Holger Douglas

Die Sabotage in der Ostsee ist ein Anschlag auf den Industriestandort Deutschland

28.09.2022
Lesedauer: 5 Minuten
Foto: IMAGO / UPI Photo

Wer war es? Diese Frage muss derzeit offenbleiben. Wichtiger noch ist der Blick auf die Folgen. Mit diesem Anschlag wurden Fakten geschaffen, die so schnell nicht wieder aus der Welt zu bringen sind. Die Folgen beschädigen die energiehungrige Industrienation Deutschland anhaltend und nachhaltig.

Es sind eindrucksvolle Bilder, die dänische Militärflieger über der Ostsee gemacht haben: Heftig brodelt die Oberfläche, Gasblasen blubbern nach oben und lassen eine Vorstellung von den Mengen zu, die aus den zerstörten Gaspipelines strömen. Der gewaltige Blasenteppich auf der Ostsee soll einen Durchmesser in der Größe von rund einem Kilometer haben.

Der schwedische Seismologe Björn Lund sagte, es gebe keinen Zweifel, dass es sich um Sprengungen handele. Die Daten zeigten eindeutig, dass die Explosionen im Wasser und nicht im Gestein unter dem Meeresboden stattfanden. Kaum Zweifel bestehen also noch, dass es sich um eine Sabotageaktion handelt.

Offen ist – nach außen hin zumindest –, wer es war. Auch die Frage »Wem nützt es?« hilft im Augenblick nicht weiter – zu viele profitieren auf verschiedene Weise von der Zerstörung zweier wichtiger Gaspipelines nach Deutschland.

Dass amerikanische Kriegsschiffe durch die Ostsee kreuzen – geschenkt; dies tun auch russische und andere. Wer einen solchen Anschlag plant, schaltet auch nicht unbedingt sein Ortungssystem ein.

Die norwegische Petroleum Safety Authority hatte zu Beginn der Woche gewarnt, dass mehrere Drohnen unbekannter Herkunft in der Nähe von mindestens sechs Ölplattformen geflogen sind. Die könnten für Angriffe genutzt werden. Bemerkenswerterweise reagierte das norwegische Fischerei- und Meeresministerium mit der Ankündigung, Geheimdienstaktivitäten verstärkt bekämpfen zu wollen – auch auf See.

Laut Spiegel ging bereits vor Wochen ein Warnhinweis des US-Geheimdienstes CIA in Berlin ein. Die Vereinigten Staaten haben offenbar bereits im Sommer vor möglichen Anschlägen auf die Gaspipelines gewarnt.

Wichtiger ist der Blick auf die Folgen. Mit diesem Anschlag wurden Fakten geschaffen, die so schnell nicht wieder aus der Welt zu bringen sind. An eine Reparatur der Pipelines ist derzeit nicht zu denken; es steht noch nicht einmal fest, wer die unternehmen könnte. Die Betreibergesellschaft von Nord Stream 2 befindet sich in einem Konkursverfahren und ist handlungsunfähig.

Klar sind nur die dramatischen Folgen dieses Anschlages auf die Energieversorgung Deutschlands: Auf längere Zeit kann kein russisches Gas durch diese wichtige Pipeline mehr nach Deutschland strömen. Auch wenn beide Leitungen derzeit ohnehin nicht genutzt wurden: Bei dramatischer werdender Energieknappheit im tiefen Winter hätten sich in einem politischen Kuhhandel vielleicht Lösungsmöglichkeiten ergeben, zumindest eine Leitung wieder zu öffnen. Diese Möglichkeit gibt es bis auf Weiteres nicht mehr.

Dies beschädigt die energiehungrige Industrienation Deutschland gravierend. Bisher gibt es keinen Ersatz, um solche hohen Gasmengen zu liefern, wie sie allein durch Nord Stream 1 kamen. Schon gleich gar nicht zu so günstigen Preisen. Entscheidend sind jedoch für ein Industrieland verfügbare und vor allem preisgünstige Energiemengen. Erdgas sollte nicht zuletzt die notwendige Ausgleichsfunktion bei der sogenannten „Energiewende“ bilden, wenn Windräder mal wieder nichts liefern, weil Flaute ist.

Der Anschlag zeigt auch, wie verwundbar das System der Erdgaspipelines geworden ist, das mittlerweile quer durch Nord- und Ostsee verläuft. Hilflos erschienen die  Worte der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, die Lecks in den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 seien durch einen gezielten Angriff entstanden. Ja, sie drohte sogar, jede vorsätzliche Störung der aktiven europäischen Energieinfrastruktur sei inakzeptabel und werde zur stärkstmöglichen Reaktion führen.

Mehr ist aus Brüssel bislang nicht zu hören gewesen. Die zuständige EU-Kommissarin Johansson hatte noch im Juni bei der Verabschiedung der »Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen« getönt: »Die neue Richtlinie wird die Bereitstellung grundsätzlicher Dienstleistungen wie Energie, Verkehr, Wasser und Gesundheitsfürsorge sicherstellen und gleichzeitig die Auswirkungen natürlicher und vom Menschen verursachter Zwischenfälle minimieren.« Sie hatte vermutlich nur den vom Menschen verursachten Klimawandel im Blick, aber keine von Menschen verursachten Sprengstoffattentate.

Es zeigt sich erneut der Irrsinn der Energiewende-Politik: Andere Quellen wie Kohle und Kernkraft abschalten, auf Erdgas als sogenannte »Brückentechnologie« setzen und dann von einem Energie-Paradies mit Sonne und Windmühlen träumen. Dies alles untere heftigem Beifall der EU, die damit die dramatische Abhängigkeit von russischen Energielieferungen befeuert hat.

Erdgas ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit einem Anteil von 31,2 Prozent wichtigster Energieträger in der Industrie, 2019 deckten private Haushalte mit 41,2 Prozent den größten Teil ihres Bedarfes an Wohnenergie mit Erdgas. Zusätzlich kommen 13 Prozent des in Deutschland erzeugten Stromes aus mit Erdgas betriebenen Kraftwerken.

95 Prozent des Erdgases wurden in Deutschland importiert. Dabei spielte die Pipeline Nordstream 1 die wichtigste Rolle als Transporteur. Durch beide Rohre dieser Leitung wurde etwa so viel Erdgas gepumpt wie durch fast alle anderen Leitungen wie Jamal, Transgas, Europipe 1 und 2 aus Norwegen sowie Eynatten zusammen. Das macht die zentrale Bedeutung dieses Energiestranges deutlich – und führt gleichzeitig auch die gefährliche Abhängigkeit vor Augen, in die eine Bundesregierung nach der anderen, Schröder und Merkel ganz besonders,  Deutschland gesteuert hat.

Dieser Energiewende-Irrsinn erst hat die nicht dramatisch genug einzuschätzende Abhängigkeit von einer Energiequelle und einem wesentlichen Lieferanten möglich gemacht. Nicht umsonst galt zuvor als Handlungsmaxime ein Energiemix aus vielen unterschiedlichen Quellen und keine einseitige Abhängigkeit von einem Lieferanten.
Wie gefährlich diese einseitige Abhängigkeit und die zentrale Funktion des Erdgases als Energieträger ist, zeigt der Anschlag am Grunde der Ostsee.

Die Folgen dieses Anschlages auf den Industriestandort Deutschland werden katastrophal sein: Industrie und Gewerbe bekommen derzeit keine akzeptablen Angebote für Strom und Gaslieferungen mehr. Die sogenannte »Ersatzversorgung« ist bereits sehr teuer und wird noch teurer werden. Doch die meisten Unternehmen können die hohen Energiekosten kaum an ihre Kunden weitergeben. Versorger und Netzbetreiber bereiten sich gerade darauf vor, Vorauskasse zu verlangen und den Anschluss zu sperren, wenn die Unternehmen nicht fristgerecht zahlen.

Die Energieversorgung sicherstellen kann jetzt nur der Weiterbetrieb aller vorhandenen Kohle- und Kernkraftwerke – soweit nicht noch wesentliche Teile zerstört werden, wie zum Beispiel beim Kernkraftwerk Philippsburg oder dem abgerissenen Kernkraftwerk in Mühlheim-Kärlich geschehen.

Ein schneller Beginn der Förderung der eigenen Gasvorräte ist notwendig. Immerhin liegen unter Norddeutschland noch solche Gasmengen, die die Gaslieferungen aus Russland locker ausgleichen können. Deutschland könnte nach der Energiestudie 2013 der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe seinen derzeitigen Gasbedarf über ein Jahrzehnt lang vollständig decken. Oder muss erst, um Robert Habeck zu paraphrasieren, die Hütte vollständig abbrennen?

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