Berlin – Die Frage ist sechs Jahre alt, aber immer noch aktuell: Wurden im September 2018 in Chemnitz Ausländer von Demonstranten durch die Stadt gejagt?
Das hatte Bundeskanzlerin Merkel (CDU) behauptet. „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab“, hatte sie gesagt.
Drei Jahre später klagte die Staatsanwaltschaft Chemnitz die Verdächtigen an, neun Männer, wegen „Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“.
Das Landgericht Chemnitz befasste sich zweieinhalb Jahre mit den Beweisen und lehnte sie jetzt als ungenügend ab. Es wird keine Hauptverhandlung geben.
Das Landgericht Chemnitz hat mit seiner Ablehnung eines Verfahrens alle diejenigen bestätigt, die der Bundeskanzlerin nicht glaubten, als sie von Hetzjagden auf Ausländer sprach.
Der damalige und heutige Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte ihr widersprochen und der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans Georg Maaßen. Er fiel in Ungnade und wurde aus dem Amt gejagt.
Ich fragte damals den amtierenden Regierungssprecher Steffen Seibert an, wo denn die Videobeweise zu sehen seien, von denen Frau Merkel gesprochen hatte. Er blieb mir die Antwort schuldig.
Was war in Chemnitz wirklich geschehen? Am 26. August 2018 um etwa 3.15 Uhr erstach der syrische Asylbewerber Alaa S. den 35-jährigen Tischler Daniel H. nach einem Stadtfest und verletzte zwei weitere Männer schwer. Alaa S. wurde später verurteilt, sein Komplize Farhad A. entkam in den Irak. Beide waren mit äußerster Brutalität gegen Daniel H. und seine Begleiter vorgegangen.
Nach der Bluttat fuhren rechte und rechtsradikale Demonstranten nach Chemnitz und marschierten durch die Stadt. Einige von ihnen griffen Polizisten an und beschimpften und bedrohten Ausländer. Es kam zu Gewalt, das ist unbestritten, Beweise für „Hetzjagden“ gibt es nicht.
Merkel gab später auf eine Anfrage der AfD im Bundestag zu, dass sie über keinerlei Videobeweise verfüge: „Die zugrunde liegenden politischen Einordnungen der Bundesregierung fußen (…) auf der Berichterstattung in den Medien.“
Und diese Berichterstattung war verzerrt oder sogar falsch. Die Bundeskanzlerin hatte sie ohne Prüfung übernommen und Bundespräsident Steinmeier war am 1. November nach Chemnitz gefahren, um mit Migranten über „gesellschaftliche Vielfalt“ zu sprechen und wie man der „verfassungsfeindlichen Hetze“ begegnen könne.
Der erstochene Daniel H. war vergessen. Chemnitz wurde zum Symbol eines vermeintlichen Rechtsrucks. Bundeskanzlerin und Bundespräsident hatten Chemnitz politisch instrumentalisiert. Heute, sechs Jahre später, werden sie vom Landgericht überführt, leider viel zu spät.