Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des rechtsextremen Magazins vorerst gestoppt. Die Begründung zeigt: Das Blatt ist den Richtern zu harmlos.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ihre Maßnahme als „harten Schlag gegen die rechtsextremistische Szene“ gepriesen, doch der ging vorläufig ins Leere.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das von Faeser auf Grundlage des Vereinsrechts verfügte Verbot des „Compact“-Magazins nach einer Klage unter anderem des Chefredakteurs Jürgen Elsässer vergangene Woche vorerst gestoppt.
„Hierin – wie die Verbotsverfügung – bereits eine Delegitimierung des demokratischen Systems zu sehen, geht aber im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Pressefreiheit deutlich zu weit.“
Aus der schriftlichen Begründung des Bundesverwaltungsgerichts
Am Dienstag nun hat das Leipziger Gericht die schriftlichen Gründe für seinen Beschluss nachgeschoben. Im Ergebnis ist danach klar: So schlimm, wie Faesers Ministerium das Blatt in der Verbotsverfügung dargestellt hat, ist es nach Ansicht der Richter nicht.
Filmkritiken und Buchbesprechungen
Zwar ließen sich in zahlreiche Beiträgen und festen Kolumnen wie „Hartlages BRD-Sprech“ oder „Sellners Revolution“ des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner wegen ihrer migrantenfeindlichen Aussagen „Anhaltspunkte für eine gegen die Menschenwürde verstoßende aggressiv-kämpferische Haltung finden“.
Daneben würden im Magazin aber auch „eigenständig andere Schwerpunkte gesetzt“.
So würden in Heftteilen unter der Bezeichnung „Dossier“ und „Leben“ oftmals feuilletonartig „allgemeingesellschaftliche Themen erörtert“.
In den Rubriken fänden sich Filmkritiken oder Buchbesprechungen, es würden Personen der Zeitgeschichte porträtiert, sportliche Ereignisse und sogar archäologische Funde vorgestellt.
„Selbst wenn in solchen Beiträgen gelegentlich ebenfalls rhetorische Formulierungen Eingang finden, die auf den ethnischen Volksbegriff der Vereinigung hindeuten, dürften sie in weiten Teilen nicht zu beanstanden sein.“
Die Cover sind reißerisch – aber keine Delegitimierung des Systems
Deutlich anders als Faeser und ihr Ministerium bewertet der für Klagen gegen Vereinsverbote zuständige 6. Senat auch die Covergestaltung des Magazins.
Es ähnele in seiner Aufmachung anderen den Printmarkt dominierenden und hinsichtlich ihrer Verfassungsfeindlichkeit unverdächtigen Magazinen, heißt es im Beschluss.
Neben einem zentralen Titelthema würden auch weitere aktuell-politische Themen abgehandelt. Die auf dem Cover verwendeten Bilder seien zwar reißerisch gewählt.
Polemische Überschriften sind erlaubt
„Hierin – wie die Verbotsverfügung – bereits eine Delegitimierung des demokratischen Systems zu sehen, geht aber im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Pressefreiheit deutlich zu weit.“
Diese erlaube insbesondere auf einem zum Kauf animierenden Cover auch zugespitzte, plakative und polemische Überschriften und Bilder.
Für das Gericht ergeben sich daraus Zweifel, ob die einzelnen Angriffe auf die Menschenwürde in bestimmten Beiträgen „insgesamt derart prägend sind, dass das Vereinsverbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist“.
Hier betonen die Richter die im Grundgesetzartikel fünf geschützte Meinungs- und Pressfreiheit, die in Faesers Verbotsverfügung nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Zudem machen sie deutlich, dass die erforderliche „Prägung“ nichts ist, was sich mathematisch berechnen ließe: Entscheidend sei weder das Verhältnis zum Gesamtinhalt einer Ausgabe noch der Vergleich zur Gesamtzahl der der Vereinigung zuzurechnenden Äußerungen. „Vielmehr kommt es auf eine Bewertung der gesamten Aktivitäten der Vereinigung an“.
Ob das „Compact“-Verbot noch greift, kann nun erst in einem Hauptsachverfahren geklärt werden. Dem Innenministerium war zugestanden worden, beschlagnahmte Akten und Datenträger noch auswerten zu dürfen.
Entgegen der Ansicht der Kläger darf zudem weiter über „Compact“ Material gesammelt werden, auch während das Verfahren läuft.
Die über das Magazin hinausgehenden Print- und Online-Publikationen lägen dem Senat bisher nur vereinzelt oder in Auszügen vor, heißt es.
Zu sonstigen Aktivitäten der Vereinigung wie Konferenzen oder Sommerfesten gebe es erst mit Sichtung der Asservate neue Erkenntnisse.
Wie das Gericht am Ende urteilt, ist offen. In weiten Passagen stellt der Beschluss klar, dass Propaganda für radikale und menschenfeindliche Konzepte wie etwa Sellners Forderungen nach einer „Remigration“ von Migranten ein Vereinsverbot gegen ein Medium begründen können.
Damit gibt es dem Ministerium in einem zentralen Punkt recht. Kritiker hatten Faeser vorgeworfen, Vereinsverbote dürften auf Medienunternehmen von vornherein nicht oder nur eingeschränkt angewendet werden.
Der für seine liberale Rechtsprechung bekannte 6. Senat blickt aber mit eindeutig mehr Milde auf die umstrittene Publikation. Er teilt nicht den Wortgebrauch des Verfassungsschutzes, der das Blatt als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft hat.
Vielmehr sei es ein Forum für ein „rechtskonservatives“ Spektrum, heißt es im Beschluss.