Der Bundeskanzler hat ein neues Fass aufgemacht: Mehr Einwanderung soll für eine sichere Rente sorgen. Ein Fakten-Check zeigt: Zweifel sind erlaubt. Am Mittwoch hat Scholz Gelegenheit zu erklären, was er meint.
Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz seinem Land zum „besten Einwanderungsgesetz der Welt“ verholfen hat, denkt der Regierungschef nun offenbar weit über die Linderung des Fachkräftemangels hinaus. Die Einwanderung soll Deutschlands Renten sichern. Migration für die Rente – kann das funktionieren?
Zunächst: Was hat Olaf Scholz genau gesagt zu dem Thema? Hier sein Zitat aus dem „Sommer“-Interview im ZDF: „Damit wir eine gute Zukunft haben, damit unser Arbeitsmarkt funktioniert, damit unsere Wirtschaft wächst, werden wir gute Fachkräfte, Arbeitskräfte von außerhalb Deutschlands brauchen – sonst sind die Renten nicht sicher. Und das muss man und darf man dann auch in Deutschland überall sagen und muss sich dem Streit stellen.“
Die Asyl-Einwanderung stabilisiert nicht die Finanzen, sie destabilisiert sie
Das Gros der Einwanderung, die aktuell nach Deutschland stattfindet, bringt unter dem Strich weder Geld in die Steuer- noch in die Rentenkassen. Die Migration kostet den Steuerzahler viel Geld: Rund 22 Milliarden Euro gibt allein der Bund für die Flüchtlingspolitik aus. Allein knapp zehn Milliarden davon fließen in Sozialtransfers nach dem Asylverfahren, sprich ins Bürgergeld, früher Hartz IV.
Hinzu kommen noch die Ausgaben der Länder und der Gemeinden, über die heftig gerungen wird, weil sich die Kommunen am Ende ihrer Aufnahmefähigkeit sehen. Gar nicht mit Zahlen hinterlegt sind die sozial bedingten Folgekosten der ungesteuerten Einwanderung – weil der Staat immer mehr Geld für Wohnraum für Flüchtlinge ausgeben muss und weil die Kosten an den Schulen mit den wachsenden Migrantenzahlen steigen.
Die Asyl-Einwanderung stabilisiert nicht die Finanzen, sie destabilisiert sie. Besser, aber auch nicht wirklich gut sieht es bei einem anderen großen Anteil der Einwanderung nach Deutschland aus: der Familienzusammenführung. Er ist in etwa so groß wie die Summe der Asyl-Einwanderung. Wie aus einer Studie des Bundesfamilienministerium von Ende 2020 hervorgeht, kamen meistens Frauen, von denen wiederum die meisten Kinder betreuten. Von ihnen arbeitet nur weniger als jede zweite Frau, die meisten unterhalb ihrer Qualifikation, die meisten in Teilzeit.
Falls Deutschland tatsächlich ein Einwanderungsland ist, dann kein erfolgreiches.
Verantwortlich dafür sind nicht nur die mitunter patriarchalischen Rollenbilder in den Einwanderungsfamilien, sondern auch die in deutschen Behörden. „Gerade nachreisende Frauen werden in der Phase der Einwanderung von den beratenden Stellen oft nicht mit ihren Bedarfen und Potenzialen, sondern nur als ‚im Schatten des Mannes stehend‘ betrachtet“, heißt es in der Studie.
Bei der Familien-Einwanderung zeigt sich: Auch hier findet eine Integration in den deutschen Arbeitsmarkt bei weitem nicht so erfolgreich statt, wie es sogar aufgrund der Qualifikation der Eingewanderten möglich wäre. Falls Deutschland, wie von der Bundesregierung behauptet wird, tatsächlich ein Einwanderungsland ist, dann kein erfolgreiches. Eine langfristige Sicherung der Renten, wie sie sich der Kanzler von der Einwanderung verspricht, ist also auch von der Familien-Migration nicht zu erwarten.
Das soll sich nun ändern durch die Fachkräfte-Einwanderung. Die Zahl der nötigen Einwanderer in dieser Gruppe, die meistens genannt wird, lautet: 400.000 pro Jahr. Zuletzt erklärte jedoch eine Wirtschaftsweise diese – hohe und niemals erreichte – Zahl für bei weitem zu niedrig. Nötig seien nicht 400.000 eingewanderte Fachkräfte, sondern: 1,5 Millionen. Im Jahr. So Monika Schnitzer.
Von der Einwanderung eine Finanzierung der Renten zu erwarten, ist im Moment eine Illusion
Die Bundesregierung selbst rechnet allerdings mit 70.000 zusätzlichen Einwanderern aus dem nun eingeführten Punkteverfahren. Hinzukommen sollen noch einmal 50.000 aus der Übernahme der Regeln aus dem seit einigen Jahren laufenden Westbalkanverfahren. Insgesamt also: 120.000 Fachkräfte-Einwanderer.
Eine Zahl allerdings, die vor allem eines ausdrückt: eine Hoffnung. Einwanderungsexperten zweifeln an der Attraktivität Deutschlands als Einwanderungsland für Qualifizierte, von Eliten, wie sie weltweit umworben werden, ganz zu schweigen. Das Haupthindernis für die Einwanderung nach Deutschland ist die deutsche Sprache – die meisten Einwanderer sprechen Englisch. Weshalb die Wirtschaftsweise Schnitzer konsequenterweise vorschlägt, auf den Einwanderungsämtern solle Englisch Pflicht werden.
Das allergrößte Problem allerdings, sind die Unternehmen in Deutschland, von denen nur die wenigsten englischsprachige Arbeitsplätze anbieten.
Jedenfalls: Von der Einwanderung nach Deutschland eine Finanzierung der Renten in der Zukunft zu erwarten, ist im Moment eine Illusion. Die entsprechende Erwartungshaltung des Bundeskanzlers verdient also den von ihm selbst empfohlenen Streit darüber.
Vielversprechender ist die Reserve der „silbernen Fachkräfte“
Bisher hat die Bundesregierung noch nicht einmal den Versuch gemacht, zu erläutern, wie sie sich eine Entlastung der Rentenkassen durch die Einwanderung vorstellt. Es ist bislang eine bloße Behauptung des Regierungschefs. Gegen die Zahlen sprechen alle drei großen Einwanderungsbereiche: Asyl-, Familien- wie Fachkräfte-Einwanderung.
Ganz abgesehen davon, dass der bestehende deutsche Arbeitsmarkt noch Möglichkeiten bietet, mehr Arbeitskräfte und damit Rentenzahler zu erreichen. Unions-Fraktionsvize Jens Spahn verweist auf eine „Reserve-Armee“ aus der bislang prekären Beschäftigung: 2,5 Millionen 18- bis 34-jährige Menschen ohne Berufsabschluss. Plus 3,9 Millionen erwerbsfähige Sozialhilfe-Bezieher. Allerdings: Diese besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, hat noch nie funktioniert, auch nicht in den Jahren, in denen die Union regierte.
Vielversprechender ist die Reserve, die CDU-Programm-Denker Carsten Linnemann mit den „silbernen Fachkräften“ adressiert. Sein Vorschlag: Rentnern, die länger arbeiten, die Steuern ganz zu erlassen. Nicht aber die Sozialabgaben – womit sie ganz im Sinne von Scholz einen potenten Beitrag zur Finanzierung der Renten leisten würden.
Zum Linnemann-Vorschlag passt eine Insa-Umfrage: 52 Prozent der von dem Demoskopie-Institut Befragten würden über die Altersgrenze hinaus arbeiten, wenn sie es steuerfrei tun könnten.
Am Mittwoch steht der Bundeskanzler im Parlament den Abgeordneten Rede und Antwort. Eine gute Gelegenheit, zu erfahren, wie er diesen Vorschlag findet. Und natürlich zu hören, wie er sich sein „Rein nach Deutschland für die Rente“ denn nun vorstellt.