Hugo Müller-Vogg

Die Abrechnung eines Managers mit den „Weltenrettern“ sollte uns zu denken geben

18.04.2023
Lesedauer: 4 Minuten
Gelände der Firma BASF in Ludwighafen am Rhein, Rheinland-Pfalz. Foto: imago/imagebroker

Volkswagen, BASF, Bayer: Die Zeichen einer schleichenden Deindustrialisierung in Deutschland sind unübersehbar. Kein Wunder: Wer den Klimaschutz über alles stellt, nimmt den Niedergang des Wirtschaftsstandorts Deutschland in Kauf.

Der Liedermacher Gunter Gabriel ist nicht als ökonomischer Vordenker bekannt. Aber sein Song „Ohne Moos nichts los“ ist von zeitloser Aktualität. Das müssten selbst die grünen Weltverbesserer einsehen. Die meinen, am deutschen Klimawesen sollte die Welt genesen. Aber so einfach ist das nicht.

Wer den Klimaschutz über alles stellt, nimmt mit der daraus folgenden Gebots- und Verbotspolitik den Niedergang des Wirtschaftsstandorts Deutschland in Kauf. Wenn aber Unternehmen abwandern, wenn Investitionen im Ausland getätigt werden und nicht mehr hierzulande, dann fehlen dem Staat Steuereinnahmen. Doch nur ein finanzkräftiger Staat kann die notwendige Transformation der Wirtschaft voranbringen.

Ein Manager und seine Abrechnung mit den „ideologischen Weltenrettern“

Gunther Kegel, erfolgreicher Manager und Präsident des Elektrotechnik-Verbandes ZVEI, hat jetzt in der „Welt“ vor einer gefährlichen Deindustrialisierung gewarnt. Seine Prognose ist düster: „Es werden kaum neue Fabriken gebaut, in bestehende wird nicht ausreichend investiert und mit den kriegsbedingt stark gestiegenen Energiepreisen droht nun auch noch ein schneller Abschied vieler Unternehmen aus den energieintensiven Branchen.“

Wenn große Konzerne ihre Produktion teilweise ins Ausland verlagern, betrifft das zwangsläufig auch mittelständische Zulieferer und Dienstleister. Der ZVEI-Präsident befürchtet deshalb den Verlust besonders gut bezahlter, versicherungspflichtiger Job und damit einen „massiven Wohlstandsverlust“.

Ohne die Grünen explizit zu nennen, spricht Kegel von „Kräften, die sich darüber sogar freuen und einzelne Industriezweige extra kaputtgehen lassen wollen, um etwas Neues zu schaffen und die zweifellos nötige Transformation in Richtung Klimaneutralität in einer kaum zu schaffenden Art und Weise beschleunigen wollen. Das sind ideologische Weltenretter, die aller Welt zeigen und vormachen wollen, wie die Industrie in Zukunft auszusehen hat.“

Volkswagen, BASF, Bayer: Zeichen einer schleichenden Deindustrialisierung sind unübersehbar

Der Vorwurf des Managers an die Politik: Dort scheine es vorrangig ums Verhindern zu gehen statt ums Machen. „Da kann man noch so ausgiebig vom neuen Deutschland-Tempo sprechen. In der Praxis angekommen ist davon praktisch nichts. Wir regulieren uns immer noch zu Tode.“

Neben weniger Regulierung und Bürokratie plädiert Kegel für schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und vor allem für „einen wettbewerbsfähigen Strompreis für alle“. Der helfe der Industrie bei der Dekarbonisierung, aber auch beim Erreichen der Klimaziele im privaten Bereich. Kegels These: „Wenn Strom billig genug ist, bauen die Menschen freiwillig eine Wärmepumpe ein, auch ohne Gasheizungsverbot. Und sie kaufen dann auch Elektroautos statt Verbrenner.“

Das Bild, das der Verbandspräsident vom Standort Deutschland zeichnet, ist düster, aber nicht unrealistisch. Denn die Zeichen einer schleichenden Deindustrialisierung sind unübersehbar.

  • Für zwei Milliarden Dollar baut der Volkswagenkonzern in den USA eine Fertigungsstätte für Elektrofahrzeuge.
  • Der Chemiekonzern BASF verlagert Teile seiner Produktion ins Ausland.
  • Bayer baut seine Pharmaforschung aus – in den USA.
  • Der Impfstoff-Pionier Biontech , eine der großen Erfolgsgeschichten der letzten Jahre, hat sich für Großbritannien als Standort für den Ausbau der Krebsforschung entschieden. Und, und und …

Ohne Moos nichts los – auch nicht beim Weltverbessern

Auch bei den Start-up-Unternehmen, den großen Konzernen von morgen, sieht es bei uns nicht allzu gut aus. Weltweit gibt es rund 1400 „Unicorns“; das sind junge Unternehmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar. Davon sitzen nach Angaben der Unternehmensberatung Bain & Company gerade einmal 34 in Deutschland, aber 711 in den USA. 

Gunter Kegel ist nicht der erste und nicht der einzige Wirtschaftsvertreter, der sich Sorgen um die deutsche Wirtschaft macht. Aus den anderen großen Wirtschaftsverbänden sich ähnliche Klagen und Warnungen zu hören. Das Positive daran: In der Wirtschaft hält man die Deindustrialisierung des Landes für eine große Gefahr, aber noch nicht für unabwendbar.

Die Zeichen stehen allerdings auf Sturm. Die Politik sollte sie nicht als das Jammern von Lobbyisten abtun. Und vor allem die grünen Weltverbesserer – mit und ohne Parteibuch – sollten sich bewusstwerden, dass Deutschland allein das Weltklima nicht retten, aber sehr wohl im Alleingang seine wirtschaftliche Basis schwächen kann. Denn: Ohne Moos nichts los – auch nicht beim Weltverbessern.

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