Mit einer Kampagne will Wirtschaftsminister Habeck die Bürger zum Energiesparen ermuntern. Doch die Grünen wollen nicht als Verzichtsprediger daherkommen.
Wer regelmäßig schwimmt, hat bereits am eigenen Leibe erfahren, dass der Krieg in der Ukraine selbst Auswirkungen auf die Wassertemperaturen in Deutschlands Bäderbetrieben hat. In vielen Bädern wurde die Temperatur um einige Grad gesenkt, was den Energieverbrauch senkt. Das Beispiel zeigt, wie sich Energiekosten einsparen lassen – und liegt im Trend einer Kampagne, die Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag vorstellte.
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Die Kampagne unter dem Motto „80 Millionen gemeinsam für den Energiewechsel“ soll über die nächsten drei Jahre zum sparsameren Umgang mit Energie aufrufen. „Liebe Duschfans, ein Energiespar-Duschkopf spart 30 Prozent Energie für Warmwasser“ heißt es beispielsweise auf einem der Plakate, die Habeck präsentierte. Aber der Appell geht nicht nur an Privatverbraucher, etwa das Gefrierfach regelmäßig abzutauen. Unternehmen sollen beispielsweise ebenfalls angehalten werden, effiziente Maschinen einzusetzen und damit Energie zu sparen.
Politisch bewegen sich die Grünen dabei auf einem schmalen Grat. Einerseits sollen erneuerbare Energien und ein sparsamer Verbrauch vorangetrieben werden, andererseits will die Partei auch nicht als Verzichtsprediger auftreten. Im Wirtschaftsministerium ist man sich bewusst, dass es etliche Haushalte in ärmeren Schichten gibt, in denen die Heizung im Winter ohnehin nur äußerst sparsam aufgedreht wird und kaum noch Einsparpotenziale vorhanden sind. Habeck sagte voraus, dass sich die soziale Frage in diesem Jahr noch einmal „mit großer Vehemenz“ aufdrängen werde, wenn Abschlagszahlungen fällig werden und die Heizsaison im Herbst erneut beginnt.
Die Ansage, dass ein um zehn Prozent verringerter Energieverbrauch stets möglich sei, klinge in „vielen Ohren wie blanker Hohn“, betonte Habeck. Wenn Menschen nur noch teilweise ihre Wohnungen heizen könnten und nicht wüssten, wie sie finanziell über die Runden kommen sollen, dann sei das „ein falscher Ansatz“. Der Minister gab zu, anfangs selbst mit seiner Zehn-Prozent-Vorgabe allzu forsch gewesen zu sein.
Breites Energiesparbündnis mit Unternehmen und Verbänden
Damit der Appell zum Energiesparen also nicht von oben herab kommt, hat Habeck ein breites Bündnis aus Unternehmen, Verbänden, Sozialpartnern, Verbrauchern und Umweltschützern geschmiedet, das sich am Freitag zu einem Energieeffizienz-Gipfel traf. Laut einer Erklärung des Bündnisses sind Energieeinsparungen und Effizienzsteigerungen „auch nötig, um den gestiegenen Kostendruck für private Haushalte, Kommunen und Wirtschaft zu mindern“. „Jede gesparte Kilowattstunde Energie leistet einen Beitrag für unsere Unabhängigkeit, senkt den Kostendruck und hilft, unsere Klimaziele zu erreichen“, hieß es weiter.
Große Einsparpotenziale im Handwerk
Handswerkspräsident Hans Peter Wollseifer erklärte nach dem Treffen, dass es im Interesse der Betriebe selbst liege, möglichst energieeffizient zu arbeiten. Deutliche Ersparnisse ließen sich etwa bei Kfz-Betrieben durch bessere Gebäudedämmung und Doppelverglasungen erzielen. Auch in Friseurbetrieben könne weniger Energie verbraucht werden, indem etwa der Wasserhahn beim Haarewaschen schneller abgedreht werde oder dünnere Handtücher verwendet würden, für deren Reinigung dann weniger Energie verbraucht werden müsse. Auch wenn in den Betrieben bereits jetzt schon auf Energieeffizienz geachtet werde, müsse man die Anstrengungen demnächst weiter „deutlich verstärken“, so Wollseifer.
Auch DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell erklärte, dass ein geringerer Verbrauch die Kostenbelastung für Haushalte und Betriebe verringere. Die Beschäftigten im Handwerk, in der Industrie und in der Dienstleistung seien die eigentlichen Spezialisten, wenn es um die Einsparung von Energie gehe. Überall dort, wo Betriebsräte mitbestimmen könnten, mache sich ein gesunkener Verbrauch besonders bemerkbar. Körzell forderte, dass noch enorme Anstrengungen unternommen werden müssten, um zu einer größeren Energieeffizienz im Gebäudebereich zu kommen.
Kritik der Deutschen Umwelthilfe
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte, dass Habecks Kampagne lediglich auf Appelle setze. Anstatt selbst tätig zu werden, verschiebe der Minister „die Verantwortung vor allem auf die Verbraucherinnen und Verbraucher und gibt Duschkopf-Tipps“, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Die Einsparpotentiale durch optimiertes Nutzerverhalten lägen nach ihren Angaben allerdings nur bei wenigen Prozent. „Was hingegen wirklich viel Energie spart, ist die Sanierung von Gebäuden, ist die Wärmewende“, erklärte Metz. Dazu braucht es aber keine Appelle, „sondern starke staatliche Vorgaben und mehr Förderung“. Benötigt werde ein sofortiges Einbauverbot für Gasheizungen im Neubau und ab 2024 im Bestand, eine schnellstmögliche Anhebung der Effizienzstandards im Gebäudeenergiegesetz sowie die Einführung von Mindesteffizienzstandards.
Das Wirtschaftsministerium will sich derweil auch selbst an der Aktion beteiligen. So sollen die Klimaanlagen im Ministerium weniger kühl eingestellt werden – die so genannte Raumsolltemperatur wird auf 26 Grad hochgestellt.