Analyse

US-Raketen gegen Russland: Biden provoziert Trump und Scholz

18.11.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Amerikanische Langstreckenraketen wie das ATACMS (hier bei einem Test im Jahr 2021) darf die Ukraine jetzt mit dem Segen der US-Regierung gegen militärische Ziele in Russland einsetzen © John Hamilton / US-Verteidigungsministerium / AFP

Künftig darf die Ukraine US-Raketen mit großer Reichweite gegen Ziele in Russland einsetzen. Damit durchkreuzt Joe Biden die Pläne von Donald Trump auf ein schnelles Kriegsende.

Auf diesen Moment hatte der ukrainische Präsident monatelang hingearbeitet. Mit westlichen Langstreckenraketen will Wolodymyr Selenskyj militärische Ziele in Russland angreifen lassen, um dort Munitionslager und Drohnen zu zerstören. Damit will er die Lage für die ukrainischen Soldaten an der Front verbessern. Den „Krieg nach Russland tragen“ ist der wohl wichtigste Bestandteil in Selenskyjs „Siegesplan“, für den er seit Monaten bei den Verbündeten wirbt.

Nach langem Zögern kommt US-Präsident Joe Biden Selenskyjs Wunsch nun offenbar nach. Laut übereinstimmenden Medienberichten dürfen die Ukrainer US-Raketen künftig für Schläge innerhalb Russlands verwenden, konkret geht es um das „Army Tactical Missile System“. Bis zu 300 Kilometer weit können sogenannte ATACMS-Raketen fliegen, weit in russisches Gebiet hinein. Am Sonntagabend sagte Selenskyj in einer abendlichen Ansprache, dass Militärschläge „nicht mit Worten ausgeführt“ und „Raketen für sich selbst sprechen“ würden. Schon in den kommenden Tagen wird erwartet, dass die ukrainischen Streitkräfte mit den US-Raketen erste Ziele in Russland angreifen werden.

Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit ändert Joe Biden damit seine Ukraine-Strategie grundlegend. Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 hatte Biden zwei Dinge immer wieder betont: Erstens, dass keine US-Soldaten in der Ukraine zum Einsatz kommen würden, und zweitens, dass die Ukraine amerikanische Waffen fast ausschließlich in ihrem Territorium verwenden dürfe. Die russische Seite sprach am Sonntag wie schon häufig in der Vergangenheit von einer „Eskalation“, die zum dritten Weltkrieg führen könne.

Joe Biden durchkreuzt mit seiner ATACMS-Freigabe die Pläne für ein schnelles Kriegsende, das Donald Trump im Wahlkampf immer wieder versprochen hatte. Noch bevor er seinen Amtseid am 20. Januar leisten wird, sei der Krieg in der Ukraine Geschichte, schwor Trump wieder und wieder.

Trump-Lager wirft Joe Biden „Eskalation“ vor

Am Sonntag äußerte sich der gewählte Präsident nicht persönlich zu der Entscheidung von Biden. Sein Vertrauter Rick Grenell fand aber deutliche Worte. Niemand habe damit gerechnet, dass Biden den Krieg in der Ukraine während der Übergangsphase von der alten zur neuen Regierung „eskalieren“ würde, schrieb der frühere US-Botschafter in Deutschland bei X. „Das ist so, als ob er einen ganz neuen Krieg beginnen würde. Jetzt hat sich alles geändert.“

Vor einigen Wochen, noch vor seinem Wahlsieg, hatte Trump sich mit Selenskyj in New York getroffen. Richard Grenell gehörte damals zu den Wenigen, die bei dem Treffen dabei waren. Im Wahlkampf war spekuliert worden, dass Grenell Außenminister unter Trump werden könnte. Diese Position soll nun der Senator Marco Rubio übernehmen, Grenell ist als Sonderbeauftragter für den Ukraine-Russland-Krieg im Gespräch. Wenn er so drastische Worte zu Bidens Entscheidung findet, dürfte sich bei Trump die Begeisterung ebenfalls in Grenzen halten.

Auch auf den deutschen Bundeskanzler und seine Regierung kommen nun schwierige Tage zu. Olaf Scholz erklärte seit Februar 2022 immer wieder, Deutschland werde im „Gleichschritt“ mit den Vereinigten Staaten Waffensysteme und Munition an die Ukraine liefern. Als die Ukraine dringend Kampfpanzer benötigte, zierte sich der Kanzler so lange, bis auch Biden amerikanische Panzer zusicherte.

Umgekehrt stellt sich jetzt die Frage, ob auch Deutschland der Ukraine Raketen mit großer Reichweite bereitstellt, wenn die USA dies tun. Gilt die Scholz’sche Logik vom Gleichschritt weiterhin, müssten deutsche Taurus-Raketen ihren Weg in die Ukraine finden. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass Scholz seine Meinung im Wahlkampf ändert. Erst vergangenen Woche sagte er im Deutschen Bundestag, er sei „dagegen, dass mit den von uns gelieferten Waffen weit in russisches Gebiet hineingeschossen werden kann“. An seiner Weigerung, den Taurus zu liefern, werde er festhalten.

Lange Zeit stand Scholz fest an der Seite Bidens. Die Amtszeit des US-Präsidenten endet in etwas mehr als zwei Monaten. Olaf Scholz hingegen, der mit seiner SPD in den Umfragen weit abgeschlagen zurückliegt, möchte erneut Kanzler werden. Mit der Treue zum US-Präsidenten dürfte es nun vorbei sein.

Am Sonntag war der Kanzler zum G20-Gipfel nach Rio de Janeiro aufgebrochen. Dort wird er auch auf Joe Biden treffen. Die beiden haben einiges zu besprechen.

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