"Geheimtreffen" in Potsdam

Übermedien über Correctiv-Bericht zu Sellner und AfD: „Der Text ist misslungen“

31.07.2024
Lesedauer: 3 Minuten
Martin Sellner, rechter Aktivist aus Österreich, spricht bei einer Kundgebung der Identitären Bewegung. Seine Remigrationspläne standen im Zentrum eines Correctiv-Berichts, der landesweit für Aufsehen gesorgt hat. Bildquelle: Sebastian Willnow/dpa

Das Portal Übermedien fordert eine kritische Auseinandersetzung mit dem Correctiv-Bericht, der der AfD unterstellt, Menschen aus Deutschland illegal ausweisen zu wollen. 

Das Medienportal Übermedien, gegründet von dem Journalisten Stefan Niggemeier, hat einen Bericht publiziert, der die Recherchen des Journalistenkollektivs Correctiv kritisch beleuchtet, das über die Pläne der AfD und des Rechtsidentitären Martin Sellner in dem Text „Geheimplan gegen Deutschland“ berichtet hatte. Mitglieder von AfD und CDU, Rechtsidentitäre und Unternehmer hatten sich im Winter 2023 in einer Villa in Potsdam getroffen. Dabei soll es unter anderem um Remigrationspläne gegangen sein. Die Tagesschau und andere Medien deuteten den Bericht so, dass auch über die Ausbürgerung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund diskutiert wurde. Der Correctiv-Bericht löste Empörung und massenhafte Proteste aus. Der Bericht hat den „Leuchtturm“-Preis erhalten.

Nun plädiert Stefan Niggemeier gemeinsam mit den Autoren Christoph Kucklick und Felix W. Zimmermann in dem Text „Der Correctiv-Bericht verdient nicht Preise, sondern Kritik – und endlich eine echte Debatte“ für eine kritische Rezeption des Correctiv-Berichts. Die Autoren schreiben: „Längst ist offenkundig, wie problematisch die Correctiv-Berichterstattung und ihre Rezeption sind. Und wie sehr gleichzeitig in weiten Teilen der seriösen Presse eine kritische Auseinandersetzung damit fehlt. Stattdessen findet die Debatte um den ‚Geheimplan gegen Deutschland‘-Bericht vor allem in zwei Extremen statt. Die einen vermeiden es, den Text zu durchleuchten, weil sie seine Wirkung feiern. Die anderen zerlegen den Text vor allem, um seine Wirkung zu diskreditieren.“

Auch wenn die Autoren bei Übermedien es positiv sehen, dass in der Folge über die Gefahr von rechtem Gedankengut diskutiert wird, kritisieren sie die Machart des Correctiv-Berichts und die unkritische Rezeption. Sie schreiben: „Die kritische Auseinandersetzung mit dem Bericht darf daher nicht länger konservativen und vor allem rechten Medien überlassen werden. Und das beginnt angesichts des ‚Leuchtturm‘-Preises und weiterer zu erwartender Auszeichnungen mit der Feststellung, wie schwach er journalistisch ist. Er unterstellt, statt zu belegen, er raunt, statt zu erklären, er interpretiert, statt zu dokumentieren.“

Die Prinzipien guter Recherche

Im Kern kritisieren die Autoren die journalistische Aufmachung des Berichts. Anstatt nüchtern die Wahrheit zu schreiben über das tatsächlich stattgefundene Treffen und über die Pläne, die dort diskutiert wurden – etwa durch „Anpassungsdruck“ Ausländer oder Migranten zum Ausreisen aus Deutschland zu motivieren –, insinuiert der Text, es würde handfeste und verfassungsfeindliche Deportationspläne geben.

Es werde angedeutet, dass die AfD gemeinsam mit Rechtsnationalen wie Martin Sellner eine Art Massendeportation von Migranten und Deutschen mit Migrationshintergrund plane, indem der Text Parallelen zu Praktiken der Nazis ziehe. Diese weitreichende Anschuldigung werde im Text aber nicht ordentlich belegt. Sätze, die beim Treffen gefallen sein sollen, seien unvollständig. In einem späteren Rechtsverfahren gibt Correctiv sogar zu Protokoll, dass der Bericht Deportationspläne nie behauptet habe. Die eigentlichen Gesprächsinhalte werden von Correctiv unpräzise wiedergegeben und unvollständig, so die Kritik von Übermedien. „Das Stück erzeugt, was ein guter journalistischer Text unbedingt vermeiden sollte: Es sät beständig Zweifel an sich selbst. Bei jeder erneuten Lektüre möchte man wieder bei Correctiv anrufen und nachfragen, was denn tatsächlich gesagt wurde, was denn wirklich los war.“

Die Autoren von Übermedien fordern daher linksliberale Medien wie die Tagesschau und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung auf, nuanciert und kritisch mit dem Bericht umzugehen und dessen Inhalte nüchtern aufzuarbeiten. Man dürfe die Kritik an dem Bericht nicht rechtslastigen Medien überlassen. Auch dürfe nicht das Prinzip gelten, dass Journalismus, wenn er gegen Verfassungsgegner vorgehe, auch unlautere Mittel einsetzen dürfe. Guter Journalismus müsse immer den Prinzipien sauberer Recherche folgen, egal gegen wen die Recherche sich richtet.

Lesen Sie den Bericht „Der Correctiv-Bericht verdient nicht Preise, sondern Kritik – und endlich eine echte Debatte hier.

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