AfD-Talk bei Lanz

Der Wahlsieger ohne Land

05.09.2024
Lesedauer: 5 Minuten
Höcke könnte es bei den nächsten Landtagswahlen noch einfacher haben. (Foto: picture alliance/dpa)

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen will die AfD mit der CDU nach Schnittmengen suchen. Bei „Markus Lanz“ wird klar: Die werden kaum zu finden sein.

Mehr als 30 Prozent der Thüringer Wähler wollen, dass der Rechtsextremist Björn Höcke Ministerpräsident wird. Am Mittwochabend hat Markus Lanz unter anderem AfD-Chef Tino Chrupalla eingeladen. Am Ende der Sendung ist klar, dass es so eine Koalition nicht geben kann. Auch wenn der Moderator dem AfD-Vorsitzenden nur selten die Möglichkeit gibt, auf seine Fragen ausführlich einzugehen, wird deutlich: Auf wichtige Fragen hat Chrupalla keine Antwort. Die AfD auch nicht.

Das hat Martin Machowecz von der „Zeit“ schon am Anfang der Sendung geahnt. „Die CDU wäre völlig wahnsinnig, wenn sie jetzt eine Koalition mit der AfD in Erwägung ziehen würde“, sagt er. In Sachsen habe er immer wieder die Meinung gehört, es sei nicht demokratisch, eine Partei mit über 30 Prozent der Wählerstimmen von der Regierung fernzuhalten und stattdessen eine Regierung zu bilden, die aus Partnern besteht, die eigentlich nicht zusammenpassen. Machowecz: „Ich verstehe, dass wir uns da in einer richtig komplizierten Situation befinden. Es ist aber in einer parlamentarischen Demokratie so: Es gibt kein Recht auf Regieren. Alle Parteien jenseits der AfD haben vor der Wahl eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen. Sie würden also ihre Wahlversprechen brechen, wenn sie sich jetzt mit der AfD einlassen würden.“

Trotzdem sieht Machowecz das Dilemma, in der sich die CDU und die anderen möglichen Koalitionäre befinden: „Herr Chrupalla wartet wahrscheinlich schon darauf, wenn sich in fünf Jahren die CDU mit SPD und BSW abgequält hat, dass es dann für die AfD möglicherweise noch ein bisschen einfacher wird.“ Das weiß auch Björn Höcke, der in einem Interview schon am Wahlsonntag festgestellt hat: Würden die anderen Parteien so weitermachen wie bisher, werde die AfD in fünf Jahren die Wahlen mit 40 Prozent gewinnen. Tino Chrupalla geht noch weiter: „Der Osten ist im Prinzip das Thermometer der Bundesrepublik Deutschland“, warnt er. Was im Osten passiere, werde auch im Westen passieren, nur später.

Erfolge von AfD und BSW

Den Erfolg der AfD und seiner eigenen Partei erklärt Fabio De Masi, der für das BSW im Europaparlament sitzt: „Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist groß.“ Dazu hätten die Reallöhne beigetragen, die sich während der Corona-Krise unterdurchschnittlich entwickelt hätten. Außerdem führt er die negative Entwicklung in der Infrastruktur und das sinkende Sicherheitsgefühl der Bundesbürger an. Das alles seien Probleme, die es nicht nur in Ostdeutschland gebe, fügt der BSW-Politiker hinzu.

Dass die AfD die Probleme nicht lösen wird, ist De Masi klar. Die AfD wolle die Rentenprivatisierung noch weiter vorantreiben, Investitionen herunterfahren, Parteichefin Alice Weidel wolle die Militärausgaben noch weiter hochtreiben. „Sie machen den Leuten etwas vor und sie würden denen ganz schnell die Hosen hinunterziehen“, so De Masi weiter. Chrupalla weist die Vorwürfe des BSW-Politikers zurück. Die Löhne sollten nicht gesenkt werden, man wolle Investitionen im Osten, den Mindestlohn wolle man den Tarifpartnern überlassen.

Das Hauptproblem bei der AfD sieht „Zeit“-Journalist Machowecz vor allem in deren Personal, besonders bei Björn Höcke: „Wenn man sagt, Höcke ist eine Gefahr für die Demokratie, lehnt man sich nicht so weit aus dem Fenster.“

Höcke? Den halte die Demokratie locker aus, glaubt Chrupalla. Er selbst verstehe sich gut mit dem Thüringer AfD-Landeschef: „Es ist ein Parteikollege, mit dem ich ein gutes Verhältnis habe. Das war in der Vergangenheit so. Und er hat einen guten Wahlkampf geführt.“ Trotzdem: Einem Rechtsextremen wollen die anderen Parteien in Thüringen nicht ins Ministerpräsidentenamt verhelfen. Davon lässt sich Chrupalla jedoch nicht beeindrucken: „Wir haben gesagt, dass wir gesprächsbereit sind“, sagt er auf die Frage nach einer möglichen Koalition mit den Christdemokraten. Und das gilt offenbar in beiden Bundesländern, in denen am vergangenen Sonntag gewählt wurde, also Thüringen und Sachsen. „Wir müssen erstmal wissen, was die Schnittmengen sind, die man gemeinsam hat. Das gehört sich so in der Politik. Sicherlich gibt es einige.“ Das gelte zunächst für Sachsen, wo Ministerpräsident Kretschmer mit AfD-Themen Wahlkampf gemacht habe. Damit meint er vor allem Kretschmers Forderungen nach einer diplomatischen Lösung für ein Ende des Ukraine-Krieges und nach einer Verschärfung der Migrationspolitik. Und in Thüringen? Da habe Landeschef Höcke die CDU immerhin eine „transatlantische Vasallenpartei“ genannt, sagt Markus Lanz. Das sei Wahlkampf gewesen und er selbst würde so etwas nie sagen, antwortet Chrupalla.

Koalition mit BSW

„Wir haben ganz klar ausgeschlossen, mit der AfD zusammenzuarbeiten“, macht BSW-Politiker De Masi zuletzt noch mögliche Hoffnungen der AfD zunichte. „Wir finden natürlich, dass die Auseinandersetzung mit der AfD inhaltlich erfolgen muss. Die sogenannten Brandmauern sind gescheitert. Man muss in die Auseinandersetzungen gehen.“

Wie es am Ende in Thüringen weitergeht, ist zumindest für Machowecz klar: Man werde eine Koalition bilden, aber nach langen Verhandlungen. Die bestehe aus CDU, BSW und SPD. Dann gebe es noch eine fehlende Stimme im Thüringer Landtag. „Mein Tipp ist, dass jemand, der schon immer für politische Überraschungen gesorgt hat, wie Phoenix aus der Asche aufsteigt. Das wird Bodo Ramelow sein. Und der wird sich möglicherweise anbieten und sagen, okay, die CDU hat den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken, aber nicht mit mir. Und vielleicht wird er dann der eine sein, der der Regierung zu einer Mehrheit verhilft. Es wäre für ihn die Möglichkeit, noch einmal der große Staatsmann zu sein, als den er sich immer gesehen hat.“

Quelle: ntv.de

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