Ex-Bundespräsident Gauck spricht sich indirekt für härtere Sanktionen gegen Russland aus. Dazu könnte auch ein Einfuhrstopp von russischem Gas und Öl gehören. In der Sendung „Maischberger. Die Woche“ widersprach er damit Bundeskanzler Scholz.
Bundeskanzler Olaf Scholz trifft sich am heutigen Donnerstag mit den Staats- und Regierungschefs der EU in Versailles bei Paris. Dabei soll es unter anderem darum gehen, wie die EU-Staaten unabhängiger von russischen Rohstofflieferungen werden können. Deutschland hat sich gegen weitergehende Sanktionen ausgesprochen, die den russischen Energiesektor betreffen.
In der ARD-Sendung „Maischberger. Die Woche“ am Mittwochabend hat der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck diese Entscheidung indirekt kritisiert. Er appellierte vor allem an die jungen Menschen in Deutschland. „Ihr könnt nicht wissen, was ihr später einmal ertragen werdet. Wir sind stärker als es uns unsere Angst einredet“, sagte er mit Blick auf einen möglichen Einfuhrstopp von Rohstoffen wie Gas, Öl und Kohle aus Russland. Die Lebenssituationen, in die Menschen geführt werden, könnten sie mit bisher unbekannten Widerstandskräften ausstatten. „Wir haben eine Menge von Möglichkeiten, Flagge zu zeigen. Wir können auch einmal ein paar Jahre lang ertragen, dass wir weniger Lebensglück und Lebensfreude haben. Wir können auch einmal frieren für die Freiheit.“
Er könne sich eine Erweiterung der durch den Krieg in der Ukraine bereits getroffenen Sanktionen gegen Russland vorstellen, so Gauck. „Man muss diese Variante ernsthaft überlegen“, so der Altbundespräsident. Das sei eine andere Entscheidung als die, Flugzeuge in die Ukraine zu schicken oder gar aktiv in ein Kampfgeschehen einzugreifen, das die Neigung habe, sich zum Weltkrieg zu entwickeln.
Gauck gegen Flugverbotszone
Eine Flugverbotszone über der Ukraine solle es jedoch nicht geben, so Gauck. „Das sage ich mit Schmerzen.“ Waffenlieferungen seien dagegen nicht so problematisch. „Einem Überfallenen mit Waffen beizustehen ist etwas anderes, als Flugzeuge abzuschießen und Militärbasen zu zerstören“, sagte Gauck, der eine Krawatte in den Farben der Ukraine trug.
Dass der russische Präsident einen Krieg mit Nuklearwaffen führen werde, glaubt der ehemalige Bundespräsident nicht. Zwar könne man die Entscheidungen des „wirrköpfigen Mannes in Moskau“ nicht bis zuletzt berechnen, aber er habe noch Varianten, die ihm Entscheidungsmöglichkeiten offenhielten. „Und er will ja auch als ruhmreiche Person in die russische Geschichte eingehen.“
Putin, dessen Namen Gauck wann immer es geht nicht ausspricht, habe despotische Züge, die er „als junger Bengel“ im sowjetischen Geheimdienst KGB gelernt habe. Diese Prägungen aus der kommunistischen Zeit der Sowjetunion würden sich nun mit einem neoimperalen Gestus verbinden. Putin habe darum den Irrweg einer Autokratie gewählt.
Putins „brachiale diktatorische Absichten“
Gauck sieht eine besondere Gefahr für die Nachbarländer Russlands. Putin setze auf eine neue, imperial geprägte Größe seines Landes. „Wenn man die Ausschaltung der Öffentlichkeit oder des Elements Recht sieht, dann sieht man seine (Putins) brachialen, diktatorischen Absichten. Darum will er auch die Länder in seiner Nachbarschaft tributpflichtig machen.“
Deswegen sei es richtig, dass wir dem Aggressor durch die Wirtschaftssanktionen seine Grenzen aufzeigten, sagte Gauck. Jedoch könne er auch Bundeskanzler Scholz verstehen und dessen Angst, dass es bei noch Härteren Sanktionen gegen Russland zu sozialen Verwerfungen in Deutschland kommen könne. „Aber dieses Land ist auch ein sozialer Rechtsstaat. Und es wird nicht so sein, dass diejenigen, die dann unten sind, von den anderen vergessen werden“, ist sich Gauck sicher.
Quelle: ntv.de