Durch fehlende Energie aus Wind und Sonne explodieren die deutschen Strompreise an der Börse. RWE-Chef Krebber ist besorgt, Elon Musk lästert über ihn.
Die Energiekrise, ausgelöst durch den Überfall Russlands auf die Ukraine, bleibt ein beherrschendes Thema in Deutschland. Vor allem die Industrie ächzt unter den gestiegenen Strompreisen – einer der vielen Gründe für die anhaltende Wirtschaftskrise. Doch nicht nur das fehlende billige russische Gas, sondern auch der Umstieg auf erneuerbare Energien wird teilweise zum Problem. Vor einigen Tagen sind die Strompreise an der Börse auf ein Rekordhoch von mehr als 800 Euro pro Megawattstunde explodiert, wie Daten der Bundesnetzagentur zeigten.
Am Abend des 6. November erlebte Deutschland durch ausbleibenden Strom aus Wind und Sonne eine sogenannte Dunkelflaute. Dadurch war der Börsenpreis zehnmal so hoch wie gewöhnlich – normalerweise lag er in den vergangenen Monaten zwischen 60 und 80 Euro. Nun ging er in die Hunderte RWE-Chef Markus Krebber äußerte sich am Donnerstag auf der Plattform LinkedIn verzweifelt zur Stromversorgung in Deutschland, die „an ihre Grenzen“ gerate. Die extrem hohen Strompreise bezeichnete er als „Warnschuss“. Tesla-Gründer Elon Musk, der auch der kommenden US-Regierung von Donald Trump als Berater angehören wird, machte sich daraufhin am Freitagabend bei X (ehemals Twitter) über ihn lustig und bezeichnete Krebber als „unerträglich peinlich“.
Er verliere „sofort Respekt gegenüber jedem, der etwas auf LinkedIn postet“, schreibt Musk. Er reagierte damit auf einen Beitrag des amerikanischen Energieexperten Mark Nelson, der darin erklärte, dass sich die Stromversorgung in Deutschland einem „kritischen Punkt“ nähere.
Defizit aus Angebot und Nachfrage: Bei wenig Wind steigen die Strompreise
Was ist da los mit der Energieversorgung in Deutschland? Eine Erklärung: Die Preise an der Strombörse schwanken je nach produzierter und nachgefragter Strommenge. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, bleibt auch der Strom aus Windrädern und Solaranlagen aus. In Stunden mit viel Wind und Sonne können die Preise an der Strombörse durch das große Angebot von Solaranlagen und Windrädern dadurch sogar negativ werden, in den Abendstunden wiederum entsprechend stark steigen. Da im November wenig Sonne scheint und zu Beginn des Monats kaum Wind wehte, die Menschen aufgrund der Kälte jedoch viel Energie nachfragen, kam es zu einem großen Defizit aus Angebot und Nachfrage – der Börsenpreis schoss direkt in die Höhe.
Deutschland musste deswegen seine kompletten Reserven aus wetterunabhängigen Kraftwerken nutzen und zusätzlich Strom aus dem Ausland importieren, um den Bedarf zu decken. Rund ein Fünftel der Stromleistung bezog Deutschland am 6. November aus anderen Ländern, wie Daten der Plattform Electricity Maps zeigen. Die meisten Stromkunden in Deutschland sind von solchen Preisschwankungen nicht betroffen, da sie feste Preise über einen längeren Vertragszeitraum haben. Einige Stromverbraucher und teilweise auch Unternehmen besitzen allerdings sogenannte dynamische Stromtarife, die von den Börsenpreisen abhängen. Diese sollten in solchen Situationen entsprechend aufpassen, damit die Stromrechnung nicht zu teuer wird.
RWE-Chef über Stromversorgung in Deutschland: „Haben keine Zeit mehr“
Solche Dunkelflauten seien etwas ganz Normales und würden immer wieder auftreten, so RWE-Chef Krebber in seinem Beitrag. „Wir müssen also vorbereitet sein, um die Stabilität des Systems insgesamt und die Stabilität des Preises im Speziellen zu gewährleisten.“ Denn diese sehr hohen Preise seien eine absolut sichere Indikation für den Zustand der Versorgungssicherheit in Deutschland. „Sie sind Ergebnis des zu knappen Angebots.“ An einem anderen Tag mit einer noch höheren Nachfrage, beispielsweise im Januar, wäre die Situation „nicht zu bewältigen gewesen“. Sind diese Preisschwankungen also nur negativ zu bewerten? Eine Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbands zeigte immerhin, dass dynamische Stromtarife sich für Haushalte durchaus lohnen können.
Noch fehlen in Deutschland die Speicherkapazitäten für Solar- und Windenergie, um in solchen Dunkelflauten ausreichend Strom an alle Verbraucher liefern zu können. Krebber dazu: „Wir tun in Deutschland seit Jahren so, als sei die Frage nach dem Zubau von gesicherter Leistung etwas, was sich aufschieben lässt.“ Tatsächlich steht das sogenannte Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG), welches die Versorgung bei wenig Wind und Sonne sichern soll, durch das Ampel-Aus auf der Kippe. Dabei sei schon heute sichtbar, was passiert, wenn man Leistung abschaltet und den Erneuerbaren kein Backup zur Seite stellt, so Krebber. „Wir haben keine Zeit mehr, ganz im Gegenteil. Die Zeit rennt und der Zubau drängt – nicht erst seit diesem Monat.“ Die Worte des CEOs von RWE verdeutlichen die Sorgen, die bei der Energiewende an vielen Ecken noch bestehen. Elon Musk scheint die deutsche Energiekrise derweil eher zu amüsieren.
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