Florian Eisele

Warum ein Bann für Einzelsportler falsch ist

27.04.2022
Lesedauer: 3 Minuten
Foto: augsburger allgemeine

Wie soll man mit russischen Athleten umgehen? Beim Tennis-Turnier in Wimbledon sind sie nicht zugelassen. Ob das die richtige Entscheidung ist, ist fraglich.

Zwei Monate lang tobt nun schon der Krieg in der Ukraine. Der Angriff Russlands auf den Bruderstaat und die damit verbundenen Schrecken haben das Leben in Europa in all seinen Verästelungen verändert. Auch in die Welt des Sports, der eigentlich seine Rolle in der schönsten Nebenbeschäftigung gefunden haben will, wirkt der Krieg hinein.

Fast alle russischen Nationalteams sind von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Die Formel 1 hat Sotschi vom Rennkalender gestrichen und das Finale der Fußball-Champions-League findet in diesem Jahr nicht wie geplant in Putins Heimatstadt St. Petersburg, sondern im Pariser Stade de France statt. Internationale Sportveranstaltungen, in denen Russland als Gastgeber auftritt, wären angesichts der Gräuel, mit denen die russische Armee die Ukraine überzieht, auch grotesk gewesen.

Der „heilige Rasen“ Wimbledons ist dieses Jahr für Russen und Belarussen tabu

Aber wie soll man mit Einzelsportlern umgehen? Die Wimbledon-Organisatoren haben dazu Fakten geschaffen. Zum berühmtesten Tennis-Turnier der Welt, das von Ende Juni bis Mitte Juli im Londoner Stadtteil über die Bühne geht, sind keine Sportler aus Russland und Belarus zugelassen. Die nachvollziehbare Argumentation der Veranstalter: Der „heilige Rasen“ soll nicht zur Bühne von Russlands Propaganda-Maschine werden.

Schon während des Zweiten Weltkriegs waren deswegen Sportlerinnen und Sportler aus Deutschland und Japan nicht zugelassen. Tatsächlich wäre es nicht so unwahrscheinlich gewesen, dass am Ende ein Russe den Pokal in die Luft stemmt: Daniil Medwedew ist die Nummer zwei der Weltrangliste.

Alexander Zverev in Aktion.
Alexander Zverev in Aktion.
Foto: Sven Hoppe, dpa

Alexander Zverev kritisiert den Ausschluss russischer Tennisspieler

Der Bann geht vielen zu weit. Deutschlands Nummer eins, Alexander Zvereväußerte sich ebenso kritisch wie die ehemalige Starspielerin Martina Navratilova . Letztlich wirft der Vorgang die Frage auf, wie der Sport allgemein in diesen Tagen mit seiner Rolle als Bühne für politische Botschaften umgeht. Dass der Sport, wie immer wieder geäußert, unpolitisch sein soll, war dabei schon immer ein naiver Wunsch: Aufgrund ihrer Breitenwirkung werden Massenevents wie Fußballspiele oder Tennis-Turniere immer auch eine enorme Symbolkraft haben.

Der Ausschluss der russischen und belarussischen Tennisspieler ist jedoch fragwürdig. Unter der Fahne ihrer jeweiligen Länder dürfen sie ohnehin schon nicht mehr antreten. Zudem sind die Ich-AGs im Tennis-Zirkus meistens mit der Symbolkraft einer Nationalmannschaft nicht gleich zu setzen.

Russische Sportler schweigen meist – das ist einigen nicht genug

In den meisten Fällen schweigen die russischen Athleten zum Krieg. Das reicht einigen Beobachtern nicht: Sie fordern, dass sich die Sportler von Putins Verhalten distanzieren. Das wiederum ist aus westeuropäischer Sicht leicht geäußert; in einem Land wie Russland, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerung faktisch nicht mehr existiert und schon das Erwähnen des Wortes „Krieg“ einen 15 Jahre langen Gefängnisaufenthalt bedeuten kann, sieht das ungleich schwerer aus. Sollen die oftmals gerade erst dem Teenager-Alter entwachsenen Sportler nun riskieren, sich und ihre Familie in Gefahr zu bringen, um moralischen Standards zu entsprechen? Zudem sind viele Athleten von der nationalen Förderung des Landes abhängig. Bedeutet also: Wer aufmuckt, wird kaltgestellt.

Mit dem Bann von russischen und belarussischen Einzelsportlern wird Putins Propaganda-Maschine zwar der Nachschub entzogen. Letztlich trifft der Ausschluss aber auch viele Unbeteiligte. Das wiederum könnte am Ende den gegenteiligen Effekt haben und eine Trotzreaktion bewirken.

Der Sport ist eben ab einer gewissen Massenwirkung zwar vieles, auf keinen Fall aber unpolitisch.

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