Meine Freunde sorgen sich um das Klima, wählen grün. Und reisen um die Welt wie eh und je. Auf den einzelnen kommt es ja nicht an, oder? Eine Kolumne.
Ich glaube, es war meine Freundin, die das Wort als Erste aussprach. Wir redeten am Telefon über unseren Sommerurlaub. Eine Woche wollten wir gemeinsam weg. Mal wieder raus aus Deutschland. Das Wort, das meine Freundin benutzte, war: fliegen.
Wir könnten schon auch fliegen, sagte sie. Oder? Sie habe das ja lange nicht gemacht. Seit vier Jahren. Ich sagte, dass es bei mir genauso lange her ist. Vor fünf Jahren waren wir beide noch nach Mallorca geflogen. Meine Freundin hatte ein Haus in einer kleinen Stadt gemietet. Im August. Ich besuchte sie für eine Woche, an die ich kaum Erinnerungen habe, abgesehen von der Hitze, die Tag und Nacht mein Gehirn verklebte. Im Jahr darauf flog ich nach St. Petersburg, weil zwei Freunde von mir dort heirateten.
Dann begann die Pandemie. Ich hatte mir schon vorher vorgenommen, weniger zu fliegen. Wegen des Klimas. Nun konnte man erst mal gar nicht fliegen. Dann sollte man nicht. Ich verbrachte meine Urlaube in Brandenburg, im Harz und auf Rügen. Im zweiten Jahr der Pandemie mietete meine Freundin im Sommer wieder ein Haus, in dem ich sie eine Woche besuchte, diesmal in den Schweizer Bergen. Ich fuhr mit dem Zug hin, was unkomplizierter war, als ich mir vorgestellt hatte. Als die Pandemie vorbei war, fuhr ich mit meinem Freund nach Slowenien, ein Ziel, das ich auch ausgesucht hatte, weil man es in weniger als einem Tag von Berlin mit dem Zug erreicht. Auf der Rückfahrt blieb der Zug vor Erfurt einfach stehen. Ich weiß nicht mehr, ob wir drei oder vier Stunden Verspätung hatten, nur noch, wie erschöpft ich war, als ich zu Hause ankam.
Winter in Thailand, Sommer in Amerika
Trotzdem fing ich an, Freunden zu erklären, dass man nicht fliegen muss, um Urlaub zu machen. Ich fühlte mich besser, auch vor mir selbst. Nachrichten über den Klimawandel machen mir Angst, nicht zu fliegen gab mir das Gefühl, etwas dagegen zu unternehmen. Auch wenn ich immer öfter las, dass Klima-Aktivisten sagten, man könne das Problem als Einzelner nicht lösen. Egal, wie sehr man sein Verhalten ändere. Die Politik müsse sich bewegen. Man solle lieber Parteien wählen, die den Klimaschutz vorantreiben.
Meine Freunde und Bekannten scheinen das verinnerlicht zu haben. Ich hörte von Häuschen, die sie sich kauften, auf griechischen Inseln oder Madeira. Ich sah die Fotos in den sozialen Medien, die sie von ihren Reisen posteten. Winter in Thailand. Sommer in Amerika. Selbst Aktivisten, die sich an die Straße kleben, um für mehr Klimaschutz zu kämpfen, wurden auf Flughäfen erwischt. Als Reisende. Meine Freunde und Bekannten wählen, wenn mich nicht alles täuscht, zu 80 Prozent die Grünen. Vielleicht auch zu 100 Prozent. Ein Kollege hat sich von einer Fernreise nach Asien ein Sweatshirt mitgebracht, auf dem ein Aufdruck zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens mahnt.
Zwei Freunde von mir sind gerade in Kanada, um in einem abgelegenen Gebiet eine Kanutour zu machen. Sie wollten ganz in der Natur sein. Um das zu erreichen, sind sie Langstrecke geflogen, Hunderte Kilometer mit einem Mietwagen gefahren und haben sich mit einem kleinen Flugzeug zum Fluss bringen lassen.
Ich will nicht falsch verstanden werden. Wir haben alle nur ein Leben und versuchen, glücklich zu werden. Ich gönne meinen Freunden ihre Reisen. Und vielleicht stimmt das ja, dass sich erst mal die Politik ändern muss? Aber im Moment ist die Person in meinem Umfeld, die das Klima am meisten schont, meine Mutter, die meine Angst vorm Klimawandel für völlig übertrieben hält. Sie ist seit Jahren nicht geflogen. Weil niemand mit ihr verreist, es sich nicht ergeben hat.
Meine Freundin und ich haben jetzt auch gebucht. In einer Woche fliegen wir los.