Neue Verbrenner-Offensive

Mercedes-Benz wendet sich von Elektroautos ab

01.07.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Mercedes will statt in Elektroautos wieder mehr in die Verbrennertechnologie investieren. Oliver Berg/dpa

Mercedes-Benz verzichtet zum Teil auf Elektroautos und investiert wieder verstärkt in Verbrenner. Wir haben Experten gefragt, woher dieser Kurswechsel kommt: „Mercedes macht es nicht freiwillig.“

15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2030. Dieses ambitionierte Ziel setzte sich die Ampelkoalition zu Beginn ihrer Regierungszeit. In den vergangenen Wochen wird immer mehr klar: Ihr Vorhaben droht zu scheitern.

Der Markt für Elektroautos kommt in Deutschland einfach nicht in Fahrt. Daher zieht Mercedes-Benz nun Konsequenzen. Der Konzern verabschiedet sich von seinem angekündigten Plan, ab 2030 nur noch rein elektrische Modelle zu verkaufen, und investiert wieder deutlich mehr Geld in Verbrenner. Das erklärte Mercedes-Chef Ola Källenius im Interview mit der Wirtschaftswoche.

Was bedeutet der Kurswechsel konkret? Und wie beeinflusst die Kehrtwende von Mercedes den schwächelnden E-Auto-Markt in Deutschland? Wir haben bei Experten nachgefragt.

Mercedes-Chef: Verbrenner sollen „bis tief in die 2030er-Jahre“ halten

Im Interview erläuterte der CEO des Autoherstellers, Ola Källenius, dass Mercedes in den kommenden Jahren primär in Hightech-Verbrenner investieren werde. Damit sind vor allem Hybridautos gemeint, also Verbrenner mit zusätzlichem E-Motor, der die Leistung unterstützt. Mercedes investiere 2024 allein in der Pkw-Sparte „14 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung und in unsere Werke mit den Schwerpunkten Digitalisierung, Elektromobilität und Hightech-Verbrennertechnologie“, sagte Källenius.

Da der Konzern wie viele andere Hersteller damit rechne, dass die Zahl elektrifizierter Hightech-Verbrenner 2030 größer sein werde als gedacht, „werden wir die industriellen Strukturen, die wir heute haben, entsprechend erhalten und effizient nutzen“, heißt es. Die Flexibilität der Werke und Standorte sei wichtig, da der Ausbau der Elektromobilität weniger gut vorankommt als prognostiziert. Mercedes werde nun den elektrifizierten Hightech-Verbrenner „noch einmal richtig“ überarbeiten, sodass „er bis tief in die 2030er-Jahre hält“.

Für 2030 geht der Mercedes-Chef derzeit davon aus, dass 50 Prozent des Absatzes Elektroautos und 50 Prozent elektrifizierte Hightech-Verbrenner ausmachen werden. Sollte dieses Szenario tatsächlich eintreffen, wird das 15-Millionen-Ziel der Bundesregierung noch unwahrscheinlicher. Seit dem Stopp der Kaufprämie für E-Autos durch Wirtschaftsminister Robert Habeck geht die Nachfrage kontinuierlich zurück. Laut Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres insgesamt 140.713 E-Autos in Deutschland zugelassen und somit 15,9 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Auto-Experte kritisiert Ampel: „Mercedes macht das nicht freiwillig“

Auto-Analyst Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands Hannover (FHM) erläutert auf Anfrage der Berliner Zeitung, dass sich Mercedes nur den Rahmenbedingungen anpasse, „die momentan wieder ein Stück weit positiver für den Verbrenner aussehen“. Es werde versucht, „den Verbrenner so lange wie möglich zu melken“. Andere Hersteller würden einen ähnlichen Weg wie Mercedes einschlagen. „BMW hat sich stets für Technologieoffenheit ausgesprochen, und auch Volkswagen wird sicherlich noch stärker den Verbrenner unterstützen, um diese Technologie auszureizen.“

Ferdinand Dudenhöffer, Gründer des privatwirtschaftlichen Forschungsinstituts Center for Automotive Research (CAR), macht gegenüber der Berliner Zeitung die Bundesregierung für den Kurswechsel des Autoherstellers verantwortlich. „Mercedes macht das nicht freiwillig, die Politik schiebt mit ihrer Arbeit die Elektromobilität immer weiter aufs Abstellgleis.“ Im Maschinenbau für Autos gingen die Aufträge durch die sinkende Nachfrage nach Elektroautos zurück, sodass die Hersteller nun die Anlagen für Verbrenner ausbauen und verlängern würden, um ihre Geschäfte zu sichern.

Dudenhöffer: „Politik legt dem Elektroauto einen riesigen Stein in den Weg“

„Die Politik legt dem Elektroauto einen riesigen Stein in den Weg“, kritisiert Dudenhöffer. Grund sei „neben dem Wegfall der Subventionen Ende 2023“ unter anderem die Tatsache, dass mehrere Politiker aus der Opposition erzählen würden, der Verbrennungsmotor sei die ideale Lösung und kein Mensch benötige Elektroautos. „Wenn ich das den Menschen erzähle, dann muss ich mich nicht wundern, wenn keine Elektroautos gekauft werden.“ Die Hersteller hätten zunächst alle den Electricity-only-Weg eingeschlagen, nun fehle aber die Hilfe der Politik beim Ausbau der Elektromobilität.

Dieser Kurs sei falsch, meint der Autoexperte. „Die Zukunft geht klar in Richtung vollelektrisches Auto.“ In China würden dieses Jahr vermutlich rund sieben Millionen E-Autos verkauft. Und auch hier „werden vollelektrische Autos noch vor 2030 deutlich preisgünstiger und bequemer werden als Verbrenner“, ist sich Dudenhöffer sicher. „Nur springen wir in Europa viel zu spät auf diesen Zug auf und überlassen damit anderen Ländern die Spitzenposition in diesem Industriezweig.“

Die Rettung der Verbrennertechnologie durch den Umstieg auf E-Fuels hält Dudenhöffer derweil für naiv. E-Fuels seien „zu teuer und von der Infrastruktur her nur schwer umsetzbar“. Vielmehr solle die Bundesregierung sich ein Beispiel an Luxemburg nehmen und E-Autos wieder subventionieren. Erst dann werde das 15-Millionen-Ziel der Ampel wieder realistisch. Abschließend sagt Dudenhöffer zynisch: „Oder die Regierung tritt einfach zurück, der traut doch sowieso keiner mehr was zu.“

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns gern! briefe@berliner-zeitung.de

Das könnte Sie auch interessieren

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024
ARD-Show "Die 100"
26.11.2024
Abstimmung über neue EU-Kommission
27.11.2024

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

8 + 19 =

Weitere Artikel aus der gleichen Rubrik

Abstimmung über neue EU-Kommission
27.11.2024
Nach Berichten über Menschenrechtsverletzungen in Uiguren-Region
27.11.2024

Neueste Kommentare

Trends

Alle Kategorien

Kategorien