Seit Februar 2023 hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) eine Visa-Affäre am Hals. Ihre Beamten sollen dafür gesorgt haben, dass etliche Menschen mit gefälschten Papieren nach Deutschland einreisen durften. Jetzt gibt es neue brisante Vorwürfe.
Im Visa-Skandal um etliche Syrer, Afghanen und Türken, die mit unvollständigen oder offensichtlich gefälschten Papieren nach Deutschland einreisen durften, gerät Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) immer stärker unter Druck. Das Magazin „Cicero“ erhebt in seiner an diesem Freitag erscheinenden Ausgabe neue brisante Vorwürfe.
Demnach hat das Auswärtige Amt unter Annalena Baerbock womöglich pakistanische Agenten im Rahmen eines Aufnahmeprogramms für Afghanistan nach Deutschland geholt. Das geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, die „Cicero“ exklusiv vorliegen.
Wurden pakistanische Agenten nach Deutschland geholt?
So soll die deutsche Botschaft in Islamabad in einem Schreiben an die Zentrale in Berlin vor einer angeblich aus Afghanistan stammenden siebenköpfigen Familie gewarnt haben, die bereits Aufnahmezusagen der Bundesregierung erhalten hatte.
„Hauptperson und Familie könnten absichtlich mit afghanischen Identitäten ausgestattet worden sein“, heißt es in dem internen Warnschreiben. „Es liegt hier der dringende Verdacht nahe, dass es sich bei (der Familie) um einen von pakistanischen Behörden inszenierten Fall handelt“.
Laut „Cicero“ ist damit nichts anderes gemeint als: „Es könnte sich um Agenten handeln, die Pakistans Geheimdienst mit einer Legende ausgestattet hat, um sie nach Deutschland zu bringen – per Charterflug, von der Bundesregierung organisiert.“
Das Warnschreiben der für das Visaverfahren zuständigen Auslandsvertretung ist als „Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnet und ging im Februar 2023 nach Berlin. Doch das Ministerium unter Leitung von Baerbock hatte zu diesem Zeitpunkt der Darstellung zufolge bereits fünf der sieben angeblichen Familienmitglieder nach Deutschland geholt. Sie wohnen nach „Cicero“-Informationen nach wie vor in der Bundesrepublik.
Dem angeblichen Vater, der behauptete, als Friseur für die australische Armee gearbeitet zu haben, und einem seiner angeblichen Söhne wurden die Aufnahmezusagen entzogen.
Der angebliche Vater, der behauptete, von den Taliban verfolgt zu werden, hatte sich bei seiner Befragung in der Visastelle in Islamabad mehrfach selbst widersprochen. Zudem habe er einen „sehr gebildeten, fast schon militärischen und gepflegten Eindruck“ gemacht, kabelte die Botschaft an die Zentrale in Berlin. Obendrein er hatte zahlreiche Dokumente dabei, darunter Schreiben pakistanischer Regierungsstellen, die Misstrauen weckten.
„Cicero“: Fall passt zur Strategie des Baerbock-Amts
Der Fall um die mutmaßliche Agentenfamilie reiht sich laut „Cicero“ ein in eine Strategie des Auswärtigen Amtes, Einreisen aus Afghanistan und den Familiennachzug von Migranten insgesamt zu erleichtern und Sicherheitsbedenken hintenanzustellen.
In einer schriftlichen Weisung des Ministeriums, die „Cicero“ vorliegt, heißt es demnach: „Der formelhafte Griff zu den bewährten Instrumenten wie der Urkundenüberprüfung ist nicht durchgehend zweckmäßig und muss durchdacht und ergänzt werden.“
Die von Baerbock bevorzugte erleichterte Visa-Vergabe stieß auf Widerspruch des Bundesinnenministeriums.
In einer internen Vorlage des Auswärtigen Amts, die „Cicero“ vorliegt, wurden Ende 2022 „Interessenskonflikte in (der) Bundesregierung“ benannt. Das Bundesinnenministerium wünsche bei Ausreisen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan die „Durchführung zusätzlicher Sicherheitsinterviews“.
Baerbock fügte damals die Anmerkung hinzu: „Das sollten wir nicht akzeptieren. Hier hart bleiben ggfs. weiter bis zu Ebene Bundesministerin eskalieren“.
Erst nachdem im März 2023 ein vertrauliches Schreiben der deutschen Botschaft in Islamabad öffentlich wurde, in dem vor dem systematischen Missbrauch des Aufnahmeprogramms durch Islamisten gewarnt wurde, gab das Auswärtige Amt seinen Widerstand auf. Das Programm wurde ausgesetzt, um zusätzliche Sicherheitsinterviews einzuführen.
Visa-Affäre schwelt bereits seit Februar 2023
Die Visa-Affäre schwelt bereits seit Februar 2023. Damals hatte ebenfalls „Cicero“ den Fall Mohammad G. aufgedeckt. Der angeblich 14-jährige Afghane wollte zu seinem in Deutschland weilenden Bruder Khan G. per Familiennachzug nachreisen.
Zwischen der Zentrale des Auswärtigen Amtes in Berlin und der für das Visumverfahren zuständigen deutschen Botschaft in Islamabad gab es heftigen Streit. Denn die Beamten vor Ort, bei denen der junge Mann vorstellig geworden war, hatten erhebliche Zweifel an dessen behaupteter Identität und den widersprüchlichen Geschichten, die Mohammad und Khan G. den deutschen Behörden auftischten.
Henning G., damals als Referent im Auswärtigen Amt für strittige Visafälle zuständig, schrieb im Dezember 2022 eine E-Mail an die Visastelle in Islamabad. An der Identität des Antragstellers bestünden „eigentlich keine Zweifel, falscher Pass hin oder her“, behauptete er. Und machte als Vorgesetzter massiven Druck: Er möchte „trotz des falschen Passes an der Weisung zur Visumerteilung festhalten“.
Ende Juni 2024 hatte FOCUS berichtet, dass die Staatsanwaltschaften Cottbus und Berlin im Zusammenhang mit dem Visa-Skandal gegen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes ermitteln. Die Beamten stünden im Verdacht, Mitarbeiter in deutschen Botschaften und Konsulaten dienstlich angewiesen zu haben, Antragstellern mit unvollständigen oder offensichtlich gefälschten Papieren die Einreise in die Bundesrepublik zu genehmigen.
Das Ministerium von Baerbock bestätigte den Vorgang und erklärte, man habe auf die Vorwürfe mit organisatorischen Maßnahmen reagiert. Welche Auswirkungen die neuerlichen Vorwürfe haben, bleibt abzuwarten.
gös/