Nach Compact-Verbot und Bademantel-Fotos:

Jürgen Elsässer erstattet Strafanzeige

21.07.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Nancy Faeser hat das Compact-Magazin verboten. Christian Schroedter/Imago

Der Streit um das Verbot des Compact-Magazins geht in die nächste Runde: Gab Nancy Faeser Vorabinformationen an die Presse? Und ist das Verbot überhaupt haltbar?

Der Streit um das Verbot des Monatsmagazins „Compact“ geht in die nächste Runde. Wie das Nachrichtenportal Apollo News berichtet, hat Compact-Herausgeber, Jürgen Elsässer, am Freitag Strafanzeige gegen „unbekannt“ wegen „Verletzung des Dienstgeheimnisses“ gestellt. „Tatverdächtig“ seien, so heiße es in der Anzeige, „konkret Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Haldenwang und dessen nähere Umgebung“.

Anlass ist die Annahme, dass mehrere Medien schon vorab informiert worden seien, als die Polizei am Dienstagmorgen bei Elsässer klingelte, um eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Schon kurz nach Beginn der Durchsuchung seien lange Berichte in überregionalen Medien erschienen. Das Bild von Elsässer im Bademantel umringt von Polizisten in Sturmhauben wurde vielfach weiterverbreitet.

Elsässer und seine Frau sehen darin einen Eingriff in ihre Privatsphäre. In einem Interview mit dem Deutschland-Kurier sagt Stefanie Elsässer: „Morgens um 6.30 Uhr war mein Schlafzimmer hell erleuchtet, bewaffnete Polizisten standen um mich herum, ich konnte nicht aufstehen, ich war nackt.“

Das Verbot des Compact-Magazins sorgt derweil weiterhin für Kritik. „Mit dem Verbot hat die Bundesregierung die Meinungs- und Pressefreiheit willkürlich mit Füßen getreten“, sagte der Landesvorsitzende der AfD, der Bundestagsabgeordnete René Springer, beim Wahlkampfauftakt der Partei für die Landtagswahlen am 22. September. Die Bundesregierung habe Angst vor berechtigter Kritik und Machtverlust, sagte Springer. „Diese Regierung hasst die Meinungsfreiheit, sie hasst die Demokratie.“

Juristen haben Zweifel an Rechtmäßigkeit des Compact-Verbots

Auch der Spitzenkandidat der Brandenburger AfD, Hans-Christoph Berndt, kritisierte das Verbot: „Dass sich der Brandenburger Verfassungsschutz und damit auch Innenminister Michael Stübgen und Ministerpräsident Dietmar Woidke daran beteiligt haben, ist eine Schande für Brandenburg“, sagte er. „Wir stehen zu Compact, wir stehen zu Jürgen Elsässer, und wir sagen ihm: Wenn es eine Gerechtigkeit in diesem Land gibt, dann werden Faeser, Woidke und Stübgen verschwinden, aber Compact wird zurückkehren.“

Die Kritik kommt aber nicht nur von rechten Politikern. Auch Verfassungsrechtler hegen Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Das Bundesinnenministerium hatte das Verbot auf einen Verstoß gegen das Vereinsrecht gestützt. Demnach seien solche Vereinigungen verboten, „deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“. Formal handelt es sich bei Compact aber nicht um einen Verein, sondern um Gesellschaften: die Compact-Magazin GmbH und die Conspect Film GmbH. Experten bezweifeln daher, dass das Vereinsrecht überhaupt anwendbar ist. 

 

Das Bundesverwaltungsgericht beschäftigte sich schon einmal mit dieser Frage, in seiner Entscheidung zu „linksunten.indymedia“ aus dem Jahr 2020. Damals entschied das Gericht, dass das Vereinsgesetz prinzipiell durchaus anwendbar sei, weil es auch Organisationen erfasse, deren Zweck allein Pressetätigkeit ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sich hingegen bislang nicht mit der Frage beschäftigt. Mit dem Verbot von Compact könnte sich das ändern. Es gilt als sicher, dass Elsässer und seine Mitstreiter Rechtsmittel gegen das Verbot einlegen werden. Möglicherweise könnte es bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.

Was hat der Hausmeister mit dem Compact-Verbot zu tun?

Die Frage wäre dabei dann auch, ob das Verbot inhaltlich gerechtfertigt ist. Voraussetzung dafür wäre, dass die redaktionellen Inhalte von Compact „den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder (…) sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stützt das Compact-Verbot auf den zweiten Fall, also eine verfassungsfeindliche Ausrichtung. Dazu gehört aber auch, dass diese in aggressiv-kämpferischer Form vertreten werden und nicht mehr von der Meinungsfreiheit umfasst sind. Auch hieran bestehen laut Experten im Fall von Compact Zweifel.

Jedenfalls müsste es das Bundesinnenministerium anhand einzelner Publikationen genau belegen können. Am Dienstag begründete Faeser das Verbot allgemein damit, dass das Compact-Magazin „auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie hetzt“. Das Verbot zeige, „dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren demokratischen Staat überwinden wollen“.

Darüber hinaus teilte ihr Ministerium mit, es sei zu befürchten, dass Leser und Zuschauer von Compact „aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“. Wie die Berliner Zeitung berichtete, stützt sich das Ministerium hierbei auf Aussagen eines Hausmeisters. Der hätte im Frühjahr des Jahres 2023 zu Jürgen Elsässer mit Blick auf den amtierenden Bundeswirtschaftsminister gesagt: „Ich hab schon überlegt, ich hab ja hier die Knarre, ich müsste dem Habeck mal ein Auge ausschießen.“ Ob das Ministerium belegen kann, dass der Hausmeister die Aussage wirklich ernst meinte und sie außerdem ein Ergebnis der Lektüre von Compact war, ist fraglich.

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