Düsseldorf · ZDF-Moderatorin Maybrit Illner will derzeit keine AfD-Gäste in ihre wöchentliche Sendung einladen. Ihre Begründung ist bequem – und nicht einmal inhaltlich ganz korrekt. Welche Folgen die Entscheidung außerdem hat.
Nein, es soll keine Verteidigungsschrift im Namen der AfD werden. Ebenso wenig eine pauschale Anklage der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Allgemeinen. Die Frage, ob und in welchem Rahmen die AfD Teil der politischen Berichterstattung ist, muss sich schließlich jedes Medium stellen. Diskussionen darüber gibt es fast so lange, wie es die AfD selbst gibt. Doch in den vergangenen zehn Jahren hat sich einiges getan, die Partei wird inzwischen vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft – und als ganzes beobachtet. Die eigene Betrachtungsweise der Partei kritisch zu hinterfragen – im Übrigen bei jeder anderen Partei auch – lohnt also.
Die beliebte Fernsehmoderatorin Maybrit Illner hat das jetzt getan. Jedenfalls hat sie Stellung bezogen, in einem Interview mit dem Redaktions Netzwerk Deutschland, zu dem immer wieder kehrenden Vorwurf, AfD-Gäste kämen in der deutschen Talkshowlandschaft nicht (mehr) vor. Dem hat Illner im Grunde zugestimmt, zugleich aber versucht, sich dafür zu rechtfertigen, dass auch in ihrer wöchentlichen Sendung (donnerstags, 22.15 Uhr) keine AfD-Politiker und -Politikerinnen zu sehen sind. Die AfD habe zum Beispiel bei Corona zunächst sämtliche Meinungen vertreten, sagt Illner. „Auch zum Krieg gab es Streit.“
Ist das ein Grund, sie nicht zu Wort kommen zu lassen? Wohl kaum, denn in wohl keiner demokratischen Partei wird intern nicht gestritten, oder zumindest gerungen um einzelne Standpunkte. Und mindestens für das Thema Pandemie stimmt das inhaltlich so pauschal nicht. Eine laute Mehrheit der AfD hat deutlich Kritik an staatlich verfügten Corona-Einschränkungen geübt – und damit auch die Kritik eines Teils der Bevölkerung vertreten.
Auch in der aktuellen Krise, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, hat ein Großteil der AfD ein recht einheitliches Bild – ein ziemlich prorussisches nämlich. Das kann man naiv oder gefährlich finden und verurteilen. Dafür gibt es gute Gründe. Maybrit Illner weist im Interview etwa darauf hin: „Die AfD fordert mittlerweile, dass Deutschland sofort wieder Putins Gas und Öl importieren soll.“
Diese Positionen aber sollte man, in dosierter Form, trotz alledem aber vorkommen lassen. In Berichten wie in TV-Formaten. Existieren tun sie ohnehin. Und wer die jüngeren Partei-Auftritte von Vertretern wie Björn Höcke verfolgt, sollte feststellen: Die prorussische Propaganda seitens der AfD hat unter dem Radar längst begonnen. Da gehört es auch zur Aufgabe der (öffentlich-rechtlichen) Medien, sie aufzuzeigen und kritisch einzuordnen.
Maybrit Illners Talkshow sei immer auf der Suche nach besten Lösungen für ein Problem, sagt Maybrit Illner. Die AfD-Position, das Problem gebe es gar nicht, sei nicht hilfreich. Sie deshalb zumidnest zu den aktuellen Großthemen gar nicht einzuladen, ist nachvollziehbar – aber auch wahnsinnig bequem. Es fordert mehr Vorbereitung, mehr Einordnung und mehr Disziplin in einer Sendung mit extremeren Positionen, ganz egal ob Alice Weidel oder Alice Schwarzer. Aber auch das ist Aufgabe der sogenannten Vierten Gewalt.
Dass Illner das kann, hat sie in diversen Sendungen mit AfD-Gästen wie Alexander Gauland auch bewiesen. (Noch) demokratische Parteien nicht mehr vorkommen zu lassen, kann Politikverdrossenheit weiter befeuern – und den Anteil der Nichtwähler weiter steigen lassen. Nicht zuletzt gehört die AfD auch in Talkshows, weil sie nicht als reine Minderheitenmeinung abgetan werden kann: Laut der jüngsten Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa (14. März 2023) käme sie immerhin auf 14 Prozent der Stimmen, sollte an diesem Sonntag Bundestagswahl sein.