Florian Harms

Das Heizungsgesetz ist eine Luftnummer

08.09.2023
Lesedauer: 4 Minuten
Minister Habeck ist selbst nicht recht glücklich mit seinem Gesetz. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

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Der Bundestag macht ständig Gesetze, doch dieses ist außergewöhnlich, weil es den Alltag aller Bürger betrifft: Nach monatelangem Streit wollen die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP heute ihr Heizungsgesetz beschließen. Wenige politische Vorhaben haben so viel Verunsicherung und so viel Wut heraufbeschworen wie dieses Gesetz.

Seine Entstehungsgeschichte war eine politische Geisterbahnfahrt. Die verkorkste Planung in Robert Habecks Klimaministerium, die arglistige Kampagne der „Bild“-Zeitung, die fadenscheinigen Profilierungsversuche der FDP, der wochenlange Zoff in der Ampelkoalition, die giftige Stimmungsmache der AfD und schließlich Dutzende Nach- und Verschlimmbesserungen haben ein bürokratisches Monstrum erschaffen: Sage und schreibe 167 Seiten brauchten die Regierungsbeamten, um all die Paragrafen, Regelungen, Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen aufzuschreiben.

Das Ergebnis ist fatal: Statt Orientierung wird Wirrwarr gestiftet, in weiten Teilen der Bevölkerung herrscht Unsicherheit, was denn nun eigentlich gilt. Ich wette: Würden Sie heute auf der Straße einen x-beliebigen Bürger fragen, was in diesem Heizungsgesetz drinsteht, bekämen Sie keine klare Antwort.

Die Ausgangslage hingegen ist glasklar: Mehr als 30 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie fließt in das Heizen und Kühlen von Gebäuden, rund 115 Millionen Tonnen CO2. Sinkt diese gewaltige Menge nicht signifikant, verpasst Deutschland seine Klimaziele, zu denen es gesetzlich verpflichtet ist. Schon vor zweieinhalb Jahren hat das Bundesverfassungsgericht klipp und klar geurteilt, dass die Regierung viel mehr tun muss. Merkels Mannschaft war dazu nicht in der Lage; es brauchte erst das Ampelbündnis, um mit dem Klimaschutz Ernst zu machen.

Ich verschone Sie heute Morgen mit sämtlichen Details und notiere Ihnen nur den Kern des Gesetzes:

  • Ab dem 1. Januar 2024 dürfen in Neubauten nur noch Heizungen eingebaut werden, die sich zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betreiben lassen – also zum Beispiel Wärmepumpen, Holzpellets, Solar- oder Windstrom.
  • Grüner Wasserstoff darf es auch sein, doch der ist nur für Kraftwerke relevant. Dass er jemals in Gebäudeheizungen eingefüllt wird, worauf die FDP mit lautem Getöse bestanden hat, ist technisch gesehen Quatsch.
  • Bestehende Heizungen müssen keinesfalls sofort ausgetauscht werden. Es gelten Übergangsfristen für so ziemlich jeden denkbaren Einzelfall. Erst am 1. Januar 2045 – also in 21 Jahren – sollen alle Heizungen die Klimaschutzvorgabe erfüllen.
  • Der Staat fördert den Umbau mit großzügigen Zuschüssen für Vermieter. Mieter werden durch strikte Vorgaben vor überzogenen Mieterhöhungen geschützt.
  • Wer trotzdem nicht genug Geld für eine neue Heizung hat, kann einen Härtefallantrag stellen und sich von der Umbaupflicht befreien lassen.

Außerdem sind unzählige technische und organisatorische Vorschriften in dem Gesetz aufgelistet. Da ist von „Primärenergiefaktoren“, „Wärmedurchgangskoeffizienten“ und „Volumenströmen“ die Rede. Das Papier liest sich eher wie eine Packungsbeilage als wie ein Gesetz. Das klingt beispielsweise so:

„Wird die Luftdichtheit eines zu errichtenden Gebäudes vor seiner Fertigstellung nach DIN EN ISO 9972: 2018-12 Anhang NA überprüft, darf die gemessene Netto-Luftwechselrate bei der Ermittlung des Jahres-Primärenergiebedarfs nach § 20 Absatz 1 oder Absatz 2 und nach § 21 Absatz 1 und 2 nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 als Luftwechselrate in Ansatz gebracht werden. Bei der Überprüfung der Luftdichtheit sind die Messungen nach den Absätzen 2 bis 5 sowohl mit Über- als auch mit Unterdruck durchzuführen.“

Wer da noch durchblickt, braucht mindestens einen Meisterbrief oder zwei Doktortitel. Es kommt noch dicker: All die Vorschriften gelten nur dort, wo die jeweilige Kommune einen Wärmeplan erstellt hat. Der soll Hausbesitzern vor Ort erläutern, welche Heizmöglichkeiten überhaupt möglich sind – und auch künftig möglich bleiben. Denkbar ist, dass sich mancher Gemeinderat noch mal umentscheidet, was er denn nun gestattet und was nicht. Oder dass Pläne jahrelang hinausgezögert werden, weil es die jeweilige Partei im Rathaus mit der Umsetzung nicht ganz so eilig hat.

Deshalb werden in vielen Altbauten wohl noch lange klimaschädliche Heizungen laufen. Und falls bei der Bundestagswahl im übernächsten Jahr eine andere Koalition an die Macht kommt, dürfte alles noch mal umentschieden werden. CDU und CSU haben das schon angekündigt. Unterm Strich ist das Heizungsgesetz also leider eine Luftnummer.

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