Alles Empören half ja nichts. Gegen die AfD. Jetzt gibt es eine neue Methode. Die CDU probiert sie in Thüringen aus, in der Höhle des Löwen: Björn Höcke stellen – kann das funktionieren?
Die bisherige Methode – Ignorieren plus Beschimpfen plus schlecht Regieren plus Probleme leugnen – war sicher die schlechteste, um die AfD zu bekämpfen. Demos „gegen rechts“ beeindrucken offensichtlich die AfD ebenso wenig wie die Androhung von Verbotsverfahren.
Bisher ist es so: Die Methode, die AfD zu bekämpfen, hat diese Partei erkennbar nicht geschwächt. Im Osten ist sie in den Umfragen nach wie vor die stärkste Kraft, und selbst ein Björn Höcke schreckt die Menschen in Thüringen erkennbar nicht ab.
Womöglich kann man es sogar so sagen: Der Protest gegen die AfD, ob im Parlament oder außerparlamentarisch, hat der AfD auch deshalb nicht geschadet, weil es oft genug nur darum ging, sich der Unantastbarkeit des eigenen Standpunkts oder der eigenen Haltung zu versichern. Das aber ist wie ein Lagerfeuer, das einen wärmt, aber gleichzeitig auch davon abhält, noch einmal in die dunkle Nacht hinauszugehen – dorthin, wo die Wölfe bedrohlich heulen.
Die härteste Schlacht mit der AfD wird in Thüringen geschlagen
Jetzt aber tut sich etwas Neues. Man konnte es beobachten in der jüngsten „hart aber fair“-Sendung und daran, wie anders seit Wochen in Thüringen der CDU-Spitzenmann Mario Voigt in den Clinch geht mit der wichtigsten AfD-Figur – Björn Höcke.
Bei Klamroth im Fernsehen führte eine führende Wirtschaftsfrau gekonnt vor, wie man auch mit der AfD umgehen kann – hart in der Sache, aber frei von Beschimpfungen. Mit denen man es sich immer auch arg einfach macht. Ausgerechnet eine der früher engsten Vertrauten von Angela Merkel zeigte, wie es gehen kann. Der Dexit, von AfD-Chefin Alice Weidel ins Spiel gebracht, werde dazu führen, dass Deutschland bis 2035 glatt 400 Milliarden Wirtschaftsvolumen verlorengingen – „eine Katastrophe“. So die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, Hildegard Müller.
Und die von der AfD in ihrem Europa-Wahlprogramm – Müller hatte es offensichtlich gelesen – geforderte Abschaffung des Euro und die Wiedereinführung der D-Mark werde erst einmal hohe Wechselkursverluste produzieren und so den deutschen Wohlstand gefährden. „Der Euro hat Wohlstand und viele Arbeitsplätze nach Deutschland gebracht.“
Die härteste Schlacht mit der AfD wird in Thüringen geschlagen. In dem Bundesland, wo ein Linker Ministerpräsident ist und ein extrem Rechter Ministerpräsident werden will. Mario Vogt, der Spitzenmann von der CDU, will beides verhindern, was nach den Umfragen klappen könnte – bei denkbar komplizierter Regierungsbildung.
Wird es ein Konservativer schaffen, einen Rechtsradikalen zu stellen, ihn zu entlarven?
Wer in Thüringen regieren will, der muss sich die Mehrheiten für seine Politik holen, denn er hat sie nicht automatisch. Das ist politisches Hochreck, aber so ist es heute schon. Bodo Ramelow kann nur regieren, wenn er sich mit der CDU einigt – seine rot-rot-grüne Koalition ist eine Minderheitsregierung. So könnte es nach der Wahl im Herbst in Thüringen auch weitergehen – nur eben mit dem CDU-Mann Voigt an der Landesspitze. Wenn es gelingt, die AfD in Schach zu halten.
Anruf bei Mario Voigt: Was machen sie anders mit Björn Höcke und der AfD als bisher? „Wir müssen diese Leute hart stellen – in der Sache.“ Voigt geht Höcke frontal an, hat ihn – ein ungewöhnlicher Schritt für einen CDU-Mann – zu einem persönlichen Duell vor laufenden Kameras gedrängt. Demnächst, Anfang April, wird dieses Duell tatsächlich im Fernsehen stattfinden – eine Deutschlandpremiere. Und man kann sicher sein, dass sie nicht nur in Erfurt und Umgebung dabei zuschauen werden, sondern in ganz Deutschland – und wegen der Europawahl auch in anderen europäischen Ländern.
Wird es ein Konservativer schaffen, einen Rechtsradikalen zu stellen, womöglich ihn zu entlarven? Das ist gegenwärtig die Kernfrage nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen europäischen Ländern, wo Mitte-Parteien gegen Rechtspopulisten kämpfen – in Frankreich, den Niederlanden, in Dänemark, Schweden, Polen …
„Wir müssen schon dahin gehen, wo es stinkt“
Die Parteien auf der Linken, voran Sozialdemokraten und Grüne, wollen von einer härteren Asylpolitik nichts wissen. Und eröffnen so ein Spielfeld für die AfD. Nicht so Mario Voigt: „Wir müssen schon dahin gehen, wo es stinkt.“ Der Frust über die Migrationspolitik sei sehr hoch im ganzen Land. Das habe handfeste Gründe, und darum müsse man den Menschen, die sich darüber sorgten, ein klares Angebot machen. „Sie in die rechtsextreme Ecke zu stellen, hilft nur Höcke.“ Das ist aber das, was führende Politiker von SPD und Grünen permanent tun.
Zuletzt hat die CDU mit ihrem Grundsatzprogramm einen harten Bruch mit Merkels „Willkommenskultur“ vollzogen – kurz gesagt: Asylverfahren nur noch in Drittstaaten, außerhalb von Deutschland. „Man muss mit einem klaren Konzept der AfD das Thema wegnehmen.“ Denn es sei ja da, das ließe sich nicht wegmanipulieren.
So, wie es der SPD-Generalsekretär Kühnert versuchte – man dürfe doch jetzt nicht, wo es um die Auseinandersetzung mit der AfD gehe, auch noch das Asylrecht verschärfen. So tönte es auch in Klamroths Sendung, als der Jurist und Podcaster Ulf Buermeyer eine linke Politik ins Alternativlose rücken wollte:
Die AfD sei nur stark, weil andere Parteien – die Union war gemeint – deren Positionen übernähmen. „Man kann die AfD nicht stoppen, wenn man sagt, wir haben zu viele Migranten.“ Buermeyer verwies auf „Studien“, die es sicher gibt, weil es eine Lieblingsthese der Linken ist.
Nicht die Kopie der AfD-Rhetorik machte diese Partei stark, sondern handfeste Probleme
Nur: Die empirische Evidenz widerlegt die These: Bevor Merkel die Grenzen 2015 nicht schloss, lag die AfD bei 4,7 Prozent. Danach verdoppelte sie sich auf zehn Prozent. Unter dem Eindruck der „Regierungskunst“ der Ampel hat sich die AfD dann noch einmal verdoppelt – auf rund 20 Prozent in Gesamtdeutschland.
Nicht die Kopie der AfD-Rhetorik machte diese Partei stark, sondern handfeste Probleme, die die Regierungspolitik jeweils nicht zu lösen vermochte. Wer anderes behauptet, will eben kein schärferes Asylrecht und keine andere Klimapolitik. Sondern seine linke Bubble mit einem Zaun der Unantastbarkeit beschützen. Es gibt eben auch eine linke „Brandmauer“.
Die AfD stellen, sagt Voigt, bedeute Arbeit: Deren Programme lesen, ihnen genau zuhören – denn sie sagen doch, was sie wollten. Bei „hart aber fair“ sagte der AfD-Wirtschaftspolitiker Leif-Erik Holm, er gebe die Meinung seiner Partei wieder – und widersprach dabei dem eigenen Europaprogramm. Es war ein so kurioser wie entlarvender Moment für die AfD.
Im AfD-Programm ist eben der Ausstieg Deutschlands aus der Europäischen Union nicht die „ultima ratio“, wie Holm es darstellte, sondern der Weg, den die AfD in jedem Fall gehen will. So steht es im Europa-Wahlprogramm: „Wir halten die EU für nicht reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt.“
Zu einer Demokratie passt Streit besser als Empörung und Gratismut
In diesem Programm wird auch die „Abschaffung“ des Europäischen Parlaments gefordert, weil es „undemokratisch“ sei. Genauso wie die „Remigration“ von Ausländern – statt „Resettlement“ (Aussiedlung statt Ansiedlung). Und die Abschaffung des Euro und die Wiedereinführung der D-Mark. (Es steht auf Seite 19.)
Voigt sagt, bei der Migration müsse es „wieder geordnet“ zugehen. „Das Land ist in Unordnung geraten.“ Man schaue nur auf die aktuell hohen Asylzahlen und die niedrigen Abschiebeszahlen. „Wir bestimmen selbst, wer zu uns kommt“, dies müsse die CDU-Linie sein. Hier sei auch der Unterschied zur AfD:
„Höcke will gar keine Ausländer mehr hier haben. Er will Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund ihres Aussehens und ihres Glaubens hinaus schaffen.“ Die Antwort der thüringischen CDU auf die Krise der irregulären Migration war: die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber in zwei Landkreisen. „Wir wollen Lösungen, Höcke will sie nicht.“ Sein Geschäftsmodell sei der destruktive Protest, dessen Merkmal die Nicht-Lösung von Problemen in Kombination mit deren Beschwörung sei.
Diesen – konstruktiven – Kurs fährt CDU-Mann Voigt auch bei Europa. Den Binnenmarkt und den Euro würde er nie abschaffen wollen – „aber das Verbrenner-Verbot muss weg“. Höcke indessen hat gesagt: „Europa muss sterben“.
Im Bundestag findet eine systematische Auseinandersetzung mit der AfD nicht statt. Es dominiert, dies ist mein Eindruck nach etlichen verfolgten Sitzungen, der Grundton der gegenseitigen Empörung. Mit dem Ergebnis, dass die AfD so stark bleibt, wie sie ist. Die CDU und Teile der Wirtschaft haben nun angefangen, etwas Neues auszuprobieren. Die Konfrontation in der Sache, bei der Betonung klarer eigener – nicht linker – Standpunkte.
Dahinter steckt auch der Gedanke, dass zu einer Demokratie Streit besser passt als Empörung und Gratismut.