Jeder vernünftige Demokrat ist gegen Rechtsextremismus – aber jeder vernünftige Demokrat sollte auch wissen, dass es legitim ist, rechts zu sein. Demonstrationen «gegen rechts» sind somit fragwürdig. Warum macht die CDU trotzdem mit?
Sie lesen einen Auszug aus dem werktäglichen Newsletter «Der andere Blick», heute von Jonas Hermann, geschäftsführender Redaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» in Deutschland. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.
Es war ein Pappschild mit freundlichen Farben. In Minzgrün und Hellrosa stand darauf: «Merz ist mitgemeint». Eine junge Frau hielt es vor dem deutschen Parlamentsgebäude bei einer der Demonstrationen gegen die AfD in der Hand. Neben ihr ein Mann mit einem «AfD, nee»-Schild.
Die Botschaft ist aufschlussreich: Einigen Demonstranten geht es offenbar nicht nur um Protest gegen die in Teilen rechtsradikale AfD, sondern um mehr. Wer den CDU-Chef Friedrich Merz in einen Topf mit der AfD wirft, will einfach nur politisch unliebsame Positionen in den Schmutz ziehen.
Das unfaire Plakat ist kein Einzelfall. Auch bei einer grossen Kundgebung in München vor wenigen Wochen machte eine Frau aus dem Organisationsteam deutlich, dass eine Teilnahme der CDU-Schwesterpartei CSU unerwünscht sei. Zahlreiche Redner bei anderen Kundgebungen kritisierten nicht nur rechtsradikale, sondern auch bürgerliche Positionen. Stark verkürzt lässt sich der Subtext des Protests so lesen: Nur der linke Demokrat ist ein guter Demokrat.
Kretschmann: «Rechts darf man sein»
Dieses Problem hat auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann erkannt. Kretschmann ist der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands und zählt zu den wenigen vernünftigen Stimmen seiner Partei. In einem Interview wurde der Grüne gefragt, ob es klug sei, wenn sich die Redner bei den Demonstrationen nicht nur von der AfD, sondern auch von der CDU abgrenzten.
Er halte dies für falsch, sagte Kretschmann, denn «rechts darf man sein – wenn sich das im Rahmen der verfassungsmässigen Ordnung bewegt. Die Parteien ordnen sich ja zum grossen Teil immer noch ein auf der linken oder der rechten Seite der Gesellschaft. Die CDU wird als starke demokratische Kraft gegen den Rechtsextremismus ganz dringend gebraucht.»
Im Jahr 2015 hatte sich der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel ähnlich geäussert, als er sagte, es sei legitim, rechts oder sogar deutschnational zu sein.
Dem ist wenig hinzuzufügen, ausser der Frage, warum sich die CDU eifrig an dem Demo-Spektakel beteiligt. Zumal dort auch die Antifa und marxistisch-leninistische Organisationen mitlaufen. Wie das wohl bei konservativen CDU-Wählern abseits der grossen Städte ankommt?
Wenn die Partei Glück hat, kommt es dort gar nicht an. Im Zeitalter der sozialen Netzwerke ist das aber unwahrscheinlich, zumal auch die «Bild»-Zeitung in einem Kommentar darauf hinwies, dass die CDU auf linken bis linksradikalen Demos eigentlich fehl am Platz sei: «Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU demonstriert an diesem Sonntag in Görlitz gegen sich selbst», hiess es dort spöttisch.
Die CDU muss sich nach links abgrenzen
Wer an Veranstaltungen aufkreuzt, bei denen er unerwünscht ist, muss sich klein machen, um nicht gesehen zu werden. Die CDU hat sich unter der zu langen Kanzlerschaft von Angela Merkel in weltanschaulichen Fragen oft klein gemacht. Sie hat zum Beispiel einfach zugeschaut, wie das Gender-Deutsch in Universitäten, Ämter und den öffentlichrechtlichen Rundfunk einzog. Sie hat auch zugelassen, dass derselbige nach links driftete, und erst gemeckert, als es zu spät war.
Früher war die CDU eine Partei für Menschen, die der Auffassung sind, dass der Sozialstaat keine unbegrenzte Zuwanderung verträgt. Sie war die Partei der Autofahrer, die Partei der inneren Sicherheit, die Partei der Bauern. Sie bot einem Grossteil der bürgerlichen Mitte eine politische Heimat.
Und was ist die CDU heute? Im Optimalfall wird sie wieder die Partei all derer, die nicht links sind. Dann sollte sie aber Demonstrationen fernbleiben, die alles diskreditieren, was nicht zur rot-grünen Agenda passt.