Demokraten, dass in den Metropolen dieser battleground states genügend Menschen für sie stimmen würden, um die überwiegend ländlichen republikanischen Wähler zu übertrumpfen, hat sich nicht erfüllt. Das Abtreibungsrecht, das den Demokraten vor zwei Jahren einen überraschenden Erfolg bei den Kongresswahlen verschaffte, war für die Wählerschaft insgesamt nicht so wichtig; die demokratische Mehrheit unter Frauen reichte nicht aus. Die Inflation hingegen, die viele Haushalte in den USA unter Präsident Joe Biden belastete – und wegen angehäufter Schulden weiterhin belastet -, hatte großen Einfluss.
In Nachwahlbefragungen gaben 35 Prozent an, sie hätten ihre Wahlentscheidung vom „Zustand der Demokratie“ abhängig gemacht, 31 Prozent vom Zustand der Wirtschaft. In nur einer Handvoll von 3244 Landkreisen übertreffen die Lohnsteigerungen die Kaufkraftverluste der Inflation während der Präsidentschaft der Demokraten. Abtreibungen waren für 14 Prozent das Schlüsselthema, Einwanderung für 11 Prozent. Nur für 4 Prozent war die Außenpolitik wichtig, also auch der Ukraine-Krieg.
Nachdem sie die Kandidatur der Demokraten übernommen hatte, war Kamala Harris in den Umfragen an Donald Trump vorbeigerauscht. Sie konterte dessen negative Sicht mit Optimismus über die Zukunft, gewann die Fernsehdebatte, der Republikaner drückte sich vor einer zweiten. Trump und sein Vize J.D. Vance kratzten und bissen verbal, eine rhetorische Entgleisung folgte auf die andere. Doch das schreckte seine Wähler nicht. Harris‘ permanente Warnungen vor Trumps autoritären Tendenzen verfingen ebenso wenig. Die Umfragen kippten wieder zugunsten des Republikaners.
Alles keine Dealbreaker
Außenpolitisch hat der Republikaner angekündigt, er werde den Ukraine-Krieg am ersten Tag beenden. Es ist nicht klar, wie er das erreichen möchte. Russische Desinformationskampagnen gegen Harris und Walz fluteten während des Wahlkampfs die sozialen Medien; Experten sagen, Moskau ziehe Trump als US-Präsident vor. Immer wieder hat sich der Republikaner skeptisch über weitere Militärhilfen für die Ukraine geäußert.
Trumps innenpolitische Pläne waren keine Dealbreaker: „Die größte Abschiebung in der Geschichte der USA“ etwa ist nicht sonderlich beliebt, fast 60 Prozent ziehen eine Legalisierung von Einwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung vor. Doch laut Nachwahlbefragungen wählten 45 Prozent der Latinos trotzdem Trump, obwohl viele von ihnen jemanden kennen dürften, der betroffen wäre. Auch seine Ankündigungen, Importzölle auf breiter Front einzuführen, waren kein Hindernis. Obwohl die Verbraucher dafür wahrscheinlich mit höheren Preisen bezahlen würden.
Viele hatten sich auf einen Auszählungsmarathon wie vor vier Jahren vorbereitet. Oder eine Hängepartie, weil Trump seine Niederlage nicht akzeptieren würde. 2020 hatten genügend Wähler Trump abgelehnt, um Biden ins Weiße Haus zu hieven. Seiner Vize Harris gelang das nicht. In fast allen Landkreisen schnitt sie schlechter als Biden ab.
Nicht wenige Demokraten hatten in den vergangenen Tagen von einem Sieg, sogar deutlichen Sieg fantasiert, da ja Wähler, die sich in den letzten Tagen entschieden, nicht mehr in Umfragen auftauchten. Mehr Frauen, mehr Latinos, mehr Schwarze, alle würden sich im letzten Moment gegen Trump entscheiden, so die These. Es ist anders gekommen. Wenn nun alles abläuft wie geplant, wird Trump am 20. Januar in Washington vereidigt. Spätestens dann heißt es: bitte anschnallen.
Quelle: ntv.de