Veröffentlichung eingeklagt

Die brisanten Corona-Protokolle des RKI

23.03.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Vor vier Jahren trat in Deutschland zur Eindämmung der Corona-Pandemie der erste Lockdown in Kraft. Bildquelle: ZDF

Die Protokolle des RKI-Krisenstabs galten als Verschlusssache. Journalisten klagten dagegen. Die Dokumente zur Corona-Pandemie könnten politische Sprengkraft haben.

Es sind mehr als 1.000 Seiten, die nach einer langwierigen Klage des Online-Magazins „Multipolar“ jetzt öffentlich sind: interne und brisante Besprechungen des Corona-Krisenstabs, meist geleitet vom damaligen Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, und dessen Stellvertreter, Lars Schaade, der heute der Chef der Behörde ist, die dem Bundesgesundheitsministerium direkt unterstellt ist.

Protokolle bieten trotz Schwärzungen tiefe Einblicke

Die Protokolle, Tagesordnungen und Teilnehmerlisten wurden kurz vor dem vierten Jahrestag des ersten Lockdowns veröffentlicht. Der am 22. März 2020 verhängte Lockdown führte zu nie dagewesenen Grundrechtseinschränkungen: Kitas und Schulen wurden geschlossen, es galten Besuchsverbote für Altenheime und generelle Ausgangsbeschränkungen. Das öffentliche Leben kam zum Stillstand.

Was aber passierte hinter den Kulissen? Die Protokolle bieten trotz zahlreicher Schwärzungen, die das RKI vor Herausgabe der Dokumente durchführte, tiefe Einblicke.

Lockdowns – fragwürdige Grundlage, schwere Konsequenzen

Am 17. März 2020 stuft das RKI die Risikoeinschätzung für die Gesundheit der Deutschen von „mäßig“ auf „hoch“ herauf. Einen Tag zuvor ist in den Dokumenten vermerkt, die neue Risikobewertung solle vorbereitet und „hochskaliert“ werden. „Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald (Personenname geschwärzt) ein Signal dafür gibt.“

Den entscheidenden Akteur macht das RKI unkenntlich. Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die Hochstufung erfolgt, bleibt unklar. „Multipolar“ zieht den Schluss:

„Die Verschärfung der Risikobewertung von „mäßig“ auf „hoch“ – Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und Gerichtsurteile – gründete, anders als bislang geglaubt, nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs.“

Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt die Fallzahlen nicht dynamisch gestiegen. In der Zeit zwischen dem 9. und 15. März 2020 wurden sechs Prozent der in Deutschland Untersuchten positiv getestet. Eine Woche später waren es sieben Prozent.

Als am 16. Dezember der zweite Lockdown begonnen hat, vermerkt das RKI mit Blick auf den internationalen Umgang mit Covid-19: „Lockdowns haben zum Teil schwerere Konsequenzen als Covid selbst.“

Maskenpflicht – FFP2 nur für Fachpersonal sinnvoll

In einer Besprechung am 30. Oktober 2020 beschäftigt sich das RKI mit dem Tragen von FFP2-Masken.

FFP2-Masken sind eine Maßnahme des Arbeitsschutzes. Wenn Personen nicht geschult/qualifiziertes Personal sind, haben FFP2-Masken bei nicht korrekter Anpassung und Benutzung keinen Mehrwert.

Corona-Protokoll des RKI vom 30. Oktober 2020

Die Krisenstab-Runde stellt klar: „… es gibt keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, dies könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

Die Öffentlichkeit erfuhr davon jedoch nichts. Im Winter 2020 galt sogar eine strengere Maskenpflicht, auch die FFP2-Maske wurde in verschiedenen Bundesländern verpflichtend.

Impfstoffe – frühe Zweifel an AstraZenec

Am 8. Januar 2021 geht das RKI auf die Impfstoffe ein, erklärt, dass bei AstraZeneca „der Einsatz diskutiert werden müsse“.

Kein Selbstläufer wie bei den anderen, da Impfstoff weniger perfekt ist.

RKI am 8. Januar 2021 zum Impfstoff von AstraZeneca

Die Runde notiert, es müsse für AstraZeneca möglicherweise Beschränkungen geben, Daten für ältere Personen seien sehr begrenzt. Nur zwei Monate später, Anfang März, empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) den Impfstoff für alle Altersklassen und verweist auf neue Erkenntnisse aus Studien.

3G-Regel – Bedenken gegen Privilegien für Geimpfte und Genesene

Am 5. März 2021 wird in einer Sitzung des Krisenstabs über die Frage diskutiert, ob das RKI bei seiner bisherigen Haltung bleibe, keine Ausnahmen von den Corona-Regeln für Geimpfte und Genesene zu machen. Die Erkenntnis: Ausnahmen seien „fachlich nicht begründbar“.

Das Impfzertifikat soll die Erfassung von Impfwirkung, Spätfolgen etc. ermöglichen, nicht die Grundlage für Kategorien und Vorrechte sein.

Laut WHO sprächen auch ethische Gründe dagegen. Doch Mitte September 2021 wurde die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) in den Katalog der besonderen Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus aufgenommen und ist mittlerweile im Infektionsschutzgesetz geregelt.

Weitere Klage für mehr Transparenz

Die veröffentlichten Protokolle enden im April 2021, da sich die „Multipolar“-Klage auf den Zeitraum von Januar 2020 bis April 2021 bezog. In der aktuellen Form sind zahlreiche Passagen unkenntlich gemacht. Dazu lieferte das RKI ein 1.000-seitiges Dokument, dass die Schwärzungen rechtfertigen soll.

Am 6. Mai 2024 zieht „Multipolar“ vor das Berliner Verwaltungsgericht, um eine vollständige Protokolleinsicht ohne Schwärzungen zu erwirken.

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