Es geht um diese religiöse Geste des Nationalspielers

Rüdiger und DFB erstatten Anzeigen

26.03.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Dieses Foto postete Nationalspieler Antonio Rüdiger vor zwei Wochen Foto: Instagram/ Antonio Rüdiger

Riesen-Aufregung um eine Geste von Nationalspieler Antonio Rüdiger (31), die jetzt sogar zu zwei Anzeigen führte!

Der Reihe nach:

Am 11. März postete der gläubige Muslim ein Foto von sich: im weißen Gewand auf einem Gebetsteppich. Den Zeigefinger seiner rechten Hand in den Himmel weisend. Mit einem Gruß zu Ramadan: „Möge der Allmächtige unser Fasten und unsere Gebete annehmen.“

Am Sonntag schrieb der Journalist Julian Reichelt (früher BILD-Chefredakteur) beim Online-Portal X (ehemals Twitter): „Für alle, die beim Islamisten-Gruß von Antonio Rüdiger keinen Islamisten-Gruß erkennen wollen: Der Verfassungsschutz nennt diese Geste den „IS-Finger“ und wertet den Zeigefinger als klares Zeichen für Islamismus.“

Damit wird der Abwehr-Star von Real Madrid in Terroristen-Nähe gerückt. Gegenüber BILD wollte sich Rüdiger zunächst nicht äußern.

Am Montag reagierte Rüdiger doch – mit einer Strafanzeige gegen Reichelt bei der Berliner Staatsanwaltschaft. „Wegen Beleidigung bzw. Verleumdung, verhetzender Beleidigung sowie Volksverhetzung“, wie es in der Anzeige heißt. Der DFB erstattete ebenfalls Anzeige, meldete den Reichelt-Tweet gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft als „Hate Speech“.

Auch BILD bekam Post von den Rüdiger-Anwälten. In einem Schreiben an BILD-Chefredakteurin Marion Horn „warnen“ sie vor „hetzerischen Äußerungen zum Nachteil unseres Mandanten“.

Dabei macht BILD nur das, was Journalisten tun müssen – recherchieren.

Wie steht Rüdiger zum Islamismus?

Laut seiner Anwaltskanzlei ist er „als überzeugter Gläubiger ein friedliebender Mensch“, der jede Art der Gewalt ablehne. Die Geste als „Islamisten-Gruß“ zu werten, sei „falsch, verkürzt und bewusst polarisierend“. Es handele sich um die Tauhid-Geste, die sinngemäß bedeutet: „Es gibt keinen Gott außer Allah“.

Ist Rüdiger schon einmal bei dem Thema aufgefallen?

Fakt ist: Er hat zuvor bei Instagram keine Bilder religiösen Inhalts veröffentlicht.

2020 hatte er allerdings einen Beitrag geliked mit Flüchen gegen Frankreichs Präsidenten Emanuel Macron, der angeblich den Islam beleidigt habe. Rüdiger entschuldigte sich später für sein Like und distanzierte sich.

Ist das wirklich eine übliche Geste, vergleichbar mit dem Kreuzzeichen der Christen? Oder zeigt der erhobene Finger Richtung Islamismus, weil ihn auch IS-Terroristen so nutzen? BILD fragte das Bundesinnenministerium und Experten.

Das Ministerium antwortete BILD: „Aus Sicht des BMI ist der sog. ‚tauhid‘-Finger als Glaubensbekenntnis zu verstehen und insofern mit Blick auf die öffentliche Sicherheit als unproblematisch einzuordnen. Dies gilt unabhängig von der Tatsache, dass islamistische Gruppen dieses Symbol vereinnahmen und für ihre Zwecke missbrauchen.“

Das Ministerium schränkt jedoch ein: „Salafisten leiten aus dem islamischen ‚tauhid‘-Prinzip, der Lehre von der absoluten „Einheit und Einzigartigkeit Gottes“, ab, dass Allah der alleinige Souverän und die Scharia das von ihm offenbarte – und daher einzig legitime – Gesetz ist. Die Demokratie lehnen Salafisten folglich als „unislamisch“ ab. Insofern kann das Zeigen des sog. ‚tauhid‘-Fingers in bestimmten Kontexten als Zeichen einer salafistischen bzw. islamistischen Radikalisierung angesehen werden, wenn Akteure sich bewusst dieser Mehrdeutigkeit bedienen. Hier kommt es auf die Betrachtung im Einzelfall an.“

Die meisten von BILD angefragten Experten bestätigen, dass es nicht grundsätzlich ein Extremisten-Symbol sei.

Ahmad Mansour (47): „Die Geste ist nicht islamistisch, sondern rein religiös – wird aber von Extremisten wie zum Beispiel Salafisten vereinnahmt.“ Über Antonio Rüdigers Verhalten sagt er: „Mit diesem Bild werden Dinge verbunden, die Antonio Rüdiger bestimmt nicht beabsichtigt hat. Die Wirkung auf junge Menschen ist gewaltig. Ich glaube, dass der DFB seine Hausaufgaben machen muss, wenn es darum geht, Spieler für bestimmte Themen zu sensibilisieren.“

Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi (56, Pädagogische Hochschule Freiburg): „Nicht jeder, der so was macht, ist automatisch ein Extremist bzw. ein Salafist.“ Aber: „Seit dem Aufstieg des IS wird diese Geste von Anhängern des politischen Islam öffentlich präsentiert, von den Dschihadisten für Propagandazwecken missbraucht. Heutzutage ist ein in der Öffentlichkeit erhobener Zeigefinger ein Symbol für die Identifikation mit dem politischen Islam bzw. mit dem Islamismus. Eine öffentliche Person muss wissen, dass ein ausgestreckter Zeigefinger nun häufig mit dem Islamismus in Verbindung gebracht wird. Ihre öffentlichen Botschaften können viele Menschen beeinflussen.“

Ethnologin Susanne Schröter (66, Uni Frankfurt) sieht Rüdigers Zeichen dagegen kritisch: „Der dem Gegenüber demonstrierte Zeigefinger ist in den vergangenen Jahren eindeutig zu einem Erkennungszeichen von Salafisten geworden – und so muss man Rüdigers Inszenierung wohl auch verstehen. Es gab vor drei Jahren schon einmal einen Skandal wegen eines islamistischen Likes auf Twitter, für das er sich dann entschuldigt hatte. Das war damals offenbar nicht ernst gemeint, sondern nur eine Täuschung, um seine Karriere nicht zu gefährden.“

Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad (52) bei „X“: „Antonio Rüdiger hat meine Solidarität. Ich finde es abscheulich, gegen ihn wegen einer harmlosen Geste zu hetzen, während man die wahren Islamisten im Lande in Ruhe lässt und sogar politisch hofiert. Entspannt euch ein bisschen!“

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