Michael Maier

Es wird eng für Ursula von der Leyen: Strafermittler untersuchen Pfizer-Deal

01.04.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Ursula von der Leyen spricht mit Pfizer-CEO Albert Bourla beim Besuch einer Pfizer-Niederlassung in Puurs 2021. OHN THYS/POOL/AFP

Die europäische Staatsanwaltschaft ermittelt offenbar erstmals direkt gegen Ursula von der Leyen. Es geht um ihre geheimen Chats mit Pfizer-Chef Albert Bourla.

Führende europäische Staatsanwälte untersuchen laut dem amerikanischen Magazin Politico ein möglicherweise strafrechtlich relevantes Fehlverhalten im Zuge der Impfstoffverhandlungen zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem CEO von Pfizer, Albert Bourla. Ein Sprecher der in Lüttich ansässigen Staatsanwaltschaft bestätigte dem Magazin die Ermittlungen.

Ermittler der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) haben in den vergangenen Monaten die Ermittlungen belgischer Staatsanwälte gegen von der Leyen wegen „Einmischung in öffentliche Ämter, Vernichtung von SMS, Korruption und Interessenkonflikten“ übernommen. Politico schreibt, die Redaktion habe die entsprechenden Unterlagen eingesehen. Ende des vergangenen Jahres hatte das Magazin enthüllt, dass Impfstoffdosen im Wert von mindestens vier Milliarden Euro vernichtet werden mussten.  

Die Nachricht, dass die EPPO den Fall nun untersucht, birgt die Gefahr, dass die Rolle der Kommissionspräsidentin bei dem Mega-Impfstoffdeal, dessen geschätzter Wert über 20 Milliarden Euro lag, noch stärker in den Fokus rückt. Die EPPO führt europaweite Ermittlungen zu Finanzkriminalität durch und könnte theoretisch Telefone und anderes relevantes Material aus Kommissionsbüros oder in anderen europäischen Ländern wie von der Leyens Heimat Deutschland beschlagnahmen. Die Kommission hat sich bisher geweigert, den Inhalt der Textnachrichten offenzulegen oder auch nur ihre Existenz zu bestätigen.

Der Wirecard-Aufklärer und EU-Kandidat der Partei von Sahra Wagenknecht, Fabio De Masi, sagte der Berliner Zeitung: „Frau von der Leyens Missachtung des Rechtsstaates und der Transparenzpflichten an der Spitze der EU-Kommission macht sie für eine weitere Amtszeit untragbar.“ Es müsse „ohne Rücksicht auf das Amt beschlagnahmt werden, was zur Aufklärung von von der Leyens Pfizer-Deal beiträgt“.

Die aktuellen Ermittlungen wurden ursprünglich Anfang 2023 von den belgischen Justizbehörden eingeleitet, nachdem der Lobbyist Frédéric Baldan eine Strafanzeige eingereicht hatte. Baldans Beschwerde bezog sich auf den mutmaßlichen Austausch von Textnachrichten zwischen von der Leyen und Bourla im Vorfeld des größten Impfstoffdeals der EU auf dem Höhepunkt der Covid-19-Pandemie. Baldan reichte in Belgien eine Strafanzeige ein, die von der Leyen „Einmischung in öffentliche Funktionen, Vernichtung von SMS, Korruption und Interessenkonflikte“ vorwarf, wie aus rechtlichen Informationen seines Anwalts hervorgeht.

Von der Leyen hat es bisher vermieden, das Thema auch nur anzusprechen. Auch gegenüber der EU-Ombudsfrau lehnt es die Präsidentin der Kommission ab, Auskunft zu geben. In einer Antwort auf eine entsprechende Frage von Politico zu den fehlenden Textnachrichten sagte von der Leyen: „Alles Notwendige dazu wurde gesagt und ausgetauscht. Und wir werden auf die Ergebnisse warten.“ 

Von der Leyen hatte erst kürzlich bekannt gegeben, für eine weitere Amtsperiode auf ihrem Posten verbleiben zu wollen. Fabio De Masi sagte zu diesem Ansinnen: „Frau von der Leyen knüpft mit ihren Pfizer-Deals nahtlos an ihren Beraterfilz im Verteidigungsministerium an. Ich fordere die Bundesregierung auf, Frau von der Leyen nahezulegen, auf eine Kandidatur zu verzichten. Sie schadet dem Ansehen Deutschlands und der EU.“

Im Jahr 2022 hatte die EPPO angekündigt, dass sie die Impfstoffbeschaffung der EU auf breiter Basis untersuchen werde. Die Politico-Enthüllung ist der erste Hinweis darauf, dass sich die Staatsanwaltschaft explizit mit von der Leyens Textnachrichten an Pfizer beschäftigt. Die New York Times, die zuerst berichtete, dass der Austausch stattgefunden hatte, als die beiden die Bedingungen des Deals aushandelten, hat eine parallele Klage gegen die Kommission auf Herausgabe der Dokumente eingereicht.

Der Fall, der jetzt von der EPPO untersucht wird, überschneidet sich mit Klagen, die der Pharmariese Pfizer gegen Ungarn und Polen angestrengt hat. Ungarn, angeführt von Viktor Orbán, einem entschiedenen Gegner von der Leyens, hat laut zwei Insidern mit Kenntnis des Falls ebenfalls eine Beschwerde im Zusammenhang mit der Rolle der Kommissionspräsidentin bei den Impfstoffverhandlungen mit Pfizer eingereicht, berichtet Politico. De Masi dazu: „Es ist eine Schande für Europa, dass man es ausgerechnet der Regierung Ungarns überlässt, die Ermittlungen zu unterstützen.“

Polen hat im vergangenen November ebenfalls eine Beschwerde eingereicht. Seit der Wahl von Tusk im Dezember und der Freigabe von blockierten EU-Milliarden für Warschau „arbeitet die neue Regierung jedoch daran, Polen aus diesen Verfahren zurückzuziehen“, sagte ein Sprecher der Regierung laut Politico.

Sowohl Ungarn als auch Polen werden von Pfizer wegen ausbleibender Zahlungen für Impfstoffdosen verklagt, nachdem beide Länder den Bezug der von der EU bestellten Lieferungen eingestellt hatten. Als Grund nannten die Länder das Überangebot und die finanzielle Belastung durch den Ukraine-Krieg.

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