Erst trat der US-Präsident mit anderthalb Stunden Verspätung vor die Presse, dann verhaspelte er sich mehrfach: Nach einem Spitzengespräch beim einstigen Kriegsgegner Vietnam zeigte sich Joe Biden erschöpft.
Mehr als anderthalb Stunden Verspätung bei einer Pressekonferenz – das ist selbst für US-Präsident Joe Biden ungewöhnlich. Biden hatte am Sonntag in Vietnam den Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Nguyen Phu Trong, getroffen – und der Termin dauerte nur etwas länger als geplant. Als der 80-jährige Biden dann später doch noch vor die Presse trat, versprach er sich häufig, sprach langsam und verstand die Fragen mehrfach nicht. Dafür machte er einen Ventilator verantwortlich.
Nach der Antwort auf die letzte geplante Frage sagte Biden: »Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich werde jetzt ins Bett gehen.« Als die Journalistinnen und Journalisten Fragen in den Raum riefen, sprach Biden weiter. Schließlich unterbrach ihn seine Pressesprecherin Karine Jean-Pierre förmlich und beendete den Termin. Einen Grund für die Verspätung gab das Weiße Haus zunächst nicht an. Biden war zuvor vom G20-Gipfel in Neu Delhi nach Vietnam gereist.
Biden ist der älteste US-Präsident der Geschichte und strebt eine zweite Amtszeit an. Sein Alter sorgt seit Längerem für Debatten. Konkurrenten aus den Reihen der Republikaner nutzen Patzer und kleinere Fehltritte regelmäßig, um seine mentale und körperliche Fitness infrage zu stellen.
USA erhalten seltenen Status
Bei seinem Kurzbesuch in Vietnam knüpft Biden angesichts der Spannungen mit China ein engeres Bündnis mit dem kommunistischen Land. Die einstigen Feinde werten ihre diplomatischen Beziehungen zu einer »strategischen Partnerschaft« auf, wie Biden und Trong am Sonntag in Hanoi bekannt gaben. Die Reise sei ein »historischer Moment«.
Die USA und Vietnam waren einst Gegner und haben erst 1995 die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen – 20 Jahre nach Ende des Vietnamkriegs. Die USA hatten während des Kriegs das verbündete Südvietnam gegen das kommunistische Nordvietnam unterstützt. Der Krieg endete mit dem Rückzug der Amerikaner und der Eroberung der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon durch die Nordvietnamesen und den Vietkong 1975.
Heute sind die Vereinigten Staaten nach China der wichtigste Handelspartner des Einparteienstaates. Offiziell verbindet beide Nationen seit 2013 eine »umfassende Partnerschaft«. Diese wurde nun hochgestuft auf eine »umfassende strategische Partnerschaft«, im Sprachgebrauch der vietnamesischen Führung stellt dies das höchste Niveau der Zusammenarbeit mit einem anderen Staat dar. Bisher hat Vietnam nur Russland, Indien, Südkorea und China diesen Status zuerkannt.
Hanoi und Washington schlossen zudem ein Abkommen zur Lieferung von Halbleitern und seltenen Erden. Im Text des Abkommens wird auf die »zentrale Rolle« verwiesen, die Vietnam beim Aufbau »robuster Lieferketten« spielen könne. Die USA wollen dadurch ihre Abhängigkeit von Erzeugnissen und Rohstoffen aus China verringern.
Der Staats- und Parteichef scherzt
Generalsekretär Nguyen Phu Trong empfing Biden in der Parteizentrale und sagte der mitreisenden Presse zufolge, dass Vietnam »ein Freund, ein zuverlässiger Partner und ein verantwortungsvolles Mitglied der internationalen Gemeinschaft« sei. Er scherzte außerdem und machte dem 80-jährigen Biden ein Kompliment: »Sie sind nicht einen Tag gealtert, und ich würde sagen, Sie sehen sogar noch besser aus als früher.«
Bei der folgenden Pressekonferenz machte Biden dann einen nicht ganz so fitten Eindruck. Er eröffnete die Sitzung schon mit den Worten, er sei »um die Welt in fünf Tagen gereist«. feb/dpa/AFP/AP