Im Bündnis Aura Blockchain kämpft der Autobauer mit Konzernen wie Prada und LVMH gegen Produktpiraterie. Doch nun hat Mercedes seine Vertreter aus der Allianz abgezogen – aus zwei Gründen.
Stuttgart. Unter Ola Källenius sucht der schwäbische Autobauer Mercedes-Benz die Nähe zu anderen Luxusmarken. Den Vorstandschef fasziniert das Geschäft mit besonders begehrten und teuren Produkten. Mit dem italienischen Modedesigner Brunello Cucinelli pflegt der schwedisch-deutsche Manager ein gutes Verhältnis. Die Lederkoffer und Diamantringe von Louis Vuitton haben Källenius sogar für seine eigene Hochpreisstrategie inspiriert.
Als Mercedes im Mai 2022 als einziger Autohersteller neben Modekonzernen wie LVMH (Louis Vuitton, Givenchy) Prada, Richemont (Cartier) oder der OTB Group (Diesel, Jil Sander) dem Aura Blockchain Consortium als Gründungsmitglied beitrat, passte das gut dazu: Der Verein mit Sitz in der Schweiz versucht unter anderem, mit digitalen Echtheitszertifikaten auf Basis der manipulationssicheren Blockchain-Technologie gegen den boomenden Handel mit gefälschten Uhren, Taschen und Schuhen vorzugehen.
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Endkunden sollen beispielsweise den kompletten Entstehungsprozess eines Diamanten in einem Prada-Schmuckstück auf ihrem Smartphone rückverfolgen können – von der Mine bis zur Politur. Ein Konzept „von Luxusmarken für Luxusmarken“.
Der Ansatz ist auch für die Fahrzeuge von Mercedes interessant, für Originalteile von aktuellen Serienmodellen ebenso wie für Oldtimer. Dennoch haben sich die Stuttgarter nach Handelsblatt-Informationen teilweise aus dem Luxuskonsortium zurückgezogen.
Mercedes: Nur noch „associate member“ bei Aura Blockchain
Auf der Website von Aura Blockchain wird Mercedes seit Mai jedenfalls nur noch als „associate member“ neben 19 anderen Marken geführt. Zuvor waren die Schwaben als „steering member“ mit viel Einfluss gelistet. Der Vorstand des Bündnisses, der von Prada-Erbe Lorenzo Bertelli geleitet wird, wurde von elf auf acht Personen verkleinert.
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Foto: dpa
Mercedes hat seine Vertreter abgezogen. Chefdesigner Gorden Wagener, die Strategiedirektorin der Pkw-Sparte Carolin Strauß und Marketingmanager Patric Bölstler sind nicht mehr Teil des Gremiums. Insidern zufolge soll Mercedes sogar eine Abschlagszahlung im niedrigen einstelligen Millionenbereich erhalten haben.
Der Autobauer wollte etwaige Rückerstattungen nicht kommentieren, bestätigte jedoch grundsätzlich die Neuausrichtung seiner Aktivitäten: „Nach mehreren Jahren als Gründungsmitglied des Aura Blockchain Konsortiums ist Mercedes-Benz in ein ‚associate membership‘ übergegangen. Dies ist eine Anpassung, um unseren Bedürfnissen gerecht zu werden.“
Nahezu gleichlautend äußerte sich das Aura Blockchain Consortium. Die Allianz von mehr als 40 Luxusmarken entwickle sich stetig weiter, expandiere und kreiere neue Einsatzmöglichkeiten. Im Rahmen dessen „werden sich auch unsere Vorstandsmitglieder verändern“.
Beide Seiten betonen, auch künftig in der neuen Struktur eng zusammenarbeiten zu wollen, und heben ein aktuelles, gemeinsames Projekt hervor: Bei einem Langstreckenrennen am Nürburgring Anfang des Monats testeten Mercedes, seine Sportwagentochter AMG und das Aura-Konsortium einen Prototyp für einen neuen Zugang zur Vernetzung mit Fans der Marke. Über einen digitalen Autopass erhalten Motorsport-Enthusiasten exklusive Bilder, Videos und Detailinformationen zu ihren Lieblingsfahrzeugen.
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Mercedes und Aura sprechen von einer neuen „Ära digitaler Erinnerungsstücke“. Kritiker nennen das Projekt hingegen den kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner. Mercedes sei eigentlich nur noch „anstandshalber“ Mitglied im Aura Blockchain Consortium. Die kulturellen Unterschiede zwischen den Schöpfern von Haute Couture und Premiumautos seien erheblich, konstatieren Insider.
Überhebliche Mercedes-Vertreter?
Offenbar stimmte die Chemie unter den Akteuren nie so richtig. Die Mercedes-Vertreter im Vorstand von Aura seien „oft überheblich“ aufgetreten, man habe aneinander vorbeigeredet, sagen mehrere Eingeweihte. Hinzu kommen inhaltliche Differenzen. Die Blockchain-Plattform von Aura ermöglicht es, Transaktionen von Daten und Vermögenswerten ohne zentrale Instanz und damit vertrauensvoll und nachvollziehbar zu verifizieren und zu handeln.
Während Mercedes mit der Technik vor allem sogenannte Non-Fungible Tokens (NFTs), also digitale Originalkunstwerke kreieren und vermarkten will, legen die restlichen Gründungsmitglieder von Aura den Fokus eher auf unveränderliche Echtheitszertifikate. Die Folge: Mercedes setzt seine NFT-Pläne bisher vorwiegend in Kooperation mit 0xNXT um, einer Tochterfirma des US-Werbekonzerns Omnicom.
Was bleibt, ist eine schiefe Optik bei Aura, meinen interne Kritiker. Mercedes umgebe sich zwar gern mit Luxusgüterkonzernen wie Prada, wirklich mit ihnen zusammenarbeiten wolle man aber scheinbar nicht.
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