Öffentlich-Rechtliche

Endspiel für ARD und ZDF

22.10.2024
Lesedauer: 7 Minuten
Quelle: Montage: Infografik WELT/Jörn Baumgarten

Diese Woche wollen die Ministerpräsidenten der Länder über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entscheiden. Ein Entwurf wurde bereits heftig diskutiert – doch die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags wird zur größten Hürde. Eine Analyse.

Seit Jahren verweisen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten darauf, dass die Medienpolitik Entscheidungen treffen müsse, wenn denn eine grundlegende Reform von Auftrag und Struktur des Systems gewünscht sei. Die Medienpolitik, das sind die 16 Bundesländer und deren Ministerpräsidenten, die in der Rundfunkkommission organisiert sind. Die haben eine spürbare Reform bisher nicht hinbekommen. Einerseits, weil sie unterschiedliche inhaltliche Interessen haben, andererseits, weil sie das gemeinsame Interesse haben, dass in ihren Bundesländern bzw. ihren Landesrundfunkanstalten möglichst wenig gespart wird.

Die Anstalten selbst sind zu echten, auf die Zukunft ausgerichteten Reformen nicht in der Lage. Sie können es nicht und sie wollen es auch nicht. Zumindest die Mehrheit der Intendanten wollten in der Vergangenheit den Status quo wahren und auf so wenig verzichten wie nur irgendwie möglich – bei gleichzeitiger Investition in neue digitale Formate und Verbreitungen.

Wenn es hochkommt, sollten unter anderem ein Viertel der rund 800 (!) Social-Media-Kanäle bei der ARD gestrichen werden. Die Gründung sogenannter ARD-Kompetenzcenter für bestimmte Themenfelder wie Gesundheit, Verbraucher und Klima, die dafür sorgen sollen, dass nicht in allen neun Landesrundfunkanstalten ähnliche Beiträge produziert werden, war da schon eine ziemlich gute Idee. Aber das reicht natürlich nicht.

Aber, so fragt sich: wozu soll es denn reichen? Geht es nach den Medienpolitikern, sollen Einsparungen dazu führen, dass der Rundfunkbeitrag auf Dauer zumindest gleich bleibt und nicht erhöht werden muss. Um das zu erreichen, sind sie seit etwa einem Jahr aus ihrem Lethargie-Modus gekommen, haben einen Zukunftsrat eingesetzt (dessen Empfehlungen sie allerdings nicht alle umsetzen wollen) und schließlich einen Reformstaatsvertrag entworfen, der nun während der Sitzung der Ministerpräsidenten zwischen dem 23. und 25. Oktober in Leipzig unterschrieben werden soll.

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Offiziell geht es natürlich nicht nur ums Sparen, sondern auch etwa um die Präzisierung des Auftrags mit der Verpflichtung, ein Programm für alle Bürger anzubieten. Das ist keine Nebensache. Doch ein beitragsfinanzierter Rundfunk, der alle Bürger erreicht, bedeutet nicht zwingend, mehr Inhalte auf mehr Kanälen anzubieten.

Jetzt liegt also dieser Reformentwurf vor – und die Rundfunkanstalten bzw. deren Intendanten kritisieren viele der dort festgelegten Änderungsvorschläge. Das ist ihr gutes Recht (und aus ihrer Sicht strategisch wahrscheinlich sogar richtig) – doch festzuhalten ist, dass die Anstalten, die eine nachhaltige Reform aus eigener Kraft nicht hinbekommen und den Ball in das Feld der Rundfunkkommission gelegt haben, deren Entwurf jetzt nach und nach ablehnen, stets mit dem direkten oder indirekten Verweis, dass diese oder jene Kürzungen oder Einschränkungen den Beitragszahlern nur schaden.

Wer an allem festhalten will, könnte irgendwann alles verlieren

Was soll gekürzt oder verändert werden? Viel diskutiert wird über die Spartenkanäle und hier vor allem 3sat, das mit Arte verschmelzen könnte. Über die Unterhaltungskanäle One und ZDFneo wird nicht so viel gesprochen. Es gibt tatsächlich kaum einen Grund, an ihnen festzuhalten. 16–20 Radiokanäle sollen gestrichen werden, es bleiben aber immer noch über 50. Solche Kürzungen schmerzten letztlich nur die Zuschauer und Zuhörer, sagt der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke. Worauf zu entgegnen wäre, dass ARD und ZDF selbstredend auf bestimmte lineare Angebote verzichten müssen, was selbstverständlich ein Verlust für eine Gruppe von Beitragszahlern ist. Aber wer an allem festhalten will, könnte irgendwann alles verlieren.

Hart gekämpft wird auch um die Frage der „Presseähnlichkeit“, hier sind Zeitungsangebote wie WELT befangen. Letztlich sollen die teilweise üppigen digitalen Textangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio so weit wie möglich heruntergefahren werden. Die Anstalten sagen, sie bräuchten auch diese Textangebote, um ihren Auftrag zu erfüllen – doch Text an sich soll nicht verboten werden, es geht um eine Reduzierung der Textmenge, sodass keine Konkurrenzsituation mit Verlagen entsteht.

Der ARD-Vorsitzende Gniffke hat den Verlagen kurz vor knapp eine „Selbstverpflichtung“ angeboten, um eine gesetzliche Regelung zu verhindern. Beispielsweise könnten öffentlich-rechtliche Netzangebote auf private Medien verlinken. Der Vorschlag wird vom Verlegerverband BDZV rundweg abgelehnt, dort will man die gesetzliche Fixierung des Verbots der Presseähnlichkeit, was im Übrigen seit etwa zehn Jahren ergebnislos diskutiert wird.

Weitere konfliktive Forderungen sind die Deckelung der Ausgaben für Sportrechte, ebenso die Deckelung von Gehältern, eine gemeinsame Onlineplattform von ARD und ZDF und natürlich überhaupt technologische Zusammenarbeit, innerhalb der ARD auch die Zusammenlegung administrativer Aufgaben. Letzteres ist selbstverständlich, für alle anderen Themen sollten sich Lösungen finden lassen.

Noch einmal: Natürlich wird den Beitragszahlern etwas weggenommen werden müssen. Es kommt nur darauf an, das wegzulassen, was nicht originär öffentlich-rechtlich ist, oder was doppelt und dreifach gemacht bzw. gesendet wird. Das Ziel darf nicht sein, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu demontieren, sondern ihn konzentrierter aufzustellen. Leider lässt sich in vielen Anstalten, die insgesamt mit rund zehn Milliarden Euro im Jahr ausgestattet sind, an vielen Stellen gar nicht sparen, ohne dass es zuerst ans Programm geht, man denke nur an die hohen Pensionsverpflichtungen als Teil der fixen Kosten.

Das Versäumnis, rechtzeitig schlanke Strukturen zu schaffen, rächt sich jetzt. Und trifft tatsächlich vor allem die Beitragszahler – die jetzt wiederum etwa von Kai Gniffke und Norbert Himmler, den Chefs von ARD und ZDF, gegen den Entwurf in Stellung gebracht werden, indem man ihnen sagt, dass die Politik ihnen etwas wegnehmen wolle.

Keine grundlegende Neuordnung

Dazu kommt, dass die Bundesländer sich nicht ganz einig sind. Auf den Reformentwurf konnten sie sich, kanalisiert durch die Rundfunkkommission, offenbar mehr oder weniger einigen. Der ist, auch das muss gesagt werden, angesichts der Beharrungskräfte des Systems, durchaus ambitioniert, aber eben auch nicht radikal, keine grundlegende Neuordnung.

Wie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) in einem Gutachten bereits festgestellt hat, lassen sich bei Umsetzung nicht kurzfristig Gelder einsparen, höchstens mittel- und langfristig. Es werden Kürzungen bei Sendern vorgeschlagen, aber beispielsweise keine Zusammenlegung von Landesrundfunkanstalten der ARD oder gar eine Fusion von ARD und ZDF. Es wird, wenn man so will, weiter am bestehenden System herumgedoktert. Das ist am Ende vermutlich Realpolitik, aber mehr eben auch nicht.

Eine Uneinigkeit der Länder besteht vor allem in Bezug auf die Anhebung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2025. Hier gibt es Länder, die eine von der KEF empfohlene Erhöhung um 58 Cent akzeptieren, weil der Betrag laut den Berechnungen nötig ist, um den Auftrag zu erfüllen. Das kann man glauben oder nicht, aber so ist nun mal der vorgeschriebene Prozess – komplexe (und unübersichtliche) Systeme verschlingen viel Geld und steigende Kosten schlagen entsprechend zu Buche.

Und da gibt es Länder, die eine Erhöhung keinesfalls mittragen wollen, weil sie das den Bürgern bereits versprochen haben. Und dann gibt es ein Bundesland, Hamburg, das laut seinem Medien- und Kultursenator Carsten Brosda die Reform nicht mittragen will, wenn der Rundfunkbeitrag nicht erhöht wird.

Es gibt jetzt drei wichtige Szenarien. Der Reformstaatsvertrag und der Finanzierungsstaatsvertrag gehen beide durch (sehr unwahrscheinlich), dann erhöht sich der Beitrag und die durch die Reform möglichen Kürzungen bringen mittelfristig Entlastungen. Oder nur der Reformstaatsvertrag geht durch, ohne Beitragserhöhung. Dann werden die Rundfunkanstalten erneut vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um die Erhöhung durchsetzen zu lassen. Oder keiner der beiden Verträge geht durch, wenn die eine Zustimmung an die andere gekoppelt wird, wie Hamburg dies verlangt. Dann ist die Reform gescheitert und endgültig zappenduster.

Festzuhalten ist: Wenn die letztlich moderate Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausfällt, dann verliert das komplette System. Das bedeutet dann nicht, dass die Demokratie gerettet ist, weil es gelungen ist, jegliche Einsparung zu verhindern und die Erhöhung des Beitrags per Gerichtsbeschluss durchzusetzen. Das bedeutet dann, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der nächstbesten politischen Gelegenheit von seinen wirklichen Gegnern, die ihn komplett oder so weit wie möglich abschaffen wollen, auseinandergenommen wird.

Muss ja nicht so kommen? Nein, muss es nicht, aber das Risiko ist real. Wenn sich letztlich bestätigen sollte, dass weder Anstalten selbst noch die politischen Entscheider in der Lage sind, den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt zukunftsfähig aufzustellen, dann verfällt seine Legitimation vor den Augen der Zuschauer.

Christian Meier verfolgt die Reformdebatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk seit vielen Jahren – und fühlt sich, als wäre er in einer Zeitschleife gefangen.

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