Wolfram Weimer

GastkommentarSPD-Getreue bauen DFB um – und setzen auf ein mächtiges Netzwerk

29.09.2023
Lesedauer: 6 Minuten
Andreas Rettig mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf im Hintergrund / AFP via Getty Images

Zusammen mit Parteigenossin Nancy Faeser baut der SPD-Politiker und DFB-Präsident Bernd Neuendorf den Fußballverband sozialdemokratisch um. Er wird bereits „der Olaf Scholz des Fußballs“ genannt. Auch die SPD-Wahlkampfagentur ist inzwischen beim DFB aktiv. Dabei waren die Polit-Aktionen um die One-Love-Binde schon peinlich genug.

Der größte Sportfachverband der Welt schlingert in die Krise. Unter seinem Präsidenten, dem langjährigen SPD-Politiker Bernd Neuendorf, vollzieht der Deutschen Fußballbund (DFB) nicht nur einen sportlichen Niedergang der Nationalmannschaft, sondern auch eine beispiellose Politisierung. Mit der Berufung von Andreas Rettig zum neuen Geschäftsführer Sport des Fußballverbandes setzt Neuendorf nun ein weiteres Signal für ein links-aktivistisches Verbandsmanagement.

Kritik an Rettig

Der Eklat ist da. Karl-Heinz Rummenigge (FC Bayern) und Oliver Mintzlaff (RB Leipzig) haben wegen Neuendorfs Alleingang und seiner politisch motivierten Berufung ihren sofortigen Rücktritt aus der DFB-Taskforce erklärt. Andere wie Fredi Bobic sprechen von „Desaster“: „Eins ist klar: Durch die Entscheidung für Rettig haust du einen Spalt rein zwischen Liga und DFB. Da kann DFB-Boss Bernd Neuendorf erzählen, was er will, das ist ein Fakt.“

In Bundesliga-Kreisen wird die Neuendorf-SPD-Personalie Rettig kritisch wahrgenommen. Viele erinnern sich, dass Rettig einst als Wahlkämpfer für Neuendorf unterwegs gewesen ist. Er wurde seinerzeit zur Frühschoppenzeit in den „Doppelpass“ von „Sport 1″ geschaltet und stellte den Neuendorf-Konkurrenten Peter Peters (der Schalke-Manager wollte ebenfalls DfB-Präsident werden) öffentlich bloß. In Manier einer politischen Intrige sagte der vermeintlich neutrale Rettig damals vor laufenden Kameras: „Mich würde schon mal interessieren, was dich, Peter, für das Amt des Präsidenten qualifiziert.

Die Tätigkeit bei Schalke 04 kann es ja nicht gewesen sein.“ Das saß. Denn Peters war jahrzehntelang für die Finanzen der Gelsenkirchener verantwortlich und damit zumindest mitverantwortlich dafür, dass es immer mal wieder sehr knapp in der Kasse wurde. Die jetzige Berufung Rettigs wirkt daher wie das Dankeschön einer politischen Genossen-Seilschaft. Die ARD-Sportschau meint: „Es riecht nach einem Deal“.

Retting ist gegen übertriebene Kommerzialisierung

Rettig wird im deutschen Fußball gerne auch spöttisch „Antifa-Andi“ gerufen, weil er sich seit Jahren zu den schärfsten Kritikern von angeblich übertriebener Kommerzialisierung zählt und den Fußball lieber „gemeinwohlorientiert“ politisieren will. Im November 2022 trat er als Wortführer bei der SPD auf und referierte in Bochum zum Thema „Die gesellschaftliche Verantwortung des Profifußballs“. Rettig arbeitete zuletzt in der Geschäftsleitung des Zweitligisten FC Sankt Pauli (2015 bis 2019) und anschließend des Drittligisten Viktoria Köln (2021 bis 2022).

Bei den Kölnern ließ Rettig eine „Gemeinwohl-Klausel“ in die Verträge der Spieler schreiben, die diese verpflichtete, sich mindestens eine Stunde im Monat gesellschaftlich zu engagieren, etwa durch Besuche in Altenheimen, Kindertagesstätten oder mit einer Blutspende. Auf die Frage, ob er so etwas auch beim DFB einführen wolle, erwiderte Rettig, er müsse erstmal ausloten, wie darüber im Verband gedacht werde. „Aber es schadet nicht, sich solchen Themen zu widmen.“

Rettig ist eine politisch bewusste Besetzung des eingefleischten SPD-Politikers und DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf. Dessen politische Karriere führte ihn vom SPD-Parteisprecher in Berlin und NRW in den Job des Landesgeschäftsführer der NRW-SPD. Fünf Jahre war er sogar SPD-Staatssekretär im NRW-Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes.

Enge Zusammenarbeit mit Faeser

Neuendorf arbeitet eng mit der für den Sport bundespolitisch verantwortlichen Innenministerin Nancy Faeser zusammen. Die gemeinsame Parteimitgliedschaft hilft, führt aber auch zuweilen zu überpolitischen Aktionen, so bei Fußball-WM in Katar, als die beiden die peinlichen One-Love-Bindenposse inszenierten. Faeser, Neuendorf und der Nationalspieler Leon Goretzka führten beim deutschen WM-Debakel in Katar die politische Regie. Der Bayern-Profi Goretzka ist schon seit einiger Zeit für die SPD engagiert und hatte den Plan für die peinliche Mund-zu-halte-Posse der Nationalkicker mit professioneller Hilfe ausgeheckt.

Im Hintergrund zieht die Hamburger Kommunikationsagentur BrinkertLück die Strippen. Sie hatte den SPD-Kanzlerwahlkampf für Olaf Scholz betreut und eine Impfkampagne für die Bundesregierung. Und Leon Goretzka zählt zu ihren Kunden. Heute ist BrinkertLück die „Leadagentur für die DFB -Produktwelt“.

Kein Wunder, dass DFB-Präsident Neuendorf zusehends auftritt wie der SPD-Bundeskanzler. Der Mediendienst „ Übermedien “ titelte bereits: „DFB-Präsident Neuendorf: Der Olaf Scholz des Fußballs“ und wies auf die sozialdemokratischen Verbindungen hin. Dort heißt es „Neuendorfs Wahl hat zu einer sozialdemokratischen Hegemonie im organisierten deutschen Sport beigetragen.

SPD ist stolz auf „ihren Präsidenten“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer, stellvertretendes Mitglied im Sportausschuss des Parlaments, klingt im Gespräch mit Übermedien geradezu stolz: „Das ist eine ganz besondere Konstellation, dass die SPD den Präsidenten und die Vorsitzenden von DFB, DOSB, Deutschem Leichtathletikverband, Behinderten-Sportverband und die für den Sport zuständige Bundesinnenministerin und den Sport-Staatssekretär stellt.“ Das SPD-Parteiblatt „Vorwärts“ titelt stolz: „Bernd Neuendorf: Erster Sozialdemokrat als DFB-Präsident“

Das Sportmagazin „ Kicker “ hat bereits vor Monaten berichtet, dass es schwere interne Kritik an der Polit-Strategie und Kommunikation von Bernd Neuendorf gebe). Der Ärger hat sich in den vergangenen Wochen gesteigert als Neuendorf ein neues Konzept für den Nachwuchsfußball verkündete, dass in traditionellen Fußballkreisen als „rot-grüner Streichelzoofußball“ kritisiert wurde. Ziel der Reform sei es, durch eine Verminderung des Leistungsdrucks eher den Spaß am Spiel und die sportliche Entwicklung in den Mittelpunkt zu rücken. Dazu sollen die Felder kleiner werden und in den Altersklassen der U6 bis U11 unter anderem nicht mehr klassische Punktspiele ausgetragen werden, sondern sogenannte „Spielfeste“.

Der CDU-nahe DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke hat diese Neuendorf-Reformen scharf kritisiert. „Unfassbar und für mich nicht nachvollziehbar“, sagte der 64-Jährige, der in Personalunion auch Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball Liga und Geschäftsführer von Borussia Dortmund ist. „Es gab ja auch die Diskussion, nicht mehr auf Tore zu spielen. Demnächst spielen wir dann noch ohne Ball“, polterte Watzke: „Oder wir machen den eckig, damit er den etwas langsameren Jugendlichen nicht mehr wegläuft. Ich glaube, dass das grundsätzlich der falsche Ansatz ist.“

Watzke kritisierte, es gebe “im DFB und in der Gesamtgesellschaft viele Leute, die sagen: Wir müssen weniger Leistungsdruck und Stress am Arbeitsplatz und lieber ein bisschen mehr Home-Office haben. Wir müssen alle fröhlich und friedlich sein und uns alle gut vertragen und am Ende gucken, dass wir noch einen finden, der das Ganze bezahlt.“ Das gelte auch schon im Nachwuchsfußball, meinte der Funktionär. „Das darfst du nicht unterschätzen. Und ich halte es für völlig falsch.“ Fazit: Neuendorfs DfB-Politisierung trifft auf Resonanz. Zunehmend aber auf kritische.

Der Beitrag „SPD-Getreue bauen DFB um – und setzen auf ein mächtiges Netzwerk“ stammt von The European.

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