Gunnar Schupelius – Mein Ärger

Die Forderung nach dem Kopftuchverbot an Schulen ist durchaus gerechtfertigt

18.07.2024
Lesedauer: 3 Minuten
Das Kopftuch gehört immer mehr zum Berliner Schulalltag. Viele Mädchen tragen es im Alter von unter 14 Jahren Foto: picture alliance / dpa

Das Kopftuch ist mehr als ein Kleidungsstück, es ist ein Statement für eine gesellschaftliche Ordnung, in dem Frauen nicht die gleichen Rechte genießen wie Männer.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes (TDF) hält das Kopftuch für eine „geschlechtsspezifische Diskriminierung“, das aus Gründen des Kinder- und Jugendschutzes an Kitas und Schulen verboten werden müsse, mindestens bis zum Alter von 14 Jahren. Zu diesem Schluss kommt die Organisation aufgrund einer Umfrage: Ein Fragenkatalog wurde an 4500 Bildungseinrichtungen in Deutschland, verschickt, 784 Lehrer, Sozialarbeiter und Erzieher antworteten, davon elf Prozent aus Berlin.

73 Prozent sind davon überzeugt, dass die Verschleierung des Kopfes die persönliche Entwicklung der Mädchen beeinträchtigt. 71 Prozent gaben an, dass sie Mädchen betreuen, die schon im Alter von unter 14 Jahren ein Kopftuch tragen. 56 Prozent dieser Mädchen nehmen nicht am Sport- oder Schwimmunterricht teil, 52 Prozent nicht an Klassenfahrten. Sie werden von ihrer Familie bewusst von der Gemeinschaft isoliert.

Die Pädagogen berichten, dass Mädchen ohne Kopftuch von muslimischen Klassenkameraden gedrängt werden, auch eins aufzusetzen.

Terre des Femmes ist eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation, die weltweit für die Rechte von Frauen und Mädchen kämpft und einen guten Ruf genießt. Die vorliegende Befragung ist ausführlich und in den Antworten eindeutig.  Darüber sollten wir reden. Aber nun tritt genau das ein, was die Bundesgeschäftsführerin von Terre des Femmes, Christa Stolle, schon zu ihren traurigen Erfahrungen zählt: „Wir bedauern sehr, dass die deutsche Gesellschaft und Politik die Debatte aus Angst vor dem Argument der Muslimfeindlichkeit heraus gar nicht zulassen möchte.“ 

Kopftuch als Lifestyle-Produkt gefeiert

Es geht sogar in die Gegenrichtung: In den sozialen Medien wird das Kopftuch als Lifestyle-Produkt gefeiert, als lustiges Accessoire. Das ZDF sendete EM-Spots mit Kopftuch, die Plattform Funk (ARD/ZDF) macht Witze über Kopftuchkritiker und beschäftigt demonstrativ Redakteurinnen mit Kopftuch.

Das Kopftuch wird irgendwo zwischen „nur ein Kleidungsstück“ und „Recht auf Selbstbestimmung“ verortet. Das ist absurd. Nur ein Kleidungsstück ist es dann nicht, wenn es provokative Kraft entfaltet. Es trägt doch in muslimischen Familien nie der Vater, nie der Onkel und nie das Baby ein Kopftuch.

Es sind Mädchen und Frauen, die es tragen oder tragen müssen, es sind Mädchen und Frauen, die verprügelt werden, wenn sie es nicht tragen. Im Iran sterben Frauen für das Recht, die Kopfbedeckung nicht tragen zu müssen. Es lässt sich nicht bestreiten, dass mit dem Tragen des Kopftuches eine eindeutige Aussage verbunden ist, was das Verhältnis der Geschlechter angeht. Diese Symbolwirkung ist zutiefst verstörend.

Wir sind sonst äußerst empfindlich für alle Symbole, die radikale Positionen andeuten. Warum also reduzieren wir das Kopftuch auf ein Kleidungsstück? Wenn es nur das wäre, dann wäre es zumutbar, dieses Kleidungsstück abzulegen. Wenn es aber nicht nur ein Kleidungsstück ist, dann lasst uns darüber sprechen, ob die mit dem Kopftuch verbundenen Regeln in eine freie Gesellschaft gehören. 

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de

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