Die Ukraine erhält Waffen aus dem Ausverkauf: Frankreich liefert veraltete Mirage-Jets statt moderner Rafale-Jets. Ein Autokrat profitiert.
Paris – „Waffenlieferungen an Kiew werden für Nato-Staaten obligatorisch sein“ – das soll der frühere Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg öffentlich gesagt haben, wie in Sozialen Medien zu lesen war; was die Nachrichtenagentur Reuters dann in ihrem Faktencheck als Lüge entlarvt hat: Das Nordatlantische Verteidigungsbündnis setzt im Befreiungskrieg gegen Wladimir Putin auf Freiwilligkeit. Was mehr und mehr Nato-Partner zum Ausstieg nutzen. Jetzt dreht Frankreich der Ukraine demonstrativ den Rücken zu.
Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu lehnte die Übergabe gebrauchter Rafale-Kampfflugzeuge an die Ukraine ab, berichtet die französische Zeitung Le Monde. Offenbar sah das Staatspräsident Emmanuel Macron anfangs anders – der wollte ursprünglich Rafale-Jets in die Ukraine zur Verstärkung schicken. Der Jet ist das Ergebnis des Ausstiegs Frankreichs aus dem Eurofighter-Projekt und gilt als Rückgrat der französischen Luftstreitkräfte.
Wie das Magazin Politico Anfang Oktober berichtet hatte, beabsichtigt Frankreich, zu Beginn des nächsten Jahres dennoch Kampfflugzeuge französischer Produktion nach Kiew zu schicken, wie Verteidigungsminister Lecornu angekündigt hatte.
„Die Mirage 2000-5 ist wie ihr F-16-Gegenstück ein guter Kampfjet der vierten Generation, der die ukrainische Flotte alternder Kampfflugzeuge aus der Sowjetära um einige zusätzliche Fähigkeiten erweitern wird. Doch angesichts der aktuellen Bedingungen auf dem Gefechtsfeld ist keines der beiden Flugzeuge unbedingt die beste Wahl für Kiew.“
Jake Epstein im Business Insider
Grundsätzlich will die Ukraine schon lange ihre Luftwaffe von Ost- auf West-Maschinen umrüsten. Die Rafale-Jets sollten ein Baustein der neuen ukrainischen Streitkräfte werden. Anfang 2020 hatte die Ukraine den Plan der Umstrukturierung gefasst gehabt, wie das Blog opex360 unter Bezugnahme auf ukrainische Medien berichtet hat. Nach deren Angaben seien damals vier Modelle von Kampfflugzeugen in Betracht gezogen worden: die schwedische JAS-39 Gripen E/F, die US-amerikanischen F-16 Viper und F/A-18 Super Hornet sowie die französische Rafale, deren Wahl wohl auch von Präsident Macron unterstützt worden war.
Lecornu legte sein Veto gegen die Übergabe von Rafale-Kampfflugzeugen an die ukrainischen Streitkräfte mit der Begründung ein, dies könne „die Kampffähigkeit der französischen Streitkräfte untergraben“, wie er gegenüber Le Monde geäußert hat. Im Januar dieses Jahres wollte Frankreich sogar von einer Lieferung von Mirage 2000-5-Kampfjets Abstand nehmen – Lecornu hatte das begründet mit der geringen Zahl eigener Jets sowie dem Umstand, dass die „Wartung im betriebsbereiten Zustand furchtbar komplizierte Herausforderungen darstellen würde“, wie er öffentlich geäußert hat.
Stärkung gegen Russland: Frankreich will jetzt Mirage 2000-5 an die Ukraine liefern
Nach Lieferungen von Maschinen an Griechenland und Kroatien soll die französische Rafale-Flotte von 102 auf aktuell 92 aktive Maschinen gesunken sein, wie der aktuelle Global Flight Index ausweist; was zu einer Belastungssteigerung pro Jahr pro Flugzeug von 147 auf 164 Flugstunden geführt haben soll, wie das Magazin Defense Express berichtet. Frankreich wird überdies kein Nutznießer des Ringtausch-Verfahrens, in dem F-16-Kampfjets für die Ukraine durch F-35 aus den USA ersetzt werden. Beispielsweise hatte die Nato berichtet, dass die Königlich-Niederländische Luftwaffe ihre F-16 aus der Luftraum-Überwachung über den Benelux-Ländern abziehen und durch F-35 der fünften Generation ersetzen wird – niederländische Jets sind die ersten F-16, die an die Ukraine geliefert worden waren.
Frankreich will jetzt Mirage 2000-5 an die Ukraine entsenden. Irgendwann im kommenden Jahr, vermutlich im ersten Quartal. Laut dem Verteidigungsnachrichten-Portal opex360 soll die französische Luftwaffe ihre 26 Mirage 2000-5 bis 2030 ausmustern wollen; das wäre dann vermutlich die maximale Anzahl an Maschinen, mit denen die Ukraine rechnen könnte, vermutet die Deutsche Welle; die Mirage 2000-5 ist eine modernisierte Variante des Kampfflugzeugs, das zur gleichen Generation wie die F-16 gehört. Sie verfügt über ein verbessertes Radar und befördert MICA-Luft-Luft-Raketen sowie luftgestützte Marschflugkörper des Typs SCALP-EG, die die Ukraine bereits aus Frankreich erhalten hat.
Auf den Ukraine-Krieg hin optimiert: Radar und Kommunikation der Mirage sollen besser werden
Darüberhinaus könnten die französischen Flugzeuge dann Langstreckenwaffen einsetzen, etwa die französischen AASM Hammer-Raketen mit einer Reichweite von mehr als 70 Kilometern, erläutert Oleh Katkov gegenüber der Deutschen Welle. Der Chefredakteur von Defense Express fügt hinzu, dass er für sinnvoll hielte, Gleitbomben in die Mirage 2000-5 zu integrieren, etwa die amerikanischen JDAM-ER und SDB, die bereits von den ukrainischen Streitkräften eingesetzt werden, um Ziele am Boden nahe der Frontlinie zu treffen, wie er gegenüber der DW geäußert hat.
Frankreich will die Maschinen auf jeden Fall noch auf den Ukraine-Krieg hin optimieren: Defense Express vermutet, dass Radar und Kommunikationssysteme gegenüber der russischen Elektronischen Kriegführung widerstandsfähiger gemacht werden sollen. Allerdings ätzen bereits seit Wochen verschiedene Kritiker, dass die Lieferungen womöglich eher in den Hangars der Geberländer Platz schaffen sollen, anstatt der Ukraine effektiv gegenüber Russland zu helfen – die Mirage ist mehr als 30 Jahre alt und von der Waffentechnik schlichtweg überholt; die Rafale wäre moderner. Und vermutlich schlagkräftiger.
Zweitbeste Wahl für Kiew: Mirage 2000-5 und F-16 gute Kampfjets der vierten Generation
„Die Mirage 2000-5 ist wie ihr F-16-Gegenstück ein guter Kampfjet der vierten Generation, der die ukrainische Flotte alternder Kampfflugzeuge aus der Sowjetära um einige zusätzliche Fähigkeiten erweitern wird. Doch angesichts der aktuellen Bedingungen auf dem Gefechtsfeld ist keines der beiden Flugzeuge unbedingt die beste Wahl für Kiew“, schreibt Jake Epstein für den Business Insider, der sich auf Justin Bronk beruft Die Wirksamkeit der Mirage 2000-5 werde vor allem begrenzt durch die Luft-Luft-Rakete MICA, die eine viel geringere Reichweite habe als die AIM-120 AMRAAM-Variante, die Kiew mit seinen F-16 einsetzen könnte, sagt der Luftfahrt-Experte des britischen Thinktank Royal Institute for Defensive Studies.
Die französischen Raketen sollen bis zu 80 Kilometer weit reichen, die amerikanischen ungefähr doppelt so weit – was bedeuten könnte, dass die französischen Mirage im Kampf wohl auch nur halb so viel wert wären, weil sie sich dem Feind weiter nähern müssten; und das mit Piloten, die sich auf ihrem System erst eingewöhnen. Bronk hält selbst die AMRAAM-Raketen für eine Notlösung gegen russische Bedrohungen aus der Luft nahe den Frontlinien, da Moskaus gewaltige bodengestützte Boden- Luft-Raketensysteme die ukrainischen Kampfflugzeuge zwingen, in relativ niedriger Höhe zu fliegen, was die Wirksamkeit ihrer Raketen einschränke, so Bronk gegenüber dem Business Insider.
Luftfahrt-Experten kritisieren wiederholt den Materialmix, mit dem die ukrainischen Streitkräfte zu kämpfen haben. Aus Schweden sollten ursprünglich Saab-Gripen-Kampfjets kommen, die aber zurückgezogen wurden, weil die F-16 zum Rückgrat der ukrainischen Luftflotte ausgebaut werden sollte. „Warum man dann einen weiteren Kampfjet liefern soll, der kein F-16-Kampfflugzeug ist, das für die Anforderungen der Ukraine weniger effektiv und in jeder Hinsicht weniger gut geeignet ist als der Gripen, erscheint etwas merkwürdig“, sagt Bronk gegenüber dem Business Insider.
Trotz der Militärhilfe: Ukraine zur militärischen Flickschusterei gezwungen
Die Lieferung der Mirage ist die nächste Stufe der militärischen Flickschusterei, zu der die Ukraine gezwungen ist – was die Rafale kaum verbessert hätte. Seit 2021 verhandelt die Ukraine mit dem Westen über die Modernisierung ihrer Luftflotte und hatte selbst mit der F-35 geliebäugelt. Laut dem Fachblatt Flugrevue soll das Geschäft vor allem finanziell gescheitert sein, aber die USA hätten der Ukraine auch schon damals als Alternative die F-16 angeboten gehabt.
Aktuell kritisiert Le Monde die französische Rüstungspolitik – Frankreich hat im August ein Dutzend Raffale an Serbien verkauft. Das Projekt sei von Anfang an als heikel angesehen worden, und das zu Recht, denn Serbien hege enge Beziehungen zu Wladimir Putins Russland, schreibt das Blatt. Seit 2012 wird Serbien als EU-Beitrittskandidat gehandelt und gilt als weit fortgeschritten. Die Haupthindernisse für eine Annäherung seien der Nationalismus und die autokratische Führung des Landes durch Präsident Aleksandar Vučić, der die Presse mundtot mache, Oppositionelle misshandele und Unruhen im Kosovo schüre, weil er dessen Unabhängigkeit ablehne, so Le Monde.
Wie das Blatt weiter schreibt, sähe das der französische Staatspräsident Emmanuel Macron anders; der wolle Serbien „in Europa verankern“ so Le Monde: „Er ist überzeugt, dass ,der Rafale-Club‘, zu dem Serbien neben Griechenland und Kroatien gehört, im Gegenteil ,zum Frieden in Europa beitragen‘ und die regionale Integration fördern könne.“ (KaHin)