Gunnar Schupelius – Mein Ärger

Bekommen wir jetzt die Witz-Polizei?

17.11.2024
Lesedauer: 3 Minuten
Er machte einen Witz und hatte dafür die Kripo im haus: Stefan Niehoff aus Burgpreppach bei Bamberg zeigt den Durchsuchungsbeschluss Foto: NEWS5

Berlin – Der pensionierte Bundeswehrsoldat Stefan Niehoff (64) aus Burgpreppach bei Bamberg nannte Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) im Internet einen „Schwachkopf“ – und bekam darum Besuch von der Kriminalpolizei.

Am 12. November um 6.15 klingelten die Beamten mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss an dem Haus, in dem Niehoff mit Frau Daniela (61) und Tochter Alexandra (33) wohnt. Sie beschlagnahmten seinen Tablet-Computer.

Wegen des Verdachts der Beleidigung „einer Person des politischen Lebens“ (§§ 185, 188 Abs. 1, 194 Strafgesetzbuch) ermittelt Staatsanwalt Alexander Baum. Niehoff hatte einen Post retweetet, der den Werbeauftritt der Kosmetik-Firma Schwarzkopf mit dem Foto von Habeck versah und den Schriftzug „Schwarzkopf Professional“ in „Schwachkopf Professional“ abwandelte.

Das mag man kleinlich finden, aber es ist sein gutes Recht. Erschrecken muss die Reaktion von Staatsanwalt und Richter. Das Verfahren hätte wegen Geringfügigkeit eingestellt werden können. Niehoff hatte einen Witz gemacht, lächerlich. Staatsanwalt Baum griff stattdessen zum alleräußersten Mittel: einer Wohnungsdurchsuchung. Der Richter folgte ihm in seiner vollkommen unverhältnismäßigen Entscheidung.

Für eine Lappalie setzten die beiden Grundrechte außer Kraft. Die Hürde für das Eindringen der Staatsmacht in die Privatwohnung des Bürgers wurde nach den Erfahrungen der NS-Zeit bewusst sehr hoch gelegt.

Im Grundgesetz 13 (1) heißt es: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Und in Absatz 7: „Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder eine Lebensgefahr für einzelne Personen“ oder „zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (…) vorgenommen werden“.

Lebensgefahr, Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung – nichts davon war gegeben im Falle von Stefan Niehoff und seinem Schwachkopf-Post. Warum wurde der grundgesetzlich garantierte Schutz der Privatsphäre dennoch aufgehoben?

Staatsanwalt Baum behauptet, er ermittle auch noch wegen Volksverhetzung gegen Niehoff. Der hatte in einem früheren Post Boykottaufrufe gegen Müller-Milch mit dem Boykott jüdischer Geschäfte 1933 durch die Nationalsozialisten verglichen. Ein hinkender Vergleich und ein unpassender, aber Volksverhetzung?

Richter und Staatsanwalt haben offenbar die Verhältnismäßigkeit der Mittel aus den Augen verloren. Begonnen hat genau das im Lockdown 2020 bis 2022: Grundrechte wurden aus nichtigem Anlass leichtfertig eingeschränkt, jeder noch so kleine Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz mit äußerster Härte verfolgt.

Die Polizei drang in Privatwohnungen ein, wenn sich dort mehr Menschen aufhielten als erlaubt. Das Ordnungsamt verjagte Menschen von der Parkbank. Dabei ging es nicht um die „Abwehr einer gemeinen Gefahr“, wie das Grundgesetz verlangt. Es war Pedanterie, mit der man die Grundrechte beiseite räumte.

Und das war der Dammbruch. Jetzt genügt ein Witz im Netz – und schon wird die Unverletzlichkeit der Wohnung mit Füßen getreten. Das ist ein Anschlag auf die bürgerliche Freiheit: Der Fall gehört vor das Bundesverfassungsgericht.

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de

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