Gabor Steingart

Ausgaben-Orgie der Ampel: Deutschland droht das gleiche Inflations-Chaos wie den USA

15.06.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Belgien, Brüssel: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), steht neben US-Präsident Joe Biden vor Beginn des Treffens der G7 Staaten im Nato Hauptquartier. Foto: Foto: Michael Kappeler/dpa-pool/dpa

Die Inflation steigt weiter an. Ein zentraler Grund dafür ist auch die enorme Schuldenpolitik der Regierung. Wohin das führen kann, lässt sich bereits in den USA erkennen.

In Amerika sind sich die führenden Ökonomen des Landes – darunter Ex-Finanzminister Larry Summers – einig, dass die Politik von Joe Biden für die beschleunigte Geldentwertung mitverantwortlich ist. Andere haben zwar die explosiven Bedingungen geschaffen, aber Biden hat die Initialzündung ausgelöst.

Eine bereits überhitzte Volkswirtschaft, die nach Jahren der Geldflutung unter einer akuten Blasenbildung auf dem Immobilien- und Aktienmarkt litt, wurde mit geliehenem Staatsgeld noch einmal zum Äußersten getrieben. Das war der eine Stimulus zu viel.

Zur Erinnerung: Im März 2021, kurz nach seiner Amtsübernahme im Weißen Haus, ließ Biden ein Konjunkturprogramm in Höhe von 1,9 Billionen Dollar verabschieden. Er wollte die Post-COVID-Stimmung vertreiben. Das war der doppelte Obama. Der Vorgänger wollte 2008 das Post-Lehman-Trauma mit 840 Milliarden Dollar therapieren.

Biden entschied sich trotz Inflations-Risiko für „going big“

Konservative Ökonomen warnten Biden, dieses monetäre Überangebot könnte sich angesichts des ohnehin vorhandenen Geldüberhangs in höheren Preisen entladen. Doch die Biden-Regierung entschied sich für ein „going big“ und hatte damit auf dem Arbeitsmarkt einen viel beachteten Erfolg: Seit Januar 2021 wurden in den USA neun Millionen zusätzliche Jobs geschaffen. Die COVID-Rezession hatte man dadurch vermieden.

Aber zugleich unterschätzte man die Inflation. Finanzministerin Janet Yellen nannte das Inflationsrisiko „small and manageable“. Auch Monate nach der Verabschiedung des größten Konjunkturprogramms der US-Geschichte blieb sie dabei:

„Ich gehe nicht davon aus, dass die Inflation ein Problem wird.“

Es kam deutlich anders. Die Gallone Benzin, die vor zwei Jahren noch rund 2,20 Dollar kostete, hat zum ersten Mal in der US-Geschichte die magische 5-Dollar-Grenze durchbrochen. Die Amerikaner empfinden diese Preise nicht als Inflation, sondern als Freiheitsberaubung. Im Interview mit CNN’s Wolf Blitzer räumte Yellen jetzt erstmals ein:

„I was wrong then about the path that inflation would take.“

Mittlerweile beträgt die Rate der Geldentwertung 8,6 Prozent, die höchste Zahl seit mehr als 40 Jahren. Zynisch könnte man den Sachverhalt so zusammenfassen: Die Menschen haben Arbeit, aber kein Geld. Sie können tanken, nur nicht voll. Den Demokraten droht bei den Novemberwahlen eine schwere Schlappe.

Inflation: Auch in Deutschland wird die Regierung zum Preis-Treiber

Womit wir in Deutschland wären. Auch hierzulande führt die Inflation mittlerweile die Hitparade der Ängste an. Doch wichtige Teile der Regierung – und darin liegt der Unterschied – machen keinerlei Anstalten, ihre Verantwortung aufzuarbeiten. Im Gegenteil: Auf vielfältige Weise verschärft die Ampel-Koalition das Problem und betätigt sich weiter als Inflationstreiber:

  • Das Geld wird nicht knapp gehalten, sondern künstlich vermehrt. Die Staatsverschuldung soll allein in diesem Jahr um 99,7 Milliarden Euro steigen. Vom Kanzler gehen keinerlei Impulse für eine den Preisauftrieb dämpfende Politik aus. Man hat das Gefühl: Es ist seine „Zeitenwende“ und unsere Inflation.
  • Die Ampelkoalition besitzt keine klare Prioritätenliste. Sie will die Kriegsfolgen, den Klimawandel, die lausige Ausstattung der Bundeswehr und die Preissteigerung gleichzeitig bekämpfen, weshalb sie in wilder Verwirrung Tankgutscheine, Bahntickets, Rüstungsaufträge und Subventionen für jedermann verteilt.
  • Damit schafft sie exakt jenen finanziellen Überwälzungsspielraum, den die Mineralölkonzerne und andere Unternehmen zu nutzen wissen. Ein Wettlauf um die dreisteste Preiserhöhung hat begonnen. Eine Profit-Preisspirale ist in Gang gekommen, wie der IG Metall-Chef richtig sagt.
  • Die Rückkehr zu soliden Verhältnissen wird von der FDP propagiert und von den anderen Regierungspartnern ignoriert. Das ist die momentane Arbeitsteilung: Christian Lindner will in 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten und darf deshalb nur 7,5 Milliarden neue Schulden aufnehmen. Das interessiert im Bundeskabinett scheinbar niemanden. Auch der Kanzler trägt Spendierhosen.
  • Gegenüber den im März beschlossenen Eckwerten für den Haushalt 2023 summieren sich die neuen Forderungen der Koalitionäre auf 25 Milliarden Euro. Plus: Beim Energie- und Klimafonds – einem Sonderfonds im Bundesetat – will man bis zum Jahr 2026 einen Kredit finanzierten Nachschlag in Höhe von rund 72 Milliarden Euro durchsetzen. Um den Finanzminister weich zu klopfen, wird die Beschlussfassung über den Haushalt nun verschoben – Politik als Ponyhof.

Fazit: Ohne den Kanzler an seiner Seite kann der Finanzminister keinen Erfolg haben. Aber Scholz tänzelt. Er will fiskalisch seriös wirken, es aber nicht sein. Er hat Angst vor der Rezession und nimmt dafür die Inflation billigend in Kauf. Wenn er Pech hat, bekommt er am Ende beides.

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