Simon Bergmann, der Anwalt des Rammstein-Sängers Till Lindemann, hatte in der Presse die Recherchemethoden der „Süddeutschen“ kritisiert. Die Zeitung meinte, er stelle Tatsachen falsch dar. Die Gerichte sehen das anders.
Die „Süddeutsche Zeitung“ ist auch in zweiter Instanz mit dem Versuch gescheitert, dem Anwalt Simon Bergmann Äußerungen zum Vorgehen der Zeitung bei Recherchen zu Metoo-Vorwürfen gegen seinen Mandanten Till Lindemann gerichtlich untersagen zu lassen. Das Hanseatische Oberlandesgericht wies den Antrag der „Süddeutschen“ auf einstweilige Verfügung zurück (Az. 7 W 14/24).
Bergmann hatte in einem Streitgespräch des Portals „Legal Tribune Online“ (LTO) und in einem Punkt im Interview mit der NZZ die Einschätzung vorgetragen, die „Süddeutsche“ und der NDR hätten über den Fall des Rammstein-Sängers Lindemann mit besonderem „Belastungseifer“ berichtet. Im Internet sei unter einer suggestiven Fragestellung nach Frauen gesucht worden, die über Lindemann eventuell Belastendes mitzuteilen hätten, seinen Mandanten entlastende Punkte seien nicht berücksichtigt worden. Der Anwalt der „Süddeutschen“ monierte, die erwähnte Chefin des Investigativressorts der SZ habe solche Posts nicht abgesetzt, insofern handele es sich um eine falsche Tatsachenbehauptung.
Das Landgericht Hamburg stellte jedoch fest, es gebe einen Anknüpfungstatbestand für Bergmanns Einlassung – einen Post des zum SZ/NDR-Rechercheverbund zählenden Journalisten Daniel Drepper, ansonsten handele es sich um eine wertende Darlegung Bergmanns, also eine Meinungsäußerung (Az. 324 O 563/23). Diese Ansicht ist das Hanseatische Oberlandesgericht gefolgt: Es handele sich um Bergmanns Meinung, wörtliche (Falsch-)Zitate verwende er nicht.
Man halte auch diese Entscheidung für falsch, „da eine Einordnung der von Herrn Bergmann wiedergegebenen, angeblichen Zitate als Meinungsäußerung fernliegend erscheint“, sagte der Anwalt der „Süddeutschen“, Martin Schippan, auf Anfrage der F.A.Z. Die Entscheidung verstoße „gegen den strengen Zitatschutz des Bundesgerichtshofs“. Wenn Zitate als Beleg für Kritik dienten, müssten diese auch zu 100 Prozent stimmen. Mit dem Urteil werde „der freien Rede und der Qualifizierung sehr eindeutiger Aussagen als Meinungsäußerung dagegen ein Raum gegeben, den die Hamburger Rechtsprechung üblicherweise nicht gewährt“.
„Der Versuch, Kritik an der eigenen Metoo-Berichterstattung im Fall Lindemann gerichtlich untersagen lassen zu wollen, belegt, dass die SZ in diesem Fall ihre Rolle als objektives Recherchemedium längst verlassen hat. Es ist zu begrüßen, das der Verlag hiermit gescheitert ist“, sagte hingegen der Anwalt Simon Bergmann auf Anfrage der F.A.Z. Ins Hauptsacheverfahren, das nach den erfolglosen Anträgen auf einstweilige Verfügung anstünde, will die „Süddeutsche“ nach Auskunft von Martin Schippan voraussichtlich nicht einsteigen.
Quelle: F.A.Z.