„Enorme Belastung für Arztpraxen“

7,1 Millionen Deutsche liegen flach – warum gerade so viele krank sind

03.11.2023
Lesedauer: 5 Minuten
Was hilft gegen eine Erkältung? Bild: Getty Images/iStockphoto

Wer derzeit erkältet ist oder jemanden kennt, der gerade kränkelt, werfe das erste Taschentuch. Tatsächlich sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts momentan über sieben Millionen Menschen krank. Welche Krankheiten zirkulieren und was die Gründe dafür sind.  

In der Arbeit könnten einige Angestellte momentan die kühnsten Dinge durch das Büro rufen und keine andere Antwort als ihr Echo erhalten – so leergefegt sind die Büroräume, so hoch ist der Krankenstand aktuell. An allen Ecken schnieft und hustet es. Wenn man sich nicht selbst mit einer akuten respiratorischen Erkrankung (ARE) herumplagt, so mit Sicherheit jemand aus dem nahen Umfeld.  

Dass das nicht nur subjektives Empfinden ist, zeigen die Zahlen des aktuellen ARE-Wochenberichts des Robert-Koch-Instituts (RKI). Demnach waren in der letzten Oktoberwoche (KW 43) knapp 7,1 Millionen Menschen von typischen Erkältungssymptomen wie Husten, Schnupfen, Fieber, Bronchitis sowie Corona betroffen. Das entspricht 8502 Atemwegserkrankungen pro 100.000 Einwohner.

Zum Vergleich: Während der Pandemie-Jahre hatten in derselben Kalenderwoche noch 3428 (2020), 6088 (2021) und 6303 (2022) Personen mit einer Erkältungskrankheit zu kämpfen.

Höchster Wert seit mehreren Jahren? Nein, zeigt der Blick auf die RKI-Zahlen

Allerdings liegt die aktuelle Inzidenz noch deutlich unter den Spitzenwerten des vergangenen Jahres. Mitte Dezember 2022 betrug sie beispielsweise über 11.000. Die  Erkältungswelle hat dieses Jahr einfach deutlich früher begonnen. Der Blick auf rückliegende ARE-Zahlen zeigt aber, dass auch das keine extreme Seltenheit ist.

Die meisten Menschen mit Atemwegserkrankung haben derzeit Corona 

Zurück zu den aktuellen Zahlen. Laut RKI-Bericht haben derzeit erstmals mehr Patienten (23 Prozent) Corona als andere Atemwegserkrankungen. Zuvor waren am häufigsten Rhinoviren – also die Krankheitserreger, die Schnupfen und Erkältungen verursachen – zirkuliert. Diese wurden nun bei 22 Prozent der Patienten mit Atemwegserkrankungen nachgewiesen. Auch Parainfluenzaviren, die grippeähnliche Symptome auslösen, sind gerade vermehrt im Umlauf. Die meisten Erkältungskrankheiten und Corona-Infektionen verlaufen dabei mild. 

Besonders betroffen sind derzeit Menschen im Alter von 15 bis 34 Jahren sowie Über-60-Jährige. Kleinkinder unter vier Jahre erkranken momentan seltener an Husten, Schnupfen und Bronchitis. In allen weiteren Altersgruppen veränderten sich die Krankheitswerte im Vergleich zur Vorwoche nicht.

1,4 Millionen Arztbesuche in der vergangenen Woche 

Je mehr Menschen krank sind, desto mehr gehen in der Regel auch zum Arzt. Das zeigt die Konsultationsinzidenz, die angibt, wie viele Personen mit  Atemwegserkrankung ihren Hausarzt aufsuchen. Nach Angaben des RKI gab es in der vergangenen Woche rund 1700 Arztbesuche pro 100.000 Einwohner. Das sind insgesamt 1,4 Millionen Arztbesuche. 

„Die Arztpraxen sind sehr voll. Die Belastung für die Kolleginnen und Kollegen und ihre Teams ist schon jetzt enorm – und das, obwohl uns die Grippewelle noch bevorsteht“, sagt Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärzteverbandes, zu „ Bild “.

Ein neuer Höchststand ist allerdings noch nicht erreicht: Im vergangenen Jahr lag die Inzidenz zu dieser Zeit bei 1800, 2021 belief sie sich auf 1600. Erhöht sind die Werte jedoch allemal. So bewegten sich die Inzidenzen in den Jahren vor der Pandemie teils deutlich unter der 1000er-Marke.  

Das RKI weist zudem darauf hin, dass sich der aktuelle Wert noch erhöhen könnte. In mehreren Bundesländern könnten aufgrund der Herbstferien noch Nachmeldungen folgen. 

Mediziner nicht überrascht – das sind die Gründe für den Anstieg

Doch wieso sind die Fallzahlen in Bezug auf  Atemwegserkrankungen gerade so hoch? Zum einen liegt das an Covid-19. „Mit den Corona-Viren ist in den vergangenen Jahren eine neue Infektionserkrankung hinzugekommen, die die Gesamtzahl der Arztbesuche spürbar erhöht“, sagt Beier. Außerdem habe sich das Krankheitsbewusstsein verändert. Seiner Einschätzung zufolge seien die Menschen heute umsichtiger und würden weniger oft krank ins Büro gehen. 

Zum anderen spielt wohl auch die aufgehobene Maskenpflicht im öffentlichen Raum eine Rolle. Während uns der Mund-Nase-Schutz zu Pandemie-Zeiten nicht nur vor Coronaviren, sondern auch anderen Krankheitserregern abschirmte, sind wir nun ohne FFP2- und OP-Maske wieder empfänglich für Viren aller Art.

„Die Viren sind sicherlich nicht anders oder aggressiver. Letztendlich haben wir diesen Herbst/Winter nach drei Jahren Pandemie wieder einen normalen Zustand ohne gesetzlich vorgeschriebene Schutzmaßnahmen“, sagt Virologe Martin Stürmer zu „Bild“. „Wir sehen also wieder die klassischen Erkältungsviren in Kombination mit Sars-Cov-2.“

Überraschend sei die Zunahme an Atemwegserkrankungen deshalb nicht. So erwartet Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie an der Universitätsmedizin Essen, für dieses Jahr „wieder eine relativ starke Infektionssaison“, wie er im Gespräch mit der „ Frankfurter Rundschau “ bereits Mitte Oktober erklärte. In dieser müssten alle Erkältungskrankheiten beobachtet werden. „Es wäre eindeutig ein Fehler, nur auf Corona zu gucken“, so Dittmer. 

Tipps, um Erkältungen zu vermeiden  

Um sich vor Atemwegserkrankungen zu schützen und vor allem schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden, rät der Institutsdirektor, Masken zu tragen. „Egal, über welches Virus wir reden, ein Mund-Nasen-Schutz hilft gegen alle Nasen-Rachen-Viren gleichzeitig“, sagt Dittmer. Zudem sollten sich Menschen über 60 Jahre gegen Influenza impfen lassen.

Die Stiftung Gesundheitswissen empfiehlt weiterhin regelmäßiges Händewaschen, um die Zahl der Krankheitserreger auf den Händen zu reduzieren. Außerdem sollten Menschenmengen in der Erkältungszeit vermieden werden. Häufiges Lüften daheim und im Büro kann ebenso helfen. Nicht zuletzt schützen auch genügend Schlaf, regelmäßige körperliche Bewegung und gesunde Ernährung das Immunsystem. 

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