Es ist die wichtigste EU-Abstimmung des Jahres! In Brüssel votiert das Europaparlament heute ab 17 Uhr über den Asyl-Pakt, also über DAS große Flüchtlingspaket, auf das sich die Mitgliedstaaten nach jahrelangem Gerangel einigen konnten.
Hauptankunftsländer wie Italien oder Griechenland sollen entlastet werden. Flüchtlinge ohne Chancen auf Anerkennung sollen in einem Grenzlager untergebracht werden, ihr Asylverfahren direkt an der Grenze bekommen. Die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU soll gerechter werden.
Zustimmung zum Migrationspakt wackelt
Einen „historischen Schritt“ nannte die deutsche Innenministerin die Einigung der EU-Staaten auf das Paket. „Es ist von größter Bedeutung, dass das Europäische Parlament dem neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zustimmt“, sagte Faeser dem „RND“. „Europa muss hier seine Handlungsfähigkeit zeigen. Niemand darf dieses Thema den Rechtspopulisten überlassen, die Menschen in Not für ihre Stimmungsmache missbrauchen.“
Doch der historische Pakt wackelt! „Die Abstimmung zum EU-Asyl- und Migrationspaket im Europäischen Parlament steht auf Messers Schneide“, warnte Manfred Weber, Chef der konservativen EVP-Fraktion gegenüber BILD.
Hintergrund: Neben Linkspopulisten und Rechtspopulisten wollen auch die europäischen Grünen in acht von zehn Punkten gegen den Deal stimmen. Hinzu kommen etliche Parlamentarier aus den osteuropäischen Ländern (z.B. Polen, Ungarn), die den Pakt kritisch sehen, wegen der Verteilregeln dagegen stimmen wollen. Auch bei den EVP-Abgeordneten aus Frankreich gibt es Wackelkandidaten.
Weber ärgert sich deshalb besonders über die Ablehnung der Grünen: „Die Grünen in Europa verweigern sich bisher einer Zustimmung zum Migrationspaket. Erneut zeigen die Grünen damit ihr doppeltes Gesicht: Zustimmung in Berlin, Boykott in Europa.“
Der grüne EU-Abgeordnete und Migrationsexperte Erik Marquardt (36) kontert: „Diese Reform wird weder die Migration begrenzen, noch die Verteilung verbessern und erst recht nicht die Verfahren vereinfachen. Im Gegenteil.“
Seine Kritik: Die Reform würde es Staaten mit einer EU-Außengrenze erlauben, Geflüchtete noch schlechter zu behandeln. „Das hat in der Vergangenheit aber nicht zur Begrenzung von Migration geführt, sondern zu Leid und mehr Sekundärmigration nach Deutschland. Seit Jahren stellt man nach jeder Gesetzesverschärfung fest, dass man noch mehr Bürokratie und Probleme als vorher geschaffen hat. Da machen wir nicht mit.“
► Tatsächlich haben auch verschiedene Flüchtlingsorganisationen wiederholt Kritik geäußert. „Sollte die Reform wie zu erwarten beschlossen werden, so bedeutet dies künftig für zahlreiche Kinder und Jugendliche auf der Flucht die Inhaftierung hinter Stacheldraht und Lagermauern und die Gefahr von Rückführungen in Länder, in denen sie nicht sicher sind“, sagt Joshua Hofert, Vorstandssprecher der Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes.
Umsetzung innerhalb von zwei Jahren
Sollte sich das EU-Parlament heute auf den Pakt einigen, muss er nur noch von den EU-Staaten bestätigt werden. Die Mitgliedstaaten haben wohl eine zweijährige Umsetzungsfrist vereinbart. Das soll den Staaten an den Außengrenzen genügend Zeit geben, entsprechende Einrichtungen zur Unterbringung von Menschen aus Staaten mit geringen Annahmechancen zu schaffen.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson: „Einige der Mitgliedstaaten haben bereits mehr oder weniger mit der Umsetzung begonnen.“