Zehn Monate nach seiner Gründung tobt beim BSW ein Machtkampf. Die Bundesspitze um Sahra Wagenknecht ist mit den Vereinbarungen des Thüringer Landesverbands für eine Koalition nicht einverstanden. Kommt es zur Spaltung?
Spätestens seit Montag hat Sahra Wagenknecht ein Problem, und das sind die Vertreter ihrer Partei in Thüringen. Von „Palastrevolution“ ist hinter vorgehaltener Hand die Rede. Mit Katja Wolf als Speerspitze eines Aufstands im Bündnis Sahra Wagenknecht gegen Sahra Wagenknecht.
Das BSW in Thüringen hat am Montag ein Papier vorgelegt, das in Sachen Außenpolitik eher vom BSW-Kurs abweicht und mehr auf die möglichen Koalitionspartner CDU und SPD zugeht. „Unterschiedliche Traditionen und Sichtweisen sind nicht etwa Hindernisse, sondern Treiber für neue politische Kreativität“, steht darin.
Und konkret zur geplanten Stationierung von amerikanischen Raketen auf deutschem (wenn auch nicht thüringischem) Boden heißt es: „Wir erkennen auch an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen. Die künftige Regierung des Freistaates Thüringen fördert eine breit angelegte Debatte und verleiht auch dieser Haltung im Sinne eines nachhaltigen Einsatzes für Frieden eine öffentliche Stimme.“
Wagenknechts Veto
Am Montag hatte es eine Vorstandssitzung in Erfurt gegeben, zugeschaltet war – so hört man – auch die Bundesspitze des BSW. Dann allerdings gibt es unterschiedliche Versionen der Ereignisse. Unklar ist, wie Wolf Wagenknecht in die Verhandlungen mit CDU und SPD eingebunden hatte. Offenbar kannte Wagenknecht das Papier, mit dem die drei zukünftigen Koalitionäre am Montagnachmittag vor die Presse gegangen sind, allerdings wurde sie nur sehr kurzfristig darüber informiert. Klar ist: Wagenknecht hat ihr Veto eingelegt.
Es war Wolf und der neuen Landtagsfraktion in Thüringen also klar, dass sie sich auf einen neuen Weg begeben, als sie dann trotzdem am Montagnachmittag vor die Presse traten und einen Durchbruch und Koalitionsgespräche mit CDU und SPD ankündigten. Diejenigen im BSW, die diesen Weg nicht unterstützen – und das ist die Bundesspitze, einschließlich Sahra Wagenknecht – sprechen von einer „windelweichen Koalition, die gar nicht vorhat, etwas zu verändern“.
Drei Tage nachdem Wolf verkündet hat, dass das BSW in Thüringen Koalitionsgespräche mit CDU und SPD aufnehmen will, hört man aus BSW-Kreisen, dass der Streit zwischen Wolf und Wagenknecht bereits so weit gedrungen ist, dass man davon ausgehe, dass Wolf die Partei verlassen werde. Fraglich ist, wie viele BSW-Leute in der 15-köpfigen Fraktion Wolf folgen werden.
Aufgeheizte Stimmung
Die Stimmung ist aufgeheizt, Wolf geht vor keine Kamera und lässt sich lediglich mit wenigen Worten zitieren: „Wir haben mit unserer Präambel gezeigt, wie elementar uns die Friedensfrage ist. Das haben wir hart mit verhandelt. In den Koalitionsverhandlungen geht es uns um ein klares Bekenntnis für Frieden und Diplomatie und stabile Verhältnisse in Thüringen.“
Dies scheint den BSW-Parteivorstand wenig zu besänftigen, denn er äußert sich in einem Beschluss zu den Koalitionsverhandlungen unmissverständlich: „Wir erwarten, dass unsere Thüringer Verhandlungsführer darauf bestehen, dass im Rahmen dieser Verhandlungen die außenpolitische Positionierung der künftigen Landesregierung konkretisiert wird und auch bei landespolitischen Themen im Koalitionsvertrag weit stärker als im aktuellen Sondierungspapier die Handschrift des BSW zu erkennen ist.“
„Das ist für uns inakzeptabel“
Und auch, was aus Sicht der BSW-Spitze geschehen soll, wenn man gegenüber CDU und SPD nicht mehr aushandeln kann, ist klar beschrieben: (Dann) „sollten wir darauf verzichten, in eine gemeinsame Regierung einzutreten und unsere Wahlversprechen aus der Opposition voranbringen“.
Die Co-Vorsitzende des BSW, Amira Mohamed Ali, sagt zu den Vorgängen in Thüringen: „Diese Frage zu Krieg und Frieden ist für uns elementar. Das war auch im Wahlkampf so und da war Katja Wolf ja immer eingebunden und mit dabei. Nach dem jetzt vorliegenden Papier ist mir nicht klar, wie eine Koalition aus CDU, SPD und BSW abstimmen würde, wenn es ein Votum zur Stationierung von Raketen auf deutschem Boden im Thüringer Landtag gäbe. Und das ist für uns inakzeptabel.“
Kommt die Spaltung?
Am Samstag wird es ein Treffen aller 81 Parteimitglieder des BSW in Thüringen geben. Dabei will man wohl den Beschluss absegnen, wonach die Partei in Koalitionsgespräche eintritt. Bei vielen Mitgliedern geht die Sorge um, dass das BSW sich spaltet, kaum zehn Monate nach der Gründung.
Dass innerparteilicher Streit nicht gut ist für Wahlerfolge, zeigt die aktuelle Umfrage im ARD-Deutschlandtrend. Danach sinkt die deutschlandweite Zustimmung zum BSW um zwei Prozentpunkte auf nur noch sechs Prozent.
Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 31. Oktober 2024 um 18:00 Uhr.