Der Corona-Wiederaufbaufonds der EU ist 723 Milliarden Euro schwer. Eigentlich soll der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments überwachen, wie die Mittel vergeben werden. Doch er bekomme kaum Informationen über die Endempfänger, sagt die Vorsitzende Hohlmeier.
Monika Hohlmeier hat ein Problem. Der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments, den die CSU-Politikerin leitet, könne seiner Aufgabe teilweise nicht nachkommen, sagt sie. Im Zentrum der Kritik steht die Intransparenz bei der Verteilung von Subventionen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds. In Zeiten der Pandemie hatte die EU den 723 Milliarden Euro schweren Fonds, der sowohl aus Krediten als auch Zuschüssen besteht, ins Leben gerufen, um die Mitgliedsstaaten durch die Finanzierung verschiedener Projekte krisenfester zu machen. Im Gegenzug müssen die EU-Mitglieder Reformen, insbesondere im digitalen und ökologischen Bereich, anstoßen.
Von den Ländern und der EU-Kommission fordert Hohlmeier Auskunft darüber, wo genau das Geld investiert wird. Eine befriedigende Antwort steht trotz mehrerer Nachfragen noch aus. „Eine komplette Übersicht aller oder zumindest wesentlicher Projekte hat der Haushaltskontrollausschuss von keinem Mitgliedstaat erhalten“, sagt sie.
Eigentlich sind die EU-Staaten verpflichtet, dem Ausschuss zweimal im Jahr eine Liste der 100 wichtigsten Endempfänger zur Verfügung zu stellen. Insgesamt 14 Länder sind dieser Pflicht bereits nachgekommen. Hohlmeier moniert jedoch, dass diese Listen, online öffentlich einsehbar, wenig erhellend sind.
Italien wollte Fußballstadien subventionieren
In der Datenbank gibt Österreich etwa an, dass es mehr als 78 Millionen aus dem Fonds an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung vergibt. Davon sollen etwa 73 Millionen für die Bereitstellung digitaler Endgeräte für Schüler verwendet werden. Welche Ausschreibungen in diesem Zusammenhang vergeben werden, welche Firma die Geräte liefert und wer schließlich das Geld bekommt, geht aus der Website nicht hervor.
Auch die Parlamentarier wissen in vielen Fällen nicht wesentlich mehr über den Verbleib der Subventionen. Hohlmeier wandte sich mehrmals an die Kommission, um detailliertere Informationen zu bekommen. Ohne Erfolg. So habe Spanien etwa Gelder für das Gesundheitswesen verplant, sagt die CSU-Politikerin. „Wenn wir als EU-Parlament gerne wissen möchten, wofür die Gelder denn konkret eingesetzt wurden, erhalten wir lückenhafte Einzelbeispiele, die keinen Rückschluss auf die Vergabe der Mittel im Gesamten zulassen“, so Hohlmeier. Es sei etwa nicht möglich zu sehen, welche Krankenhäuser welche Art der Ausstattung zu welchem Preis erhalten haben. Auch könne der Ausschuss nicht kontrollieren, ob die Gelder fair und unparteiisch ausgegeben wurden.
In Italien, das wie Spanien einer der größten Nutznießer des Aufbaufonds ist, wurde an einem besonders illustren Beispiel deutlich, wie Gelder zweckentfremdet werden könnten, wenn die Vergabe nicht kontrolliert wird. Rom wollte den Auf- und Umbau zweier Fußballstadien subventionieren. Für ein Stadion in Venedig sollten 93 Millionen Euro fließen, für ein weiteres in Florenz 55 Millionen. Die Kommission schritt schließlich ein und lehnte eine Finanzierung der Projekte durch den Fonds ab. Der Bürgermeister von Florenz reagierte trotzig, wobei er behauptete, dass die Mittel bereits genehmigt worden waren.
Informationen „nur unter großem Druck verfügbar“
Hohlmeier ist der Überzeugung, dass italienische Behörden aufgrund von Personalmangel überfordert damit seien, Mittel aus dem Wiederaufbaufonds „parallel zu den Kohäsionsgeldern abzurufen und für tatsächlich sinnvolle Projekte auszugeben“, wie sie sagt. Die Auszahlung verschiedener Tranchen an Italien verzögere sich entsprechend. Berichte legen nahe, dass die italienische Regierung die Befugnisse ihres Rechnungshofs einschränkt, weil er die Verzögerungen bei der Verwendung der Subventionen kritisiert hat.
Mit Hohlmeiers Kritik konfrontiert, erklärt eine Kommissionssprecherin auf Anfrage von ntv.de, die Mitgliedsstaaten seien zwar verpflichtet, „Aufzeichnungen über die Endempfänger von Sonderfazilitätsmitteln zu führen“. Allerdings müssten sie diese Daten nur auf Anfrage der Kommission, des Europäischen Rechnungshofs, des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung oder der Europäischen Staatsanwaltschaft offenlegen.
Tatsächlich verstoßen die Länder nicht gegen EU-Recht, wenn sie dem Parlament nur vage Informationen liefern. Die Kommission stelle dem Haushaltskontrollausschuss die Daten zur Verfügung, wenn dieser sie anfordere, so die Sprecherin. Dies bestreitet Hohlmeier vehement. Informationen seien „nur nach und nach und unter großem Druck verfügbar“, sagt sie.
Karte zeigt Projekte nur exemplarisch
Die Kommission betont, dass ein sogenanntes Scoreboard sowie eine digitale Karte eine gute Übersicht über die Vergabe der Mittel zeige. Der Ausschuss wiederum bemängelt, dass die dort gezeigten Projekte rein exemplarisch ausgewählt würden, was die Kommission einräumt. Die Grafik speise sich aus öffentlich zugänglichen Daten, so die Sprecherin. „Die Karte ist ein lebendiges Projekt und wird regelmäßig aktualisiert“, fügt sie hinzu.
Entsprechend liefert auch die Karte nur lückenhaft Informationen. Manchmal fehlen die Links zu Websites, auf denen die Projekte detailliert beschrieben werden, in anderen Fällen führen Verlinkungen ins Leere. So kommt es vor, dass ein Programm nur rudimentär in einigen Sätzen beschrieben wird. Für Hohlmeiers Ausschuss, der die Kommission dabei unterstützen soll, die Haushaltsdisziplin zu wahren, ist das keine Arbeitsgrundlage.
Quelle: ntv.de