Der Comedian Florian Schröder hält Ostdeutsche auch für Schneeflocken im Mund von Wessis und schlägt Migration nach Russland vor. Muss man sich Sorgen machen?
Langsam mache ich mir Sorgen. Um den Spiegel, um die Zeit, vor allem aber um die deutschen Comedians. Die westdeutschen, wenn ich ehrlich bin. Gerade ist der zweite Text von einem von ihnen erschienen, der sich wie eine Krankmeldung liest. Obwohl wieder „Satire“ drüber stand.
Der Text war von Florian Schröder und stand auf Spiegel-Online. Es ging um die Wahlen in Sachsen und Thüringen, für Schröder ein Anlass, auf die Wähler und überhaupt die Leute im Osten zu schimpfen. Warum nicht. So ein Wahlergebnis könnte großartiges Material für Comedians sein. Eine neue Partei, ein Land, das versucht, nicht in Angst zu erstarren, Koalitionsverhandlungen, die chaotisch werden dürften, der rechtsradikale Westfale Höcke, der sich zum Ostdeutschen erklärt und auf X dem Westen die Treuhand vorwirft – es ist wirklich alles dabei. In einer amerikanischen Late-Night-Show würden sie Sondersendungen damit füllen. In Deutschland hätte Harald Schmidt etwas draus machen können. Vor zwanzig Jahren. Klug, schnell und bösartig.
Keine Witze über Minderheiten – Ostdeutsche ausgenommen
Florian Schröder hingegen schreibt, die Ostdeutschen würden seit Jahren so sanft behandelt wie „Schneeflöckchen, die auf der Zunge der Wessis schmelzen“. Das ist der mit Abstand merkwürdigste Satz, den ich über Ostdeutsche je gelesen habe, und ich habe sehr viele Sätze über unsereins gelesen. Er ist leider auch ein bisschen unappetitlich. Warum liegen wir auf den Zungen von Westdeutschen, und was wird aus uns, wenn wir geschmolzen sind? Spucken sie uns aus?
Schröder nennt Ostdeutsche gleich darauf „Mondkälbchen, die nur Reiz und Reaktion kennen“. Ich musste das Wort nachschauen. Als Mondkälber wurden im späten Mittelalter Kälber mit Fehlbildungen bezeichnet, steht im Internet. Zum Glück hat Schröder nicht über eine andere Minderheit geschrieben, sondern nur über Ostdeutsche!
Auch Jan Böhmermann geht es nicht gut
Nachdem er diese sonderbare Passage fabriziert hatte, war Florian Schröder offenbar sehr erschöpft. Den Rest des Textes füllte er mit Sätzen, mit denen man jeden Ost-Hass-Text füllen kann. Vielleicht benutzte er auch Chat-GPT oder ein anderes KI-Programm. Das Programm warf aus: Pegida, frustrierte Männer, die keine Frau abbekommen, „Putin-Klatschvieh“ bei AfD und BSW, und ja, natürlich, Ostdeutsche sind mit der Freiheit überfordert. Am Ende stand, möglicherweise als Pointe, die Wähler im Osten könnten ja jetzt ihre „(Re-)Migration nach Ungarn oder Russland in Angriff nehmen“.
Mit solchen Sachen kann man doch als Comedian unmöglich seinen Lebensunterhalt verdienen. Das kann doch nicht reichen. Der Spiegel hat Schröder sicher kein Geld für diesen Text bezahlt, sondern ihm einen Gefallen tun wollen.
So wie die Redaktion der Zeit vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen, als sie einen sehr langen Text von Jan Böhmermann online stellte. Da ging es um Gräben, die aufgerissen werden müssten, zwischen den Menschen von gestern und von heute, um Eiswasser für Thüringer, und am Ende standen viele Forderungen oder Prognosen, ich habe es nicht wirklich verstanden. Eine lautete, dass Wärmepumpen spitze seien, eine andere, dass es „ganz, ganz finster“ werden würde in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Dazu fiel mir nur ein, dass ich das zwar in den letzten 35 Jahren schon unglaublich oft gelesen oder gehört habe, aber noch nie in einem so langen Text.
Ich dachte schon bei Böhmermann, dem Mann geht es nicht gut, da stimmt etwas nicht. Dann kam der Text von Schröder. Mir wurde klar, sie schaffen es nicht mal mehr, ordentliche Witze über uns zu machen. Witze, die wehtun, weil man weiß, dass ein bisschen was dran ist. Jetzt hat der Osten dem Westen auch noch die Comedians kaputt gemacht.