Eines vorweg: Es gibt kaum einen dümmeren Trend, als das Geläster über „alte weiße Männer“. Wer über sie herzieht, ist selbst zu beschränkt, um die Expertise von Menschen mit jahrzehntelanger Berufs- und Lebenserfahrung zu würdigen – unabhängig davon, ob man die jeweiligen Positionen teilt.
Und ja, natürlich kommen manche Exemplare der Silberrücken etwas zu professoral daher. Und einige trauern offenkundig der früheren Chef-Position nach, die ihnen stets Gehör verschaffte – was außer Dienst nicht mehr automatisch so ist.
Vielleicht hatte Thomas Haldenwang genau davor Sorge, als der 64-Jährige auf das bevorstehende Ende seiner äußerst erfolgreichen Beamten-Karriere blickte. Sie hat ihn an die Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz geführt. Und ihn sicher auch im Ruhestand gut beschäftigt – Verwaltungshochschule Speyer, Keynote-Speaker, Autor, Berater, Senior Expert Service…
Stattdessen will er in den Bundestag. Für die CDU. Deren Parteizentrale in Berlin ist davon in etwa so begeistert, wie von Fußpilz. Doch das Adenauer Haus kann und wird nicht eingreifen, weil nun mal – innerparteiliche Demokratie – Wuppertal am Ruder ist. Die Entscheidung dort fällt am 30. November. Bislang teilt der Kreisverband Haldenwangs Instinktlosigkeit .
Hans-Georg Maaßen hat das ja schon mal vorgemacht
Der „taz“ sagte der frische gebackene Ex-Verfassungsschutzchef jetzt: „Mir geht es um die parlamentarische Arbeit. Ich strebe kein höheres Amt mehr an.“ Dabei könnte man meinen, Bundestagsabgeordneter sei ein höheres Amt. Erstaunlich, wie man mit dem Staatsverständnis eines Grottenolms an die Spitze einer Bundesbehörde gelangt ist. Wobei, sein Vorgänger Hans-Georg Maaßen hat das ja schon mal vorgemacht.
Der Verfassungsschutz ist nicht irgendein Bundesamt, es geht nicht um Bauwesen, Kartographie oder Strahlenschutz. Es ist der Inlandsgeheimdienst. Er verfolgt Verfassungsfeinde – und darf niemals, wie die Politische Polizei im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und erst recht unter den Nazis gegen politische Gegner instrumentalisiert werden.
Deshalb muss seine Leitung, mehr noch als alle anderen Staatsdiener, über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhaben sein. „Ich habe mein Amt immer neutral ausgeübt”, betont Haldenwang. Und tut mit seiner Kandidatur alles, um genau das in Zweifel zu ziehen. Es reicht der böse Anschein. Und natürlich kostet die AfD, die der Verfassungsschutz – zu Recht – im Visier hat, den nun genüsslich aus. Kaum vorstellbar, dass Haldenwang das nicht vorausgesehen hat.
Vertrauen in staatliche Institutionen wird untergraben
In den USA können wir seit Jahren live beobachten, wie das Vertrauen in staatliche Institutionen untergraben wird – mit dramatischen Folgen. Bei uns hat Thomas Haldenwang gerade die Schaufel in der Hand genommen.
Oder sehe ich das zu kritisch?
Dieser Text stammt aus dem neuen Morgennewsletter FOCUS Briefing . Sie können ihn hier abonnieren.