Menschen, die selbst fürs Alter vorsorgen, sind Kevin Kühnert suspekt. Jedem nur die Wohnung, die er auch selbst bewohnt. Das ist die Vorstellung des SPD-Generalsekretärs. Das ist problematisch und wirtschaftsfremd. Kühnert will bei Wohnungen noch mehr Sozialismus als in der DDR. Ein Gastbeitrag.
„Wenn hier alles tutti wäre, dann hätte aus meiner Sicht jeder nur die Wohnung, die er auch bewohnt“, erklärte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert vor wenigen Tagen in einer Sat1-Sendung zum Thema Mieten. Ich musste zuerst mal nachschauen, was „alles tutti“ bedeuten soll. Italienisch „tutti“ bedeutet „alle, jeder“, sodass „alles tutti“ eine Verdoppelung bedeutet, ansonsten aber sinnlos ist. Kühnert will damit offenbar ausdrücken, wie er sich ein ideales Wirtschaftssystem vorstellt, nämlich ohne private Vermieter.
Kevin Kühnert hält an Meinung fest
Er bleibt damit auch als SPD-Generalsekretär seiner Meinung treu, dass es in einem Wirtschaftssystem nach seiner Vorstellung nur zwei Arten von Wohnungen geben dürfe: Selbstgenutzte Wohnungen, die auch im privaten Besitz sein dürften – und Staatswohnungen.
Kevin Kühnert, damals noch Vorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos, fragte schon 2019 in der Talkshow „Maischberger“: „Mit welchem Recht hat jemand mehr als 20 Wohnungen?“ Und im gleichen Jahr erklärte er in einem Interview mit der Wochenzeitung „Zeit“: „Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten… Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt.“ Maximal. Sozusagen eine Obergrenze von einer Wohnung, aber die auch nur zur Selbstnutzung.
Noch sozialistischer als die DDR
Damit will Kühnert im Wohnungswesen sogar noch mehr Sozialismus als in der DDR. Denn in der DDR waren nicht nur 84,4 Prozent der Ein- und Zweifamilienhäuser im Privatbesitz, sondern immerhin auch 20,6 Prozent der Mehrfamilienhäuser. „Demokratische Sozialisten“ wehren sich stets vehement gegen den Vorwurf, sie wollten ähnliche Verhältnisse wie in der DDR.
Aber Kühnerts Vorschlag zeigt, dass die wirtschaftspolitischen Ideen durchaus sehr ähnlich sind: Die Grundüberzeugung, mit Ausnahme von selbstgenutztem Wohneigentum, seien nur Staatswohnungen gute Wohnungen, ist identisch mit der DDR-Philosophie. Nur, dass Kühnert den Wohnungs-Sozialismus eben noch konsequenter umsetzen will als in der DDR, wo private Vermietung zwar unerwünscht und erschwert war, aber sich immer noch jede fünfte Wohnung im Privatbesitz befand.
Auch der Mietenstopp, eine weitere Lieblingsidee der Sozialdemokraten (die sie nur wegen des Widerstandes der FDP nicht umsetzen konnten) herrschte in der DDR, die ein entsprechendes Gesetz aus der nationalsozialistischen Zeit fast 1:1 fortgeführt hatte.
80 Milliarden Euro wurden mobilisiert
Wozu das führte, weiß Kühnert offenbar nicht. Das kleinste Problem war noch, dass die Wohnfläche pro Person in der DDR 22 Prozent unter der des Westens lag (27 Quadratmetern gegen 35 Quadratmeter). 1989, als die DDR am Ende war, wurden 65 Prozent aller Wohnungen – die 3,2 Millionen Nachkriegsbauten eingerechnet – noch mit Kohleöfen beheizt. 24 Prozent hatten keine eigene Toilette und 18 Prozent kein Bad. Die Ausstattung mit Fahrstühlen, Balkonen und modernen Küchen war noch geringer. 40 Prozent der Mehrfamilienhäuser galten als schwer geschädigt, elf Prozent sogar als gänzlich unbewohnbar.
Der Staat war nicht in der Lage, diesen Zustand aus eigenen Mitteln zu beheben. Also beschloss der Gesetzgeber nach der Wiedervereinigung Steuervorteile für Investoren, um die maroden Wohnungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zu sanieren und neue zu bauen. Insgesamt wurden 80 Milliarden Euro auf diese Weise mobilisiert – für den Wiederaufbau nach dem Sozialismus.
Was die FDP von Kühnert lernen sollte
Wie oben gezeigt, vertritt Kühnert schon lange seine sozialistischen Utopien für die Wohnungspolitik. Bemerkenswert ist, dass er sie als SPD-Generalsekretär ebenso glasklar und radikal formuliert wie einst als Juso-Vorsitzender. Die FDP sollte sich ein Beispiel daran nehmen und ebenso glasklar liberale Ideen formulieren, zum Beispiel Liberalisierung des Mietrechtes, Abschaffung der Mietpreisbremse, Steuersenkungen für alle, Privatisierung.
Stattdessen hat man eher den Eindruck, die FDP sei schon zufrieden, das Allerschlimmste verhindert zu haben – was in der Tat eine Leistung ist, aber nicht ausreicht, um Wähler bei der Stange zu halten. Die FDP nimmt viel Rücksicht auf ihre linken Koalitionspartner, während kein Tag vergeht, wo nicht Grüne und SPD Umverteilungsideen, Forderungen nach Steuererhöhungen und so weiter formulieren.
Kühnert steht für eine wirtschaftsfremde Politik
Noch etwas sollte zu denken geben. Kühnert steht für eine wirtschaftsfremde Politik, und das hat auch etwas mit seiner Biografie zu tun, die nicht untypisch ist für viele Politiker – besonders, aber keineswegs nur, aus dem linksgrünen Milieu: zweimal zum Studium angesetzt, aber nie ein Studium vollendet, und fast das Leben lang immer auf Kosten des Steuerzahlers gelebt, ohne jemals produktiv etwas zu erwirtschaften.
So hat man Zeit, den ganzen Tag darüber nachzudenken, wie das umverteilt werden kann, was andere erwirtschaftet haben und wie man anderen Menschen ihre Lebensgrundlagen entziehen kann. Denn etwa 60 Prozent der Vermieter in Deutschland sind keineswegs große Konzerne, sondern Amateurvermieter. Zum Beispiel der Handwerker, der sich für die Altersvorsorge einige Eigentumswohnungen oder ein Miethaus erworben hat.
Diese Menschen, die sich nicht auf den Staat verlassen, sondern selbst etwas für ihre Alterssicherung tun, sind Politikern wie Kühnert zutiefst suspekt – daher die Forderung, es dürfe keine privaten Vermieter mehr geben.