Franziska Zimmerer

Die neue Bescheidenheit der ARD

18.03.2024
Lesedauer: 3 Minuten
ARD-Vorsitzender Kai Gniffke, WELT-Autorin Franziska Zimmerer; Quelle: Kai Gniffke via Linkedin; Screenshot WELT; Martin U. K. Lengemann

Bei der ARD gibt man sich vernünftig und will sparen. Ein Viertel der Social-Media-Kanäle wird eingestampft. Bleiben immer noch 659 übrig. Kein Wunder, dass der Rundfunkbeitrag wieder steigen muss.

Kai Gniffke ist ein bescheidener Mann. Das zeigt der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant auf seinem LinkedIn-Kanal. Auf Reisen, beim Karneval, am Set einer Schlagersendung mit Andy Borg oder in seinem rollenden Dienstwagen-Home-Office hat er stets das Handy parat und fotografiert sich selbst. Kein perfektes Licht, das Hemd ein wenig verknittert, die Resthaare verstrubbelt.

Zu Beginn seiner Social-Media-Karriere wirkte das alles noch ein bisschen hilflos, fast so, als hätte ihm eine nicht ganz günstige Agentur eingeflüstert, dass Selfies „Unmittelbarkeit und Transparenz“ suggerieren. Inzwischen ist Gniffke geübt und scheint sich als moderner Medienmanager zu gefallen.

Kein Wunder, es gibt schließlich Aufklärungsbedarf und es braucht einen, der durchgreift: Die ARD steht nicht erst seit den Massagesitz-Enthüllungen um die ehemalige Rbb-Intendantin Patricia Schlesinger in der Kritik.

Deswegen ist die Transparenz-Initiative jetzt Chefsache, Gniffke postet kleine Texte mit Selfies auf seinem persönlichen Account, das Social-Media-Team der ARD kümmert sich anschließend um die Nutzer und reagiert unter Gniffkes Posts auf Kommentare.

Vor rund einem Jahr verkündete er auf LinkedIn: Es gebe Kostendruck, nach zweitägigen Beratungen wäre man zu dem Entschluss gekommen, dass es den Social-Media-Accounts der ARD an den Kragen gehe. Wie viele die ARD zu diesem Zeitpunkt hatte, schrieb er nicht. Dafür – so will es die Transparenz – schrieb er, man wolle zukünftig auf ein Viertel verzichten.

Jetzt gab die ARD auf Anfrage bekannt, dass man seitdem rund 140 Kanäle eingestellt habe, bleiben laut ARD-Angaben noch 659 Accounts übrig. Knapp 700 Accounts also – oder wie Gniffke es nennt: Ressourceneffizienz.

Allein sieben Accounts für die Tagesschau

Zum Verständnis: So ein Account betreibt sich nicht von allein, auf den sieben Tagesschau-Accounts werden zum Beispiel täglich mehrere eigens produzierte Videos und Infografiken gepostet. Man braucht Redakteure, Grafiker, Motion-Designer, Video-Produzenten, Kamera-Leute, Moderatoren. Diese 659 Auftritte müssen also von mehreren Tausend Mitarbeitern betreut werden. Wie viele es genau sind: Auch dazu schweigt die ARD.

Wer bei den 659 ARD-Accounts nicht fündig wird, kann sich übrigens bei den 90 Kanälen des ZDF umschauen. Schließlich sprechen Diät-Tipps für zu dicke Haustiere, auf Instagram aufbereitet von der WDR-Wissenschafts-Sendung Quarks, nicht jeden an. Außerdem, so sensibel sollte man an dieser Stelle sein, könnte dieses Fat-Shaming stigmatisierend für mehrgewichtige Miezen sein.

Für solcherlei Empfindlichkeiten sind übrigens die rund 100 Social-Media-Accounts von funk zuständig, das Jugendnetzwerks von ARD und ZDF. Dort werden jegliche individuelle Befindlichkeiten zu einem gesellschaftlichen Problem hochstilisiert, um dann dem bösen, unaufgeklärten Nutzer von einem Soziologen oder anderen Experten irgendeinen „-ismus“ zu attestieren.

Es ist also nicht überraschend, dass die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ neulich die Erhöhung des Rundbeitrags auf 18,94 Euro vorgeschlagen hat und Gniffke diese Erhöhung auch damit rechtfertigt, dass die ARD „mehr Angebot für junges Publikum“ machen solle.

Doch bei der Zahl von knapp 900 Accounts fragt man sich als braver Beitragszahler nur völlig entgeistert: Noch mehr Angebot?

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