Gunnar Schupelius

Das Bankgeheimnis wird still und heimlich immer weiter ausgehöhlt

02.08.2022
Lesedauer: 3 Minuten
Gläserner Bankkunde: Nach dem „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ werden heimlich immer mehr Konten und Depots durchleuchtet Foto: studio v-zwoelf - stock.adobe.co

Die Zahl der sogenannten „Kontenabrufverfahren“ nimmt rasant zu, der Staat späht die finanzielle Privatsphäre aus. Was als Abwehrmaßnahme gegen Terror und Geldwäsche gedacht war, wird immer mehr zum Instrument der Kontrolle der ganz normalen Bürger, meint Gunnar Schupelius.

Das Bankgeheimnis schützt die Privatsphäre der Kunden. Die Bank ist zu einer Art Berufsgeheimnis verpflichtet, ähnlich wie Anwälte oder Ärzte.

Vor 17 Jahren wurde das Bankgeheimnis in Deutschland in einem entscheidenden Punkt aufgehoben: Am 1. April 2005 trat das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ in Kraft.

Seitdem müssen Kreditinstitute über Konten, Depots und Schließfächer Auskunft geben, wenn die Finanzämter oder Sozialbehörden danach verlangen.

Es handelt sich um einen automatisierten Zugriff auf das Privatkonto, der ohne Wissen des Kontoinhabers erfolgt, im Behördendeutsch auch „Kontoabrufverfahren“ genannt.

Anfangs hieß es, diesen Zugriff werde es natürlich nur geben, wenn eine akute Gefahr abgewendet werden müsse, etwa beim Verdacht auf organisierte Kriminalität, Geldwäsche und Terrorismus.

Doch der Zugriff wurde keineswegs nur in schweren Fällen erlaubt, sondern immer häufiger auch bei harmlosem Anfangsverdacht. 2014 erhielten auch Gerichtsvollzieher, Jobcenter und alle anderen Sozialbehörden die Möglichkeit der heimlichen Konteneinsicht. 2016 wurde die Bagatellgrenze von 500 Euro abgeschafft.

Im Lauf der Jahre nahm die Zahl der Kontenabrufverfahren rasant zu. Das wird aus der Antwort der Bundesregierung vom 11. Juli auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag erkennbar.

Demnach hat das Bundeszentralamt für Steuern im vergangenen Jahr 1,14 Millionen Mal die Kontodaten von Bundesbürgern abgefragt. 2015 waren es noch 302.000 und 2017 schon knapp 700.000 Abrufe.

Fragen der Sicherheit spielen beim Zugriff auf die Konten kaum noch eine Rolle. So war bei den 1,4 Millionen Abrufen vom Jahr 2021 die Polizei nur 800-mal und der Verfassungsschutz sogar nur 191-mal vertreten. Den Löwenanteil der Überprüfungen teilten sich die Gerichtsvollzieher, gefolgt von den Finanz- und Sozialbehörden.

Auf die Frage des Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz, ob diese Kontrollwut angemessen sei, antwortete die Bundesregierung, sie halte „die Kontenabrufverfahren für ein effizientes und erfolgreiches Mittel, um Steuern und Sozialleistungen gleichmäßig festzusetzen und zu erheben sowie einem Betrug vorzubeugen.“

Hier ist gar nicht mehr von schweren Straftaten die Rede. Jetzt geht es nur noch um die Kontrolle der ganz normalen Bürger, denen man nicht vertraut, deren Konten man deshalb ausspäht.

Das kann man für richtig halten. Doch wurde der gläserne Bankkunde durch die Hintertür eingeführt. Heimlich, still und leise betraten die Behörden die finanzielle Privatsphäre, die einstmals geschützt war.

Der Staat muss Betrug und Verbrechen bekämpfen, aber auch die Bürgerrechte schützen, zu denen das Bankgeheimnis gehört. Die Bürgerrechte rücken in den Hintergrund. Die totale Kontrolle ist das Ziel.

Hat Gunnar Schupelius recht? Rufen Sie an: 030/2591 73153, oder Mail: gunnar.schupelius@axelspringer.de

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