Jan Böhmermann hat der Deutschen Presse-Agentur ein langes Interview gegeben. In der Causa Schönbohm sind ihm Selbstzweifel fremd. Das ist ein Fehler. Ein Kommentar.
Jan Böhmermann hat der Deutschen Presse-Agentur (dpa) ein langes Interview gegeben. In diesem Interview verteidigt er seine mittlerweile hoch umstrittene Sendung im „ZDF Magazin Royale“, die sich gegen den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm richtet (sie ist immer noch in ungekürzter Fassung online zu finden).
Schönbohm wurde in der Sendung vom 7. Oktober 2022 eine verfassungsfeindliche Russlandnähe vorgeworfen. Ein Auftritt Schönbohms beim Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., dem Verbindungen zu russischen Geheimdiensten nachgesagt werden, wurde besonders scharf kritisiert. Wenige Tage später nach der Böhmermann-Sendung warf Bundesinnenministerin Nancy Faeser Schönbohm aus seinem Amt. Sie behauptete, er sei ungeeignet für den hochsensiblen Job. Der Tagesspiegel schrieb in diesem Jahr, dass sich die Vorwürfe aber als falsch erwiesen hätten. Schönbohm wurde zu Unrecht angeklagt.
Und Böhmermann? Der streitet jegliche Verantwortung ab, obwohl Schönbohm Schadensersatz vom ZDF und vom Innenministerium fordert wegen Rufmords und Mobbings. Im aktuellen dpa-Interview zeigt Böhmermann, der zweifelsohne ein begnadeter Comedian und Podcaster ist, keine Spur von Reue oder Selbstkritik. Auf die Frage „Finden Sie es richtig, dass Schönbohm gehen musste?“ antwortet Böhmermann: „Wir (das „ZDF Magazin Royale“-Team, Anm. d. Red.) sind weiterhin der Überzeugung, dass es begründete Zweifel an seiner Kompetenz gab und gibt. Unsere Recherche steht – und nein, wir haben keine falschen Behauptungen oder unwahre Vorwürfe erhoben. Unsere Recherche ist nicht inhaltlich widerlegt worden oder auch nur presserechtlich zu beanstanden. Man kann sich fragen, ob das Bundesinnenministerium mit seiner Abberufung richtig gehandelt hat. Aber das müssen doch andere beantworten, nicht wir.“
Das Gericht heißt Böhmermann
Die Recherche ist nicht inhaltlich widerlegt worden? So ganz stimmt das nicht. Wenige Tage nach der Böhmermann-Sendung im Jahr 2022 veröffentlichte der Spiegel eine große Recherche, die das Gegenteil beweist. Schönbohm sei unschuldig, Böhmermanns Kritik übertrieben. In dem Spiegel-Text heißt es: „Doch fürs Erste bleibt von den konkreten Vorwürfen gegen ihn (Schönbohm, Anm. d. Red.) wenig übrig. Sein Auftritt beim Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. jedenfalls wirkt als Entlassungsgrund etwas dünn, so unangemessen er aufgrund der nie ausgeräumten Vorwürfe gegen den Verein und dessen Vorsitzenden auch gewesen sein mag.“ Auch Sascha Lobo kritisierte Böhmermann. Mittlerweile schreiben die größten seriösen Blätter des Landes, dass alle Fakten dafür sprechen, dass Schönbohm unschuldig sei. Sein umstrittener Auftritt beim Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. sei von der Ampelkoalition genehmigt worden, so der Spiegel. Die nächsten Wochen werden sicher weitere Erkenntnisse ans Licht bringen.
Warum ist bei Böhmermann aber keine Spur von Selbstzweifel zu finden? Wie kann er sich nur so sicher sein, dass seine Recherchen richtig waren, obwohl Schönbohms Unschuld selbst seriöse Blätter wie der Spiegel nahelegen? Es scheint fast so zu sein, als würde Böhmermann sich festgebissen haben. Seine Verteidigung ist die Attacke. Dabei scheint er als linker Comedian nicht zu erkennen, dass seine Strategien in Wahrheit weder links noch aufklärerisch sind, sondern drakonische Techniken reproduzieren, die einem zivilen Diskurs widersprechen.
Böhmermann sollte ins Kino gehen und sich den neuen Film „Oppenheimer“ von Christopher Nolan ansehen. Dort wird gezeigt, wie der Naturwissenschaftler Robert Oppenheimer, den nach dem Zweiten Weltkrieg Gewissensbisse wegen der Entwicklung der Atombombe plagten und der sich für eine entmilitarisierte Welt einsetzte, in der konservativen McCarthy-Ära plötzlich als sowjetischer Spion mit Moskaunähe gebrandmarkt wurde. Bertolt Brecht musste sich ähnliche Anschuldigungen anhören. Und nun scheint es so zu sein, als würde Schönbohm eine ähnliche Diffamierung erleben. Das Gericht ist aber nicht McCarthy. Das Gericht heißt nun Böhmermann.
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